Dienstag, 29. November 2005

Philosophie - eine tote Wissenschaft?

In der Philosophie muss es einen Paradigmenwechsel gegeben haben, und ich weiß nicht so recht, wann er stattgefunden hat. Doch der Reihe nach.


Heute konnte ich in der Zeitung einen Artikel lesen, der schon irgendwie bemerkenswert ist. »Für die Hirnforscher ist der Streit entschieden«, hieß es da. »Eine Wahlfreiheit gibt es nicht.« Was wir tun und was wir denken – all das wird in unbewussten Prozessen im Gehirn schon festgelegt, und unser Ich kann dem nur hinterherhecheln, ohne es zu beeinflussen.
  Nun, diese Erkenntnis lese ich nicht zum ersten Mal. Interessant fand ich allerdings die Reaktion der Philosophen auf den Forschungsstand der Neurologie: Sie wollen an der Kölner Uni Vorträge halten, »die belegen, dass der Mensch selbstbestimmt handelt.«


Nun, die Philosophie, an die ich mich erinnere, war im Grunde die Speerspitze der Wissenschaft. Sie nahm die Phänomene unserer Lebenswirklichkeit und dachte sie weiter, über die Grenzen hinweg, die die materielle Wirklichkeit uns setzt. Und damit konnte die Philosophie Modelle entwickeln, mit denen man in Zukunft die Wirklichkeit besser erfassen konnte – und sie konnte zugleich Modelle für das Tun liefern, die sich aus dem bloßen Sein niemals ableiten lassen.
  Und was geschieht jetzt? Die Philosophie trifft sich ganz bewusst, um den Stand der Forschung unserer materiellen Umwelt zu verleugnen, schöne Träume zu hegen und sich in trotziger wie tröstlicher Ignoranz zu üben ... so jedenfalls müsste man es verstehen, wenn alles stimmte, was in der Zeitung steht.


Doch gemach, gemach: Vielleicht hat der Schreiber des Artikels sich nur ein wenig unklar ausgedrückt. Vielleicht ist der naturwissenschaftliche Streit noch gar nicht so entschieden, wie die Wortwahl glauben macht. Womöglich lassen die Erkenntnisse der Neurologen doch noch einen Spielraum, den die Philosophen nutzen. Und vielleicht wollen die Philosophen ja gar nicht mit einem trotzigen »Trotzdem« den Stand der Gehirnforschung leugnen, sondern tatsächlich auf dem neuesten Stand der Wissenschaft weiterdenken.
  Eigentlich würde ich einen Zeitungsartikel nicht so ernst nehmen. Aber leider passt er zu anderen Erfahrungen, so zum Beispiel zu einer philosophischen Betrachtung des freien Willens, den ich jüngst im Feuilleton der Süddeutschen lesen konnte und wo der Autor genau das getan hat, was ich angesichts des heutigen Artikels auch für die Vortragsreihe an der Kölner Uni befürchte: Er hat sich darin erschöpft, die Realität schlicht abzuleugnen. Der Trick war ganz einfach: Er hat zunächst einmal den freien Willen ganz anders definiert, als er gemeinhin verstanden wird. Und dann konnte er mühelos belegen, dass die Hirnforscher sich geirrt haben und der freie Wille doch existiert.
  Eine rhetorische Nebelbombe; Schönrednerei; ein Nicht-sein-kann, was nicht sein darf. Wenn ich eine Maus einen Löwen nenne, dann kann ich natürlich auch beweisen, dass in Deutschland noch Löwen in freier Wildbahn leben – nur über die tatsächlichen Löwen sagt das überhaupt nichts aus.


Von einer Wissenschaft, auch von der Philosophie, erwarte ich schon, dass sie die geprüften Fakten akzeptiert. Dass sie ihr Zustandekommen hinterfragt, andere Perspektiven aufzeigt, sie relativiert, neue Modelle ersinnt, die sie in ein anderes Licht setzen – das alles ja. Aber nicht einfach ableugnet oder ignoriert, vernebelt und drumherumredet. Wunschdenken an Stelle von Stringenz setzt. Alte Bilder abstaubt und vor die Fenster hängt.
  Die Philosophie, so wie ich sie verstehe, bot immer schon antworten für die Gegenwart und die Zukunft; Antworten auf ewige Fragen des Menschen, die aber der Konfrontation mit seinen zeitlichen Erfahrungen standhalten können.
  Wenn das nicht mehr so ist, dann ist die Philosophie tatsächlich eine tote Wissenschaft.

Samstag, 26. November 2005

Ein kindisches Vergnügen

Heute Abend war ich mit meiner Freundin chinesisch Essen. Donnerstag bis Samstag gibt es nämlich beim Chinesen um die Ecke ein Buffet, das sehr empfehlenswert ist. Normalerweise jedenfalls.
  Was allerdings muss ich heute auf dem Schild über einer Schüssel lesen? - “Rindfleisch Szechuan (schaf)”


Was soll man davon halten? Gerade heutzutage, wo die Zeitungen voll sind von Fleischskandalen, schockt eine solche Auszeichnung besonders. Liegt hier etwa ein ganz neuer Skandal vor, Schaf, das dreist als Rind verkauft wird? Oder, schlimmer noch, war es gar die Gentechnik, die Rind und Schaf hier zusammengeführt hat?


Na, egal. Geschmeckt hat es trotzdem.
  Und ich muss wohl eingestehen, dass ich ein kindliches Gemüt habe, weil ich mich den ganzen Abend über einen einfachen Rechtschreibfehler amüsieren kann. Wer an so was Freude hat, muss wohl Lektor werden ... Und, nein, ich zahle keine Vergnügungssteuer für meinen Job ;-)

Montag, 21. November 2005

Stoiber, mein Held...

Nun ist es schon eine ganze Weile her, dass Stoiber in Berlin die Brocken hingeworfen hat. Zusammen mit Müntes Sturz hat er Merkel damit die erste Regierungskrise beschert, ehe ihre Regierung überhaupt die Arbeit aufgenommen hat. Auch das ist eine Leistung, die Maßstäbe setzt.
  Ich möchte hier also Stoiber mal einen etwas anderen »Nachruf« setzen, als man sonst so in der Presse zu lesen kriegt. Denn ganz ehrlich: Stoiber war für mich der einzige Lichtblick im Berliner Politzirkus. Nicht unbedingt, was das politische Format betrifft. Aber ganz gewiss vom Unterhaltungswert.
  Wenn man glauben darf, was man in den Zeitungen liest, wird man in nächster Zeit nicht mehr viel von ihm hören. Angeblich ist er zu geschwächt, um Merkel noch ins Handwerk pfuschen zu können; er muss sich um seine eigenen Angelegenheiten kümmern und in der Heimat erst mal wieder Boden unter den Füßen gewinnen. Er kann es sich gar nicht erlauben, wieder loszupoltern und ungeschickt aufzutreten.
  Ganz ehrlich: Das alles klingt richtig. Aber das hätte ich auch vorher schon jedesmal angenommen. Und doch hat Stoiber es schon seit dem Wahlkampf geschafft, jede Woche aufs Neue von sich reden zu machen, und jedes Mal konnte man sich an den Kopf fassen und feststellen: »Das kann der doch wohl nicht gesagt haben ... Das kann doch wohl nicht ...«
  Doch, Stoiber kann. Und wann immer ich geglaubt habe, jetzt müsse er in Zukunft vorsichtiger sein, dann wurde ich eines besseren belehrt und Stoiber stöberte den nächsten Fettnapf auf.
  Das zeugt nicht von politischem Verstand. Auch nicht, wie gesagt, von politischem Format. Aber es erzeugt jedes Mal ein ungläubiges Lachen. Und zu lachen hat man in der Politik nicht allzu viel.
  Also schaue ich von nun an erwartungsvoll nach München.


In gewisser Hinsicht erinnert Stoiber dabei an seinen politischen Stammvater Strauß. Dessen Schwergewichtskämpfe gegen Kohl sind mir aus meiner Jugend noch gut in Erinnerung: Der bayrische Stachel im Arsch des Bundeskanzlers.
  In gleicher Weise betätigte sich Stoiber bisher als Merkels Pferdebremse. Nur mit einem Unterschied: Strauß sorgte mit seinen Vorstößen für manchen Schenkelklopfer, aber insgesamt war der Konflikt durchaus ernst. Bei Stoiber haben diese Eskapaden hingegen etwas Clowneskes an sich. Und ein Clown passt ja zumindest begrifflich in den »Politzirkus«.
  Also, vielleicht sollte ich mich schämen, so etwas lustig zu finden. Immerhin ging ja auch diesmal um ernste Dinge, um Deutschlands Zukunft gar. Es ist auch völlig unverständlich, warum Stoiber es so darauf anlegt hat, den Anekdotenschatz der Tagespolitik zu bereichern: Rein politisch-inhaltlich hatte ich von Stoiber nichts Dummes gehört; zumindest nicht, seit er selbst als Bundeskanzler kandidierte. Ich war also durchaus geneigt, ihn als Politiker ernst zu nehmen. Aber gerade weil man es nicht verstehen kann, wirkt es umso erheiternder, wenn er sich als Kabinettsclown ohne Not selbst demontiert. Oder sollte man sagen: Umso trauriger?
  Ich gebe zu: Ich lache lieber und schäme mich nicht. Dass ich Merkel im Amt des Bundeskanzlers als Zumutung empfinde, habe ich vorher schon oft genug gesagt. Wenn also demnächst eine neue Regierung auf dem Niveau der Bush-Administration tatsächlich mit dem Anschein von Ernst ihre Arbeit aufnimmt, dann kann ich nur noch trauern und mich vor der Welt schämen.
  Aber wenn durch Stoibers Possen die Berliner Politik auf der Witzseite des Lebens landet, kann ich wenigstens mitlachen und mich der Illusion hingeben, es wäre alles noch nicht so wirklich. Vielleicht kommt also schon nächste Woche wieder eine Meldung von Stoiber, irgendwas Surreales, völlig Abwegiges und Unglaubwürdiges. Und dann kann ich mich noch etwas länger der Illusion hingegeben, dass das alles nur eine schlechte Geschichte ist, eine Illusion, und nicht das jahrelange Jammertal der deutschen Alltagspolitik.
  Also: Stoiber, hilf! Kümmere dich nicht um Vernunft, Folgerichtigkeit, machtpolitische Verhältnisse. Mach irgendwas, nur damit ich auch weiterhin sagen kann: »Das kann doch alles nicht wahr sein!«


Mehr erwartete ich im Moment gar nicht. Und billiger dürfte der Titel »Held der Politik« auf absehbare Zeit nicht von mir zu kriegen sein.

Samstag, 12. November 2005

Neue Einsparungen im Einzelhandel: Wir sparen uns das Verkaufen!

Ich denke, ich habe es hier schon öfter angedeutet: Meiner Ansicht nach ist nicht die schlechte Konjunktur schuld an der Krise des Einzelhandels; es liegt auch nicht an einer Konsumverweigerung des Kunden. Vielmehr ist das Problem hausgemacht. Der Einzelhandel schaufelt sich durch seine Geschäftspolitik oder simple betriebswirtschaftliche Fehler selbst sein Grab.
  Ganz nach dem Motto: »Mein Laden könnte so schön sein, wenn nur nicht immer wieder Kunden drin rumlaufen würden.«


Heute möchte ich diese Einschätzung mal wieder durch zwei konkrete Beobachtungen aus der Praxis untermauern. Beispiel 1: »Bitte lasst diese dekorativen Plätzchen hier liegen. Die sind nur zum Anschauen, nicht zum Kaufen!«
  Gestern beim Einkaufen sah ich nämlich in der Weihnachtsecke beim Plus ein Paket Plätzchen liegen, die recht appetitlich aussahen. Ich überlegte mir tatsächlich, eine Tüte dieser Produkte zu kaufen. Damit hatte der Händler anscheinend nicht gerechnet, denn er hatte die Preisauszeichnung vergessen.
  Ich schaute mich gründlich um. Preise auf der Ware sind ohnehin von gestern; daran habe ich mich inzwischen ja gewöhnt. Aber auch an dem Korb, in dem die Kekstüten lagen, war kein Preisschild zu erkennen. Dieser Korb war Bestandteil eines großen Ständers, und oben am Ständer waren auch jede Menge Preisschilder angebracht, für all die Waren, die im Ständer untergebracht sind. Da nun die Preise nicht unbedingt über der Ware zu finden sind, zu der sie gehören, musste ich sämtliche Preisschilder durchlesen, die dort hingen.
  Das war nicht uninteressant, denn ich konnte dabei feststellen, dass ungefähr 99 Preisschilder dabei waren, zu denen es gar keine Waren gab. Dafür fehlte das gesuchte Preisschild völlig.
  Nun hätte ich das Abenteuer noch verlängern können, indem ich einen Verkäufer suche und nachfrage. Aber irgendwie stellte ich fest, dass mir der Ärger über die vergebliche Suche auf den Magen geschlagen und der Appetit auf die Kekse ohnehin vergangen war. Also verzichtete ich auf den Kauf und sparte mir das Geld.


Zu meinem Ärger trug auch eine weitere Beobachtung bei, die ich kurz vorher machte und die ich jetzt als Beispiel 2 vorstellen will, unter dem Titel: »Kunde, kauf was ich will – nicht was du willst.«
  Dieses Beispiel hat eine Vorgeschichte: Wir kaufen regelmäßig Dosen mit Currywurst, um daraus bei unseren Rollenspielabenden Pizza zu machen. Und, ja, ehe die Rückfragen kommen: Das schmeckt tatsächlich und ist sehr beliebt, aber das tut hier nichts zur Sache.
  Wichtig ist in erster Linie, dass diese Dosen mit Currywurst im Laden nur in Kartons mit zwei anderen Produkten angeliefert werden: Ein Drittel der Dosen im Karton sind Currywurst, ein Drittel »Currybällchen« und ein weiteres Drittel ... äh, irgendwas anderes. Jedenfalls stellte sich rasch heraus, dass nicht nur wir diese Currywurst mochten, sondern auch andere Kunden. Und so kam es, dass sich bald ein Dutzend Kartons stapelten, in denen jeweils die Currywurst ausverkauft war, während die anderen Dosen liegen blieben.
  Kaufmännisch kluges Verhalten wäre es nun gewesen, mehr von der Currywurst zu ordern und weniger von dem Rest. Der Lieferant muss sich halt der Nachfrage anpassen, oder sterben. Stattdessen versuchte der Händler, den Kunden zu erpressen und so lange keine Currywurst mehr anzubieten, bis die Kunden auch den Rest der Dosen aufgekauft hatten. Das Ergebnis war deutlich zu beobachten: Wochenlang blieben die zweidrittelvollen Kartons stehen und der Laden verkaufte von diesem Produkt überhaupt nichts mehr.
  Inzwischen allerdings wurde für das Problem eine Lösung gefunden: Die Kartons werden nun so hingestellt, dass man die Currywurstdosen als uneingeweihter Kunde nicht mehr sehen kann und auch nur noch unter Verrenkungen drankommt. Die Rechnung geht auf: Die Currywurst ist seither nicht mehr vorzeitig ausverkauft, und als gut informierter Kunde, der weiß, wo sie sich versteckt, findet man immer noch einen ausreichenden Vorrat der gesuchten Dosen.
  Ich könnte also zufrieden sein – wenn ich nicht pausenlos bei diesem Anblick den Kopf schütteln müsste über die betriebswirtschaftliche Dummheit. Die »Schnelldreher« und umsatzstarken Produkte nach hinten stellen, wo niemand sie sieht, und sie hinter den Ladenhütern verstecken! Hallo? Gibt's hier irgendwo Kaufmannsgehirne billiger?
  Jetzt verkaufen sich vielleicht alle Sorten im Karton gleich gut – aber viel eher wohl gleich schlecht. Denn die schlecht verkäuflichen Waren bestimmen nun den Gesamtumsatz, und der einstige Renner wird jetzt nur noch von denen gekauft, die wirklich danach suchen; Laufkundschaft ausgeschlossen.
  Und das eigentlich Traurige ist, dass nun womöglich die gut verkäuflichen Currywürste irgendwann aus dem Programm verschwinden werden. Denn ich fürchte, in der Buchführung werden nur die insgesamt verkauften Kartons erfasst, und die Geschäftsführung wird gar nicht mitbekommen, dass sich in diesem Sammelpaket ein Verkaufsschlager befindet, der nur vom übrigen Gebinde künstlich ausgebremst wird.
  Es wäre nicht das erste Mal, dass ein Schlüsselprodukt auf diese Weise aus dem Laden verschwindet.

Donnerstag, 10. November 2005

Geburtstag

heute gibt es mal wieder eine kleine Meldung aus meinem persönlichen Leben ... Gestern hatte ich ja Geburtstag. Nach der vielen Arbeit in letzter Zeit wollte ich den wirklich entspannt verbringen. Einfach mal was ganz anderes tun; Aufregung, Abenteuer und Erholung – wie bringt man das alles in einem einzigen Ei, ich meine: an einem einzigen Tag unter?
  Mein guter Anfang: Ein Besuch beim Augenarzt. Das klingt zunächst vielleicht nicht sonderlich spektakulär. Allerdings kriegt man beim Augenarzt ja die coolen Tropfen, von denen man vielleicht nicht wirklich betrunken wird, nach denen man aber auch nicht mehr viel von seiner Umwelt mitbekommt. Oder zu viel – wenn man nämlich doppelt sieht, weil man nichts mehr richtig fixieren kann.
  Also, ein guter Start in den Tag.


Aber nicht so gut, dass man nicht einen draufsetzen könnte. Da heißt es, Synergieeffekte nutzen: Wenn ich schon mal in der Stadt bin, und ohnehin nicht Autofahren kann, dann kann ich zumindest das Fahrrad von der Inspektion abholen.
  Die Heimfahrt war sehr erfrischend; das Wetter schön. Sonne und pupillenerweiternde Tropfen haben übrigens eine interessante Wechselwirkung, die beim Radfahren zu einem psychedelischen Flimmereffekt führt.
  Das war also schon mal Aufregung und Abenteuer, in gewisser Hinsicht aber auch Erholung – denn wenn man nichts sieht, kriegt man von der Aufregung und dem Abenteuer zugleich so wenig mit, dass man ganz entspannt bleiben kann.
  So hatte ich Mittags schon das Tagesziel erreicht und konnte mich getrost wieder ins Bett legen.


Äh, ja, so oder so ähnlich verlief also die erste Hälfte meines Geburtstages. Mittags kam dann der gemütliche Teil: Das Auspacken der Geschenke. Darunter unter anderem der schon früher erwähnte AlphaSmart 3000, auf dem ich auch diesen Beitrag hier getippt habe; und eine Atari Flashback Konsole. Ich gebe zu, so langsam komme ich in das Alter, wo man nostalgisch wird und dumme Dinge tut, wenn sie nur irgendwie mit den 80ern zu tun haben.
  Dazu einige DVDs und Bücher; die Zeit zum Lesen wünsche ich mir dann im nächsten Jahr. Man muss ja auch noch was haben, auf das man sich freuen kann ...
  Apropos dumme Dinge: Zum familiären Kaffee habe ich mir eine Harry-Potter-Torte gegönnt. Und da sage noch einer, ich könne nicht wirklich dekadent sein. Und anschließend kam ein Kinobesuch: Wallace und Gromit auf der Jagd nach dem Riesenkaninchen. Den Film kann ich sehr empfehlen; vor allem auch wegen der vielen Anspielungen und Zitate. Und die Figuren sind natürlich liebevoll gemacht. Allein dafür werde ich ihn wohl noch öfter sehen müssen.
  Zum Ausklang des Tages dann wieder ein wenig Abenteuer: Das Abendessen. Na ja, ich wurde 37, da versteht man unter Abenteuer vielleicht was anderes als mit 17 ... Mümmel, mümmel ... Nein, ich kann durchaus noch vernünftig essen, und abenteuerlich war eher die Suche nach einem geeigneten Restaurant. Die halbe Schokotorte (mit Marzipan-Potter inklusive Drache und Schriftrolle sowie Knisterbrause) lag mir noch etwas schwer im Magen, so dass Steak und Hefeteig nicht in Frage kamen. Das Restaurant erster Wahl war dann geschlossen, und schließlich landeten wir beim Chinesen. Der McDonalds-Gutschein für den doppelten BigMac muss also noch ein paar Tage in meiner Tasche ausharren.
  Komisch, irgendwie gibt es jedes Jahr eine solche Odyssee von einem geschlossen Lokal zum nächsten. Allmählich frage ich mich, ob es einen Grund hat, dass man am 9. November in Leverkusen und Umgebung kaum ein geöffnetes Restaurant findet. Oder dass zumindest die Restaurants, die ich aufsuchen will, die Türen geschlossen halten und die Lichter löschen.
  Dabei findet meine offizielle Feier doch erst am 19. statt ...


Ach ja, das beste habe ich noch vergessen: Ich habe mir fest vorgenommen, an diesem meinen Geburtstag nicht zu arbeiten und meinen »freien Samstag« zu nehmen. Keine Übersetzung ... Das ist in letzter Zeit selten.
  Es ist auch erstaunlich, wie lang so ein Tag unter diesen Umständen sein kann. Denn trotz aller oben beschriebenen Aktivitäten hatte ich doch noch Zeit, diesen Blogeintrag zu tippen. Und den ein oder anderen weiteren Eintrag auf Vorrat oder zum Nachholen. Und Forenbeiträge. Und ... Und ... Und ...
  Zeit ist irgendwie auch ein schönes Geburtstagsgeschenk.

Mittwoch, 9. November 2005

Münte soll den Karren aus dem Dreck holen ... und fährt ihn vor die Wand

Nun auch noch ein Kommentar von mir zu Münteferings Sturz; ein wenig spät, wegen akutem Zeitmangel in den letzten Wochen. Aber dafür habe ich es an anderer Stelle »schon gleich« gesagt, nämlich in meinem Blogeintrag zum 19.9. direkt nach der Wahl:
  »Schröders Sturz, der im Rahmen einer großen Koalition vermutlich unumgänglich wäre, würde zugleich auch die Teile der SPD schwächen, die einer großen Koalition am besten zuarbeiten können.«
  Nun, ich muss sagen: Der damals prognostizierte Konflikt mit den linken Strömungen in der SPD kam jetzt deutlich früher zum Tragen als ich seinerzeit erwartet hätte. Ich hätte der SPD durchaus zugetraut, zumindest die Koalitionsverhandlungen zum Abschluss zu bringen, ehe sie wieder untereinander zu streiten anfangen.


Im Gegensatz zu »manch anderem« Kommentator bin ich allerdings nicht der Ansicht, dass Münteferings Sturz dem SPD-Präsidium anzulasten ist. Diesen Karren hat er ganz alleine und ohne Not vor die Wand gefahren.
  Jedem Beobachter der politischen Szene war klar, dass die Partei einen anderen Kandidaten wollte als Müntefering. Müntefering wollte allerdings ein Ergebnis in seinem Sinne erzwingen. Vermutlich dachte er, er könne es einfach so halten, wie Schröder es oft genug vorgemacht hat: Eine Sachfrage zu einer persönlichen Entscheidung hochstilisieren. Da Müntes Spezi Wasserhövel eine faire Wahl nicht gewinnen konnte, wollte Müntefering vorsichtshalber lieber über sich abstimmen lassen; also nicht: Wer wird Generalsekretär(in)? Sondern: Seid ihr für mich oder gegen mich?
  Was Müntefering leider übersehen hat: Er ist kein Schröder und beherrscht dieses Spiel nicht. Eine Abstimmung über die Persönlichkeit konnte er nur verlieren, denn die Sache und der Kompromiss war stets Münteferings einzige Chance; der Grund, warum er überhaupt an der Stelle stand, wo er bis zu seinem Rücktritt gestanden hat.
  Jetzt steht er nicht mehr da, und das ist irgendwie auch folgerichtig so.


Manch einen habe ich nun darüber klagen hören, dass die SPD sich selbst zerfleischt; dass sie Müntefering in den Rücken gefallen ist, gar die Gefolgschaft verweigert hat ... Ich vermisse in der Presse die Stimmen, die Müntefering klipp und klar die Verantwortung zuweisen, die er auch trägt. Was hätte der SPD-Vorstand tun sollen? Etwa den Kandidaten absegnen, den Müntefering vorschlug, obwohl er ihnen aufgezwungen wurde?
  Moment mal! Wenn Müntefering ein Recht darauf gehabt hätte, den General seiner Partei zu bestimmen, warum darf dann der Parteivorsitzende den Generalsekretär nicht einfach ernennen? Die Regeln sind nun mal nicht so: Generalsekretär ist ein Wahlamt. Und dass der Kandidat eines Wahlamtes von oben vorgeschlagen und von den Wählern nur noch abgesegnet wird – so etwas darf es in einer Demokratie eigentlich nicht geben!
  Warum sind so viele Medien noch nicht in der angeblich so gefestigten Demokratie angekommen? Warum huldigen viele Kommentatoren der politischem Presse nicht dem demokratischem Prozedere, sondern viel lieber einer »starken Führung«? Nun, das Vokabular dabei ist schon verräterisch: »Königsmord« las ich zu Münteferings Sturz beispielsweise in meiner Tageszeitung; da schimmert doch gleich die Geisteshaltung der entsprechenden Journalisten in der Wortwahl durch.


Und damit schließt sich der Kreis, und ich bin auch an der Stelle angekommen, wo ich das eigentliche Drama von Münteferings Sturz sehe. Für die SPD war der Vorfall gar nicht mal so schädlich: Der Konflikt, der hier aufbrach, war abzusehen und unvermeidlich – sonst hätte ich es wohl kaum schon vor zwei Monaten vorausgesehen. Dass er früher eintrat als erwartet, mag heilsam sein. Besser ein schneller, sauberer Schnitt als ein monatelang schwelender Streit, und unter Platzeck können sich die Kräfte der Nach-Schröder-Ära womöglich neu stabilisieren.
  Aber verheerend fand ich das Bild, dass die politische Presse in dieser Angelegenheit abgab. Eigentlich soll die Presse in der Demokratie ein Wächteramt innehaben. Wenn dieses Wächteramt nun aber von Persönlichkeiten mit eher monarchistischer Gesinnung wahrgenommen wird – wer bewacht dann diese Wächter?