Donnerstag, 28. Juli 2005

Der Kontrolleur merkt gar nichts mehr

Heute fahre ich mit dem ICE nach Berlin, und gleich hinter Hannover erlebe ich einen Personalwechsel: Während noch die neu Zugestiegenen durch den Zug ziehen und nach Plätzen suchen, taucht die Schaffnerin auf und kontrolliert die Fahrkarten.
  Das danach rein gar nichts mehr geht ... merkt sie nicht, oder es ist ihr egal. In beide Richtungen stauen sich die Reisenden; niemand gelangt zu seinen Plätzen und niemand kann auch nur zur Toilette gehen. Auch die Kontrolleuse hat es unter diesen Umständen nicht leicht: Sie kann nicht durch die Gänge gehen, sondern muss sich an den Reisenden vorbeizwängen, um den nächsten kontrollieren zu können. Die Leute weichen aus, setzen sich den Sitzenden auf den Schoß oder schieben ihnen die Rucksäcke ins Gesicht.
  So sorgt das Servicepersonal der Bahn dafür, es allen Kunden möglichst unbehaglich wird. Gewürzt wird dieser Diensteifer noch durch das diametral entgegenstehende Verhalten des Schaffners der letzten Schicht: Der eilte nach der hastigen Frage »Noch jemand zugestiegen?« so rasch weiter, dass ich ihn nur durch lautes Rufen und heftiges Winken dazu bringen konnte, mir die Karte noch abzustempeln.
  Besonders unangenehm ist, dass dieser Zwischenfall nicht nur ein Klischee provoziert, sondern derer gleich zwei: Der Personalwechsel war in Hannover, und somit unmittelbar vor dem Überschreiten der »Zonengrenze«. Und seitdem frage ich mich, ob ich nun die immer noch vorhandene Beamtenmentalität der Bahn erleben durfte – oder die immer noch vorhandene Arbeitsmentalität ehemaliger ostdeutscher Mitarbeiter.
  Aber vielleicht sehe ich das falsch. War das nicht eine positive Demonstration für die Wirksamkeit der Bahnwerbung? Negative Imagewerbung für gleich zwei Zielgruppen auf einmal – wer schafft das schon? Also: Werbung ist ein Service, der bei der Bahn funktioniert. Womöglich sollte das Unternehmen seine Dienste also gleich ganz auf die Werbekunden konzentrieren und die Bemühungen um den lästigen Fahrgast aufgeben – eine Beschränkung aufs Kerngeschäft ist ja durchaus ein probates Mittel, um Organisationsprobleme in Unternehmen anzugehen.

Keine Kommentare: