Freitag, 28. Dezember 2007

Die letzten Heuler

Oh Graus! Heute ist es passiert - ich habe Feuerwerk gekauft und keine Luftheuler gekriegt. Dann steht mir also das erste Silvester ohne diese traditionsreichen Feuerwerkskörper bevor. Das reißt eine empfindliche Lücke in meine Offensivlinie gegen die bösen Jahresendgeister. ;-)
  Ich habe mich im Internet ein wenig über die Hintergründe schlau gemacht und erfahren, dass Luftheuler/Schwärmer vor einem Jahr gesetzlich verboten wurden. Es gab eine Übergangsfrist von 12 Monaten, weswegen zu diesem Silvesterfeste letztmalig noch Heuler verkauft werden dürfen. Anscheinend haben die Hersteller diese Frist nur genutzt, um Restbestände zu veräußern. In den regulär hergestellten Sortierungen sind sie jedenfalls schon nicht mehr vertreten.
  Die einzigen Heuler, die ich trotz gründlicher Suche entdecken konnte, waren acht Stück in einem großen Raketenset offenbar älteren Datums, mit jeder Menge anderem Zubehör, an dem ich kein Interesse hatte. Das war mir dann doch ein bisschen zu mager.


Was mich daran allerdings am meisten erschreckt ist die Tatsache, dass damit ein Feuerwerkskörper als angeblich "zu gefährlich" eingestuft wurde, der noch vor dreißig Jahren zwar auch kein Kinderfeuerwerk war, aber doch unter den Zeitgenossen als solches angesehen wurde. Unsere Väter und unsere Großväter haben über Luftheuler noch gelacht - uns packt dabei anscheinend die Panik.
  Sind wir wirklich in den letzten dreißig Jahren so verweichlicht? Sind wir solche Memmen geworden, oder sitzen die Panikmacher nur in der Politik oder in der Bürokratie? Sei's drum, das Ergebnis ist dasselbe. Es macht mich mutlos. Wie soll eine Gesellschaft überdauern, die schon vor Luftheulern Angst bekommt? Wie will man Terrorismus standhalten, oder anderen Bedrohungen, die die Zukunft bringen kann - und wird! -, wenn unsere Erwachsenen heute schon vor Dingen geschützt werden müssen, mit denen vor wenigen Jahrzehnten noch die Kinder gespielt haben?
  Anscheinend entwickeln wir uns zu einer Gesellschaft, die einfach zusammenbrechen wird, wenn man ihr irgendwann mal die Krücken wegtritt.


Ach ja: Gibt es vielleicht andere Länder, in denen Luftheuler zu Silvester weiterhin in Gebrauch sind? Wer da etwas weiß, mag es mir schreiben. Dann feiere ich den nächsten Jahreswechsel vielleicht einmal anderswo. Und wenn hier in Deutschland irgendwann einmal Katalysator, Rußfilter, Autopilot und Annäherungssensor für Silvesterkracher vorgeschrieben sind - dann hoffe ich nur, dass die zuständigen Bürokraten auch den Sicherheitsgurt nicht vergessen.

Dienstag, 18. Dezember 2007

Zieleinlauf

Wie geht's eigentlich beim Marathonlauf zu? Naive Leute denken, man würde laufen und kämpfen und sich bemühen, und wenn man schließlich als Erster im Ziel ankommt, kann man den Sieg feiern, und womöglich gibt's noch eine Siegerehrung.
  Das ist natürlich Unfug.
  In Wahrheit ist es beim Marathonlauf nämlich so, dass man kämpft und läuft, und irgendwann sieht man unter sich eine weiße Linie und fragt sich: "Ist das die Ziellinie?" Man wird langsamer, schaut sich um, aber es gibt keine Hinweise. Also rennt man weiter. Bis am Rand jemand steht und ruft: "He! Warum rennst du so? Der Marathon ist doch längst vorbei!" "Vorbei?", fragt man überrascht zurück. "Und jetzt? "
  "Stell dich da hinten an, da geht's weiter", kommt die Antwort.
  Man weiß nicht recht, ob man dieser Gestalt am Wegesrand glauben soll. "Wo war denn der Zieleinlauf?"
  "Das siehst du später auf dem Siegerfoto. Jetzt stell dich erst mal an."
  Anstatt einen Sieg zu feiern, steht man also in der Schlange. Und es ist eine lange Schlange. Am Ende kriegt man ein Formular mit vielen Feldern, die man erst mal in Ruhe ausfüllen muss - Starternummer, Name usw. Das alles gibt man irgendwann ab, und während man zum Ausgang des Stadions schlendert, bekommt man ein Siegerzertifikat in die Hand gedrückt. Damit steht man dann auf der Straße, blickt sich verblüfft um und wundert sich. War das jetzt das Rennen? Wann genau hat man gewonnen? Soll man jetzt feiern, oder wartet man noch auf das Siegerfoto oder die Siegerehrung?


So endet ein Marathonlauf.
So würde er jedenfalls enden, wenn es beim Marathon zuginge wie in der Verlagswelt.


Heute jedenfalls ist der Tag, wo ich dastehe und irgendwie feststellen kann, dass ich ein Buch verkauft habe. Der Zeitpunkt, den genau ich als "Lauf über die Ziellinie" feiern kann, ist nicht so leicht festzulegen. Würde ich das Buch nun genauso schreiben, wie es in der Geschäftswelt zugeht, würde man mir einen mangelnden Sinn für Dramaturgie und klare Wendepunkte bescheinigen.
  Nun, egal. Ich freue mich jetzt einfach mal, dass ich irgendwann während des Laufens diesen Marathon anscheinend gewonnen habe. Und freue mich weiter auf die "Siegerehrung". Die irgendwann in den nächsten Jahren folgen wird. Ganz wie es sich für einen Marathon gehört ;-)

Dienstag, 11. Dezember 2007

voll krank

Seit gestern liege ich mit Fieber darnieder, zum ersten Mal seit schätzungsweise fünf Jahren. Da ich zufällig vor diesen fünf Jahren zum ersten Mal eine Grippeimpfung gemacht habe, hat sich seitdem bei mir die Theorie festgesetzt, dass die Grippeimpfung das Immunsystem so sehr stimuliert, dass auch normale Erkältungen seltener werden. Bestärkt wurde diese Theorie davon, dass ich in den Jahren davor immer zwei oder gar drei fiebrige Erkältungen im Winter hatte.
  Nun habe ich vor diesen fünf Jahren auch zum ersten Mal eine Kur in der Klutertthöhle in Ennepetal gemacht, was womöglich den größeren Einfluss auf meine verminderte Erkältungsneigung hatte. Dann ist es nur folgerichtig, dass es mich jetzt wieder erwischt hat, denn in diesem Frühjahr habe ich seitdem erstmals auf den Besuch in der Kluterthöhle verzichtet. Auch mein Aufenthalt an der Nordsee, mit dem ich ansonsten der Allergiesaison entfliehe, fiel mit einer Woche recht mager aus. Ich hatte halt viele Termine und konnte nicht nicht recht losreißen.
  Dafür wurde ich auch mit dem heuschnupfenreichsten Frühling seit langem belohnt. Ich blieb nicht nur zuhause, sondern ich blieb sogar richtig zuhause und traute mich kaum mein mit Luftreinigern vollgestelltes Zimmer zu verlassen, da mich auf der Straße gleich die Nießanfälle überfielen. Das Ganze erstreckte sich auch noch bis weit in den Sommer hinein, und nicht nur auf den üblichen einem monatlichen Höhepunkt in Frühling. Dementsprechend mitgenommen fühlte ich mich danach auch. Die jetzige Erkältung ist also der krönende Abschluss dieses Gesundheitsjahrs, nachdem ein heuschnupfenreicher Frühling und ein nasser Sommer mich vorher weichgeklopft haben.


Daraus lerne ich jedenfalls, dass ich im nächsten Jahr meine Prioritäten wieder disziplinierter setzen werde. Ein Monat in Ennepetal, ein Monat Nordsee - das ist Pflicht, damit die Pollen im Rheinland mich im April und Mai gar nicht erst zu Gesicht bekommen. So bleibe ich im nächsten Winter hoffentlich wieder zumindest von schwereren Erkältungen verschont.
  Denn die Grippeimpfung allein reicht dafür anscheinend nicht aus.

Samstag, 1. Dezember 2007

Bye-bye Nanovember

Schon wieder zwei Wochen seit dem letzten Eintrag. Das liegt sicher auch daran, dass ich im November am NaNoWriMo teilgenommen habe - eine Art Wettschreiben, bei der es darum geht, im Verlauf des Monats 50.000 Worte zu schreiben. Für mich war das ein nützlicher Ansporn, um regelmäßig an meinem neuen Roman zu schreiben, noch bevor ich vom nahenden Abgabetermin unter Druck gesetzt werde.
  Das hat für mich auch funktioniert. Ich habe den Nano geschafft und schon im ersten Monat ein ordentliches Pensum hinter mich gebracht. So großartig ist das allerdings auch nicht, denn 50.000 Worte bedeuten umgerechnet nur etwa zwei Arbeitsstunden pro Tag. Das klingt nicht nach einer guten Ausrede, um das Blog zu vernachlässigen.
  Zum Nano gehört allerdings noch mehr. Auf dem Fantasy-Autorenboard "Tintenzirkel" haben wir eine recht lebhafte Nanowrimo-Community gebildet, die das "Wettschreiben" begleitet hat. Nicht zuletzt auch, um die Autoren anzuspornen, die ihr Nano-Pensum zusätzlich neben einem Vollzeitjob oder unter sonstwie erschwerten Bedingungen zu absolvieren hatten. Allerdings stellte ich fest, dass ich unter Einfluss dieses Eventcharakters auch sonst aktiver auf dem Board war.
  Und anscheinend hat diese Aktivität - ohne dass ich es wollte oder auch nur bewusst bemerkt habe - ausgereicht, meinen Schreibbedarf im Internet zu decken. Forenpostings als Ersatz für Blogeinträge: In gewisser Hinsicht war das wohl so.


Nun, der Nanovember ist vorüber. Die Normalität kehrt zurück. Dazu gehört allerdings auch, dass mein Roman immer noch nicht fertig ist und ich für den Dezember noch auf der Suche nach einem Ersatz fürs "Nano-Feeling" bin. Möglicherweise aber nicht mehr auf Kosten des Blogs ;-)

Mittwoch, 14. November 2007

Der Tag, an dem das Kino starb

Wir haben zuhause ja eine Heimkinoanlage, mit Leinwand, Projektor und Surroundsound. Mitunter fragt man sich da schon, warum man noch ins Kino geht. Letztlich war es meine Freundin, die den Kinobesuch am Laufen hielt: Sie wollte das Kinofeeling nicht missen. Was dieses "Feeling" genau war - die Schwätzer vor der Leinwand, über die meine Freundin sich immer besonders aufregte, Handyklingeln, Betrunkene, unruhige kleine Kinder -, das blieb offen. Aber wir haben deshalb die "großen" Filme nach wie vor im Kino gesehen.
  Obwohl der Vorteil des Kinos zum Heimkino immer geringer wurde, und immer schwerer festzumachen.
  Nachdem auch bei meiner Freundin der Elan stetig nachließ, war es heute dann so weit: Wir hatten uns wieder mal in unser Stammkino, dem Kinopolis in Leverkusen begeben, um "Ratatouille" zu sehen. Aber leider gab es einen technischen Defekt, der Film war nicht scharf zu bekommen und fiel aus.
  Und das war es für mich: Der Tag, an dem das Kino starb. Ich werde es von heute an nicht mehr besuchen.


Nicht nur, weil ein Film ausfiel. Oder weil wir uns ohnehin schon gefragt haben, ob sich Kino noch lohnt. Es liegt auch daran, wie das Kino mit diesem Vorfall umgegangen ist: Das Geld für die Karten wurde erstattet, und ansonsten hatte der Kunde halt Pech gehabt. Es war nirgendwo zu erkennen, dass irgendwer im Kino, außer dem Publikum, ein Problem damit hat.
  Nun, unser Problem war zumindest die Anfahrt und die Gebühr für die Tiefgarage, abgesehen von der verhagelten Abendplanung. Und auch bei den anderen Zuschauern war die Enttäuschung spürbar. Vermutlich hätte schon ein Popcorn-Gutschein oder Ähnliches gereicht, um die Stimmung zu heben; der zumindest hätte das Kino nur Centbeträge gekostet. Aber von jeder wie auch immer gearteten Geste, von einem Bemühen um den Kunden war nichts zu spüren.
  Und auch das ist eine Entwicklung, die uns schon länger auffällt: erst das Gedöns mit Taschen und ein Kampf gegen "Filmabfilmer", der hauptsächlich auf dem Rücken des zahlenden Zuschauers ausgetragen wird, der dafür auch noch Verständnis haben soll. Dann passierte es uns schon mehrmals, dass Filme angekündigt waren und nicht stattfanden - auch in dem Falle waren wir aufgrund eines Angebots des Kinobetreibers eigens angereist, aber die Nichterfüllung der beworbenen Leistung war dem Kinopersonal nicht einmal eine Entschuldigung wert. Hat der Kunde halt Pech gehabt.
  Da hatte ich schon länger das Gefühl, dass nicht nur die "Internetkopien" an einer schwierigen Lage der Kinos schuld sind, sondern nicht zuletzt auch das fehlende Bemühen der Kinos selbst, die sich immer noch in einer Monopolstellung wähnen, die sie längst nicht mehr haben.


Der heutige Vorfall war der Tropfen, der das Fass zum überlaufen brachte. So toll ist es nicht mehr, was das Kino bietet, verglichen mit der inzwischen allgemein im Wohnzimmer verfügbaren Technologie. Und zuhause in meinem Wohnzimmer muss ich mich zu allem anderen auch nicht über einen Anbieter ärgern, von dem ich mich als Kunde nur noch als notwendiges zahlendes Übel wahrgenommen fühle.
  Ich denke also, es wird Zeit, nicht mehr überholten Ritualen festzuhalten.
  Für mich ist das Kino tot. Außer vielleicht in den wenigen Fällen, wo ich wirklich nicht auf die DVD warten kann - aber solche Filme kommen alle zwei, drei Jahre mal vor.

Montag, 12. November 2007

Einen blauen Briefkorb hatte ich bestellt ...

Das ist ein Briefkorb - echt! 


... und einen blauen Briefkorb habe ich bekommen. Auch wenn ich das erst auf den zweiten Blick gemerkt habe.

Samstag, 9. Juni 2007

Klima satt

Heutzutage wird ja so ziemlich jedes Thema von den Medien zu Tode geritten. Erst wird es breitgetreten, als gäbe es nichts anderes, bis sich wirklich niemand mehr dafür interessiert. Und weil es dann niemand mehr hören kann, hört man auch nichts mehr davon – obwohl die Probleme, um die es ging, weiterhin bestehen bleiben.
  In den 80er Jahren war es das Waldsterben, und bei den medialen Posaunenklängen hätte man meinen mögen, es gäbe morgen schon keinen Baum mehr in Deutschland. Heute sterben die Bäume immer noch, aber „Waldsterben“ ist ein Schlagwort von gestern – und zugleich Alltag geworden. Dann kam die Atomkraft, die Vogelgrippe und und und ... und es kommt einem allmählich alles zu den Ohren raus.
  Vor kurzem war der Punkt erreicht, wo es mir mit der Klimakatastrophe so ging.


Lange genug musste ich mir schon fast täglich mehr oder minder fundierte, stets aber gleichermaßen aufgeregte Artikel zum Thema anhören. Fand ich nicht so gut, weil man meistens ein und dasselbe schon ein Dutzend Mal gehört hat. Dann aber folgte ein Beitrag in der Sonderbeilage meiner Tageszeitung, der sozusagen "dem Fass die Krone aus dem Gesicht schlug": Was ich gegen den Klimawandel tue.
  Und dort kamen dann auf 8(!) Zeitungsseiten mehr oder minder unbedarfte Leser mit ihren mehr oder minder naiv-laienhaften Tipps zum Klimawandel zu Wort. Manches war sinnvoll, manches banal, anderes aber auch nur noch verschroben zu nennen – wie beispielsweise das Ehepaar, wo der Mann nur noch sein Fleisch und die Frau ihren Käse essen darf, wenn der jeweilige Partner den erhöhten CO2-Ausstoß durch diese Nahrungsmittel durch einen extra-vegetarischen Rohkosttag ausgleicht (oder so ähnlich).
  Muss man sich das wirklich antun? Als Leser meine ich, oder als Zeitungsredakteur den Lesern. Wie die Betroffenen selbst glücklich werden, sei ihnen natürlich auch selbst überlassen.
  Jedenfalls habe ich diese Beilage als den absoluten Tiefstpunkt der Klima-Diskussion erlebt, und ich musste für mich feststellen: Mir reicht es. Ich kann es nicht mehr sehen. Ich kann es nicht mehr lesen. Ich will es nicht mehr hören.
  Das Klima mag sich ändern. Aber diese ganze Schwachsinnsdiskussion darüber hat darauf so wenig Auswirkung wie die Deckmäntelchen-Maßnahmen, die politisch diskutiert werden. Eine aufgeregte Medieninszenierung ohne jeden Wert, und sie kommt mir inzwischen zu den Ohren raus.


Also, wie bei den anderen Problemen würde ich sagen: Es wird Zeit, damit zu leben. Den Klimawandel zu verwalten und zu versuchen, das Gesamtsystem trotz der Veränderung am Laufen zu halten. Geredet wurde für meinen Geschmack jetzt genug darüber.
  Und plakativen Aktionismus will ich auch nicht hören. Sicher, die Probleme sind real und bleiben bestehen – wie das Waldsterben, Störfälle in AKWs und die Endlagerproblematik, Pandemiegefahren und die Feinstaubbelastung. Man wird darauf reagieren müssen und irgendetwas tun, meist im Kleinen und durch solide, unspektakuläre Arbeit, die bald schon zu unserem Alltag gehören wird.
  Aber ich warte jetzt schon auf den Tag, wo auch der letzte Medienmacher merkt, dass er auf einem toten Pferd reitet, und dieses unsäglich niveaulose Klimagequake endlich einem frischeren Modethema Platz macht.

Dienstag, 29. Mai 2007

Lomax' Spinnereien, Teil 3

Auf meiner Rückfahrt von Wangerooge hatte ich einen längeren Aufenthalt am Bahnhof Sande in Ostfriesland. Ich setzte mich auf eine Bank und dachte mir, die halbe Stunde lässt sich gut noch mit einem gemütlichen Tässchen Tee überbrücken. Also, Thermoskanne ausgepackt, Tee eingeschenkt und dann erst mal alles auf dem Koffer abgestellt. Zum Glück habe ich einen großen, klobigen Koffer, der sich gut als Tischchen hinstellen lässt.
  Zum Glück jedenfalls, wenn man eine Ablage braucht. Wenn man ihn allerdings durch die Gegend oder gar durch enge Abteilgänge tragen muss ... aber schweigen wir von derlei Dingen.
  Ich trinke also gemütlich meinen Tee, werde nach gut zehn Minuten fertig und will alles wieder verstauen. Und was sehe ich da? Eine kleine Spinne hat die Pause genutzt und baut sich gerade ihr Netz zwischen der Thermoskanne und deren Griff. Das ist schlecht. Denn wenn ich nun den einklappbaren Griff der Kanne bewege, könnte die Spinne schmerzhaft eingeklemmt werden. Und selbst wenn sich das vermeiden lässt, ist der Gedanke, die Kanne mitsamt Spinne wieder in den Koffer zu packen, auch nicht gerade so prickelnd. Im Grunde ist es ja nicht mein Problem, was mit so einer Spinne passiert, die bei der Wahl ihres Wohnortes schon die einfachsten Sicherheitsbestimmungen außer acht lässt – aber andererseits empfinde ich doch eine gewisse Verantwortung, die ich nicht übernehmen will.
  Also musste ich erst mal einen halbwegs sicher wirkenden Platz finden und die Spinne daselbst aussetzen.


Lustigerweise hatte dieser Vorfall am Morgen eine Vorgeschichte. In meinem Zimmer auf Wangerooge lebte nämlich am Fenster eine recht winzige Spinne, die ich jeden Morgen und Abend beim Lüften sah. Nur am Tag meiner Abreise war der Winkel leer, und ich fragte mich schon, wo die Spinne sich wohl versteckt hat.
  Die Spinne an meiner Thermoskanne sah genauso aus, und nun frage ich mich ...
  Nun, sagen wir es so: Das könnte jedenfalls die Antwort auf die vorher im Blog schon erwähnte Frage sein, ob diese Viecher inzwischen hinter mir herreisen. In meinem Koffer. Verborgen in den Nischen, die am Griff meiner Thermoskanne zu finden sind.

Donnerstag, 10. Mai 2007

Magneto ist am Zug!

Seit den X-Men wissen wir es: Es kann der Beste nicht im Zuge arbeiten, wenn Magneto sich im Eisenbahnwaggon herumtreibt. Die Deutsche Bahn, sonst ja für ihre Kundenfreundlichkeit bekannt, hat diesen Herrn trotzdem bereitwillig eingeladen.
  Es begab sich nämlich auf meiner Rückfahrt von Wangerooge, dass ich unter vielerlei Mühen endlich einen Sitzplatz im IC ergattern konnte (und von diesen vielerlei Mühen will ich des weiteren schweigen; von den schlechten Verbindungen, zahllosen Umstiegen, lachhaft optimistischen Umsteigezeiten bei der Fahrplanauskunft. Und davon dass ich mich, um zu diesem einen freien Sitzplatz zu gelangen, mehrere Waggons weit mit schweren Koffern durch überfüllte Gänge schlagen musste).
  Als ich jedenfalls endlich den Sitzplatz gefunden hatte, dachte ich mir, jetzt kann ich die Fahrt noch sinnvoll zum arbeiten nutzen. Ich klappte also das Tischchen herab, will meinen Laptop darauflegen – und stutze.
  Fette Warnaufkleber prangen auf der Ablage und teilen mir mit, dass dieses Tischchen über eine Magnethalterung verfügt und ich doch bitte schön Vorsicht walten lassen soll, wenn magnetische Datenträger im Spiel sind. Nun, wie nicht anders zu erwarten, verfügt mein Laptop über eine Festplatte, und das ist ein magnetischer Datenträger. Ich habe mich also nicht getraut, das Gerät auf diesen magnetisierten Tisch zu stellen, und dementsprechend war's auch nichts mit der Arbeit bei der Zugfahrt.


Dass man im Zug mit dem Laptop arbeitet, ist ja nichts Ungewöhnliches. Dass bei der Arbeit mit dem Laptop meist auch magnetische Datenträger im Spiel sind, damit kann man auch rechnen. Und die Warnaufkleber auf den Tischen zeigen ja auch, dass der Bahn das Problem durchaus bekannt ist – und sie sich trotzdem entschlossen hat, es zu ignorieren und den Ärger auf den Kunden abzuwälzen.
  Und so frage ich mich, verdammt noch mal: Wie kommt man überhaupt auf die Idee, anstatt der sonst üblichen Riegel ein magnetisches Haltesystem in die Platten dieser Tischchen einzubauen? Wenn man durch einen gut besetzten Wagen geht, sieht man immer zumindest drei, vier Leute, die auf eben diesen Tischen mit Laptop arbeiten. Da werden nicht nur dann und wann, sondern insgesamt und täglich tausende magnetischer Datenträger drübergeschoben – kein Problem, wenn man nur ein Warnschild dranklebt?
  Kein Problem jedenfalls für die Bahn.
  Aber als Kunde finde ich: Diese Tische gehören raus. Und genauso die hirnlosen und praxisfernen Designer, die überhaupt auf die Idee zu einer solchen Konstruktion kamen. Vielleicht kann ich dann irgendwann mal eine Bahnfahrt unternehmen, ohne hinterher eine Klage in mein Blog schreiben zu müssen.

Samstag, 5. Mai 2007

Lomax' Spinnereien, Teil 2

Letzte Woche war ich ja an der Nordsee, genau gesagt wieder mal auf Wangerooge. Da habe ich mir auch ein Fahrrad geholt, und vorne, vor dem Lenker, zwischen den beiden aufstrebenden Kabeln vom Dynamo, hat sich sogleich auch eine kleine Spinne ihr Netz gesponnen. Offenbar dachte sie, mit diesem quer zur Fahrrichtung stehenden Filter anständig Beute aus der Luft fischen zu können, während ich die dafür erforderliche Bewegungsenergie zur Verfügung stelle.
  Nun ja, kurz gesagt: Der perfide Plan des winzigen Achtbeiners, andere für sich arbeiten zu lassen, ging nicht auf. Denn was auch immer er zu fangen gehofft hatte: Als ich friedlich und nichts ahnend an den Dünen entlangfuhr, flog es mir in den Mund.
  Und ich hasse es wirklich, beim Radfahren Mücken oder Eintagsfliegen ins Gesicht zu kriegen.


Davon abgesehen war diese einwöchige Flucht auf die Insel zur Hauptallergiezeit allerdings ein voller Erfolg. Auch ohne Tabletten war ich annähernd beschwerdefrei und konnte mich von den Schnupfenanfällen der Vorwochen auch wieder gut erholen. Das Wetter war auch gut, sogar besser als zuhause, weil die Hitze niemals unangenehm war und durch den Seewind gemildert.
  Lustigerweise kann man auch kaum von einem Urlaub sprechen, weil ich auch an Arbeit mehr geschafft hatte als vorher daheim. Denn den Laptop kann man ja immer mitnehmen, und heutzutage, wo man auf diese Weise sein ganzes Büro in die Aktentasche bekommt, ist wegfahren allein kein Grund mehr, um die Arbeit zu unterbrechen. Und wenn man sich dann auch noch fit fühlt, steigert das die Produktivität sogar.
  Und das geht bis in den Hobbybereich: Denn obwohl ich viel auf der Insel unterwegs war und auch diverse Kurse belegt habe, dann auch noch ein normales Arbeitspensum absolvierte – habe ich ganz nebenbei fürs Hobby auch noch mehr geschafft bekommen, als ich sonst nur zu träumen wage. Ich habe sogar wieder ein Abenteuer für die „Matrix“-Rollenspielgruppe vorbereitet. Da hatte jeder Tag auf der Insel gefühlte 30 Stunden – allerdings nicht wegen Langeweile ;-)
  Aber man kennt das ja: Wenn man sich langweilt, kommt einem die Zeit lang vor, aber im Rückblick betrachtet fragt man sich, wo sie geblieben ist. Ist man hingegen gut beschäftigt, vergeht die Zeit wie im Fluge – aber im Nachhinein denkt man, es wäre alles viel länger gewesen.
  Mir jedenfalls kam der Aufenthalt an der See im Nachhinein eher wie zwei Wochen vor.


Nun ja, und was die Spinne am Fahrrad betrifft: Die habe ich mir später noch mal genauer angeschaut. Sie hatte auch ein Kreuz auf dem Rücken, war kleiner als ein Stecknadelkopf und sah ziemlich so aus, wie die Babyspinnen in meinem Wohnzimmer in der Woche davor. Danach habe ich mich erst mal gefragt, ob die Viecher mir jetzt schon hinterherreisen.
  Diese Frage wurde kurz darauf beantwortet.


Aber dazu mehr im dritten 3. Teil meiner Spinnereien.

Mittwoch, 2. Mai 2007

CSI Fantasy

Am Montag startete meine neue Rollenspielgruppe. Nur halb zum Spaß habe ich diese Kampagne unter dem Titel „CSI Fantasy“ laufen lassen – denn es soll ein Kriminalrollenspiel werden, das auf derselben Fantasywelt angesiedelt ist, wo ich schon meine Standard-Fantasykampagnen angesiedelt habe.
  Während im „normalen“ Rollenspiel immer eine Gruppe mehr oder minder zusammengewürfelter „Abenteurer“ im Mittelpunkt standen, die recht orientierungslos durch die Welt wanderten und ... nun, eben Abenteuer erlebten, ist der Ansatz diesmal ein anderer. In der vorherigen Kampagne folgte die Perspektive, die „Kamera“, immer der Gruppe – nun steht sie auf einem Ort und einer Institution, nämlich dem „3. Kommissariat des Kaiserlichen Appallationsgerichtshofs“.
  Die Spieler sind Angehörige dieses Kommissariats, oder zuarbeitende, freie Mitarbeiter, jedenfalls mit einer festen Stellung und einer Position; und auch mit einem sozialen Umfeld und festem Wohnsitz. Im Zentrum der „Abenteuer“ stehen Kriminalfälle, die der Appellationsgerichtshof zu bearbeiten hat – oft in der Hauptstadt, aber die Ermittlungseinheit kann auch mal an andere Orte des Reiches geschickt werden. Aber auch im Falle einer Reise gilt, im Gegensatz zu den sonst üblichen Verhältnissen im Fantasy-Rollenspiel: Die Reise hat ein absehbares Ende, und danach gibt es wieder ein festes Zuhause, zu dem alle Spieler zurückkehren und an dem der Ausgangspunkt für das nächste Abenteuer liegt.
  Neben den eigentlichen Abenteuern ist durchaus auch ein gewisser „Soap“-Anteil vorgesehen: Das Leben der Spielfiguren besteht nicht nur aus dem Beruf, sondern auch private Episoden und Probleme der Figuren sollen eine Rolle spielen, bzw. sollen „rollengespielt“ werden. Und das ganze vollzieht sich vor dem Hintergrund eines dekadenten Hofes und eines Reiches am Abgrund, in einem Setting, dass sich im Laufe des Spiels dramatisch verändern wird. Lustigerweise haben beinahe alle Spieler schon mal in meiner „normalen“ Fantasygruppe gespielt und den gleichen Zeitraum aus einer ganz anderen Perspektive erlebt.
Bei diesem ersten Abenteuer konnte ich das Geplänkel im Hintergrund mitsamt der NSCs noch zurückstellen: Es reichte schon das Konfliktpotenzial innerhalb der Gruppe aus, um einen Drittel des Spielabends mit „Kennenlernen“ zuzubringen. Und da konnte ich gleich erleben, wie viel Potenzial das Szenario hat, um Spielfiguren in peinliche Situationen zu bringen, Beispielsweise, wenn zwei der Charaktere für ihren Vorgesetzten bei einer wichtigen Persönlichkeit einen Termin vereinbaren wollen, dann feststellen, dass der Grund für diesen Termin sich ziemlich lächerlich anhört, wenn man ihn ausspricht – und zu guter Letzt dann erkennen, dass keiner von ihnen sich an den Namen des neuen Vorgesetzten erinnert, für den sie den Termin vereinbaren wollen.
  Was vielleicht auch besser war, weil dieser Vorgesetzte gar nichts davon wusste, dass die beiden in seinem Namen dort vorsprachen ...
  Irgendwann kam ich dann zu dem Schluss, dass man jetzt doch dringen mit dem eigentlich Fall anfangen muss – was tatsächlich dazu beitrug dass die Gruppe sich dann etwas besser zusammengerauft und auch zusammengearbeitet hat (ein gemeinsames Ziel ist halt immer nützlich). Aber viele Fragen blieben trotzdem noch ungelöst im Hintergrund stehen, und das finde ich auch eigentlich gut so.
  Ich bin schon gespannt auf die nächsten Abende ...

Montag, 30. April 2007

Die Spinnvasion

„Da seilt sich gerade eine Spinne über dem Esstisch ab“, ließ meine Freundin mich letztens wissen. Ich schaute nach und erblickte tatsächlich eine kleine Spinne an ihrem Faden baumeln. So ungewöhnlich ist das nicht, und in der Regel sind es kleinere Springspinnen, die sich von der Decke hängen lassen, wenn es ihnen nicht gut geht oder sie Lust auf einen Kaffee haben¹.
  Das Exemplar des Tages war allerdings keine Springspinne. So viel erkannte ich gleich, als ich das Tier aus der Luft gefischt hatte. Es war kaum größer als ein halber Stecknadelkopf und kaum zu erkennen, aber ein weißes Kreuz zeichnete sich trotzdem scharf und deutlich auf dem braunen Rücken ab - also offenbar eine Baby-Kreuzspinne.
  Mit der gebotenen Behutsamkeit setzte ich sie auf das Insektennetz am Fenster. Denn von dort aus, so dachte ich mir, konnte die kleine Spinne gut jeden Ort erreichen, denn sie wollte: Einen geschützten Winkel suchen oder auch wieder nach draußen gelangen, denn sie war noch klein genug, um sich durch die Maschen des Netzes zwängen zu können.
  Danach kümmerte ich mich erst mal um andere Dinge, holte Tee und dieses und jenes. Dann blickte ich neugierig zum Fenster und wollte schauen, was die Spinne inzwischen so treibt. Aber ich konnte sie nirgends erblicken. Also blickte ich hierhin und dorthin, und schließlich sah ich sie oben am Fensterrahmen sitzen. „Verdammt schnell“, dachte ich mir. „Ich hätte nicht gedacht, dass sie schon so weit gekommen ist.“
  Und während ich das dachte, drehte ich ein wenig den Kopf, der Winkel änderte sich – und dann sah ich sie: Dutzende dieser kleinen Spinnen überall um das Fenster, durch Größe und filigranen Körperbau beinahe unsichtbar und nur zu erkennen, wenn man genau aus dem richtigen Winkel darauf schaute und das Licht günstig stand. Sie saßen am Fensterrahmen, an der Wand über dem Fenster und baumelten an feinen Fäden vor dem Fenster umher.
  Offensichtlich war kurz zuvor ein Nest von Kreuzspinnen vor dem Fenster geschlüpft, und einige davon hatten sich in die Wohnung verirrt. Die Spinne über dem Tisch war nur die besonders freche Vorhut gewesen, die sich ein wenig weiter in den Raum gewagt hatte. Und jetzt konnte man nicht mehr ans Wohnzimmerfenster treten, ohne eine Schar dieser winzigen Spinnen über sich – für einen Arachnophobiker wäre das sicher ein erschreckender Anblick gewesen, und auch ich kann mich nicht erinnern, jemals so viele Spinnen auf einem Haufen in meiner Wohnung gesehen zu haben.


Nun, und das war sie auch schon, die Geschichte von der Spinnvasion. Denn da Spinnen keine Schädlinge sind, weder Nahrungsmittel bedrohen noch Krankheiten verbreiten noch sonst irgendwas mit Menschen zu schaffen haben, muss man sich um sie ja auch nicht weiter kümmern (außer, sie seilen sich gerade störend in den Raum ab, oder sitzen auf dem Stuhl, den man gerade selbst benutzen will). Und aus Erfahrung weiß ich: Selbst wenn man mal besonders viele Spinnen im Haus hat, erledigt sich das innerhalb von wenigen Tagen selbst; entweder wandern die überzähligen Spinnen aus, oder sie beseitigen die Überpopulation selbstständig.
  Und Kreuzspinnen sind, wie man weiß, „Draußenspinnen“ - aus irgendwelchen Gründen fühlen sie sich in Wohnungen nicht wohl, und wenn sich mal eine dorthinein verirrt, wird sie kaum sesshaft. Und tatsächlich, am nächsten Morgen war von all den Spinnen nicht eine einzige mehr zu sehen. Über Nacht hatte ich wegen der sommerlichen Temperaturen das Fenster offen gelassen, und offenbar waren es tatsächlich alles „Draußenspinnen“. Oder sie haben einfach nur gelernt, sich besser zu verstecken.


¹kleiner Insider für all jene, denen sich schon mal eine Spinne geradenwegs in die Kaffeetasse abgeseilt hat :-)¹

Samstag, 21. April 2007

Journalisten werben nicht ...

... denn das ist den journalistischen Verbandsmagazinen vorbehalten. Jedenfalls kenne ich einige Kollegen, die sich sehr darüber ereifern können, dass die frühere Beilage mit nützlichen „Werkstatt-Tipps“, die dem Magazin des Deutschen Journalistenverbandes beilag, durch ein Heft namens „Themen“ ersetzt wurde. Darin findet man allerhand Material, vorzugsweise der deutschen Industrie, das Anregungen für Artikel geben soll. Auf gut Deutsch also: Die Beilage mit praktischen Hilfen fürs journalistische Arbeiten wurde durch eine nur notdürftig getarnte Sammlung von PR-Material ersetzt.
  Diese Wandlung ist allerdings schon alt. Fast so alt wie das Jammern im Blatt selbst über den Fall der journalistischen Sitten und die Vermischung zwischen Werbung und redaktionellem Inhalt. Und wer da etwa behauptet, dass durch Tun und Sagen zwei unterschiedliche Botschaften vermittelt werden, ist natürlich ein Schelm.
  Aufgreifen möchte ich dieses Thema nun allerdings in meinem Blog, weil es mit der letzten Ausgabe der Zeitschrift doch ein neues Niveau erreicht hat. Diesmal war das Magazin sogar eingeschweißt, damit die zahlreichen Beilagen nicht rausfallen: Zwei dicke Hefte von deutschen Automobilherstellern, die sich als „Presseinformationen“ oder „Berichte“ tarnten, tatsächlich aber wiederum pure Werbung und PR enthielten. Den Informationsgehalt hätte man meines Empfindens nach auf einer einzelnen Seite unterbringen können. Auf einer sehr kleinen Seite. In Großschrift. Für beide Broschüren.
  Nun ja. Man nimmt es hin.
  Bis ich dann im Journalisten-Heft selbst auf einen Artikel stieß, in dem gerügt wurde, dass bekannte Journalisten Werbeverträge abschließen. Darin zitiert der Verband seinen eigenen Vorsitzenden: „Es verträgt sich nicht mit der Glaubwürdigkeit von Journalisten ... wenn einzelne prominente Angehörige unseres Berufsstandes Werbung ... machen.“


Soll ich das diesem Heft jetzt glauben?

Montag, 9. April 2007

Casino Royale

Den letzten Bond wollte ich nicht im Kino sehen. Zu viel Peinliches war im Vorfeld über den Darsteller bekannt geworden, und wenn ich auch weiß, dass man einen Schauspieler nicht mit seiner Rolle verwechseln darf, so stört es doch ein wenig die Illusion, wenn man weiß, das beides zu sehr voneinander abweicht.
  Doch wie auch immer: Auf DVD wollte ich mir den Film schon anschauen. Nach allem, was ich gehört hatte, waren ja viele Kinobesucher recht zufrieden gewesen. Außerdem wurde ich in den letzten Jahren regelmäßig angenehm überrascht, wenn ich mit geringen Erwartungen in einem Film ging.
  Diesmal allerdings nicht. Meine schlimmsten Erwartungen wurden noch unterboten.


Längst nicht alle Mängel des Filmes kann man dem umstrittenen Darsteller anlasten, auch wenn er den Gesamteindruck nicht unbedingt verbesserte. „Bond endlich mal verletzlich“, so lobten einige Kritiker. Nun, „mitgenommen“ trifft es wohl eher. Bond sieht schon leidend aus, allerdings ziemlich durchgehend, so dass man das Gefühl bekommt, es ist halt seine Art. Wenn jemand im Laufe der zahlreichen Vorgänger Bonds Coolness und sein Gentleman-Gehabe leid geworden ist, so mag er diese Veränderung vielleicht schon als Innovation und Verbesserung betrachten. Aber das ansonsten ausdruckslose Spiel bringt viel zu wenig Gefühl herüber, um mich als Zuschauer berühren zu können. Und das würde ich doch erwarten, bevor ich einen Charakter als „verletzlich“ empfinde.
  Alles in allem habe ich auch als schauspielerischen Mangel empfunden. Denn ausdruckslos durchs Set zu spazieren, sich von den Maskenbildnern zunehmend derangieren zu lassen und dann und wann eine leidende Miene aufzusetzen, das wirkt nun wirklich weder sonderlich mitreißend noch wie eine Leistung. Zudem blieb dieser Bond so farblos, dass ich immer wieder Probleme hatte, die Figur zu erkennen und nicht mit irgendwelchen Statisten zu verwechseln. Vor allem am Anfang des Filmes hat mich das einige Male verwirrt.
  Das lag sicher auch daran, dass dieser Bond ganz anders aufgezogen werden sollte als in den früheren Filmen. Das bondtypische „Charisma“ fehlte halt – vielleicht bewusst, aber wenn man einen Bond sieht, bei dem „James Bond“ fehlt, ohne dass man dafür eine andere, neue interessante Figur geboten bekäme, dann kann ich das nur als Mangel wahrnehmen.
  Der fehlende Ausdruck der Figur hatte natürlich auch Auswirkungen auf andere Aspekte des Films. So sprang zwischen den Figuren kein Funke über. Bond schien vor einer Staffage funktionaler Pappfiguren zu agieren, was vor allem die Glaubwürdigkeit der Liebesgeschichte am Ende schwer erschütterte. Doch damit kommen wir dann schon zu den Mängeln des Films, die nicht allein dem Darsteller anzulasten sind.
  Denn was die Liebesgeschichte am Ende ebenso schwer belastete, war die Tatsache, dass man den Figuren nur hohle, pathetische Floskeln in den Mund legte, die mir unwillkürlich ein Stöhnen entlockten. Mehrfach in diesem Film fühlte ich den Drang, mir angesichts peinlicher Dialogzeilen die Ohren zu zuhalten oder den Raum zu verlassen. Ich habe wirklich schon lange nicht mehr solche abgegriffenen Theatersprüche in einem modernen Kinofilm gesehen; und das will angesichts der Theatralik in den gängigen Produktionen schon etwas heißen.
  Was die Mängel an Figuren und Inszenierung betrifft, war der Film zumindest konsequent. Denn auch der markante Bösewicht fehlte. Der mit viel Mühe eingeführte Schurke war in dem Film selbst so bedroht, dass er als Gegner von vornherein demontiert war. Und als er James Bond schließlich in seiner Gewalt hatte ... nun, ich will hier nicht spoilern und vergleiche es daher mit den älteren Bondfilmen: Man stelle sich vor, Goldfinger hätte James Bond gefangen, ihm seine finsteren Pläne enthüllt – und dann, auf dem Höhepunkt des Finales, wenn man gerade darauf wartet, wie der Held sich befreit und die Welt rettet, wäre irgendein gesichtsloser Killer, der bisher in dem Film keine Rolle gespielt hatte, in das Hauptquartier des Bösen spaziert, hätte Goldfinger erschossen und beiläufig erwähnt, dass er ja ein noch viel schlimmerer Bösewicht ist. Der dramaturgische Super-GAU also. Dass die eigentlichen Bösen irgendwelche gesichtslosen Kartelle sind, von denen man nur ein paar austauschbare Anzugträger zu sehen bekommt, mag ja realistischer sein. Aber wer möchte das in so einem Film schon wirklich sehen? Da ja nun bekanntlich ein Held durch seine Gegner lebt, war nun auch verständlich, dass Bond in diesem Film ständig wie ein Toter umhertapert.
  Ach ja, das Tüpfelchen auf dem i: Auch die bondtypischen Gadgets fehlten diesmal völlig. Das mag man schade finden oder erfreulich oder belanglos; aber wenn ich das als Endpunkt meiner bisherigen Aufzählung betrachte, stelle ich mir doch die Frage: Wenn man einen Film dreht, der alles anders machen will als bisher, und in dem wirklich alles fehlt, was bisher Markenzeichen von Bondfilmen war – warum dreht man dann noch einen Bondfilm? Ach ja: vermutlich deshalb, weil ohne das Bond-Etikett niemand den Film zur Kenntnis genommen hätte.


Der dritte Punkt, in dem der Film für mich eine Enttäuschung war, ist dann noch der Plot. Nach dem verwirrenden Anfang entwickelte sich eine stringente, aber irgendwie belanglose Handlung, die irgendwann ihr natürliches Ende fand – leider ging der Film danach noch weiter und wurde wirklich chaotisch. Das letzte Drittel war dann eine Aneinanderreihung wüster Szenen, verbunden durch einen roten Faden, der noch nicht einmal überzeugen konnte. Und das Schlimme daran: Alles, was dann geschah, war nicht nur wirr und krude, sondern auch noch in jedem Einzelfall ziemlich vorhersehbar. Und wer wissen will, wie man so etwa schaffen kann, muss sich den Film wohl ansehen. Es war so, als hätte der Regisseur nach Abschluss des Films noch eine Liste von Dingen gehabt, die er unbedingt unterbringen wollte, wie aber in den Spannungsbogen nicht reingepasst hatten und nachträglich abgehakt wurden.
  Gibt es über den Film auch etwas Positives zu sagen? Nun ja, einige der Szenen waren für sich genommen durchaus gut, was Optik und Action betrifft; auch das eigentliche Finale war in dieser Hinsicht interessant gestaltet.
  Aber insgesamt war Casino Royale das schlechteste A-Picture, das ich seit zehn Jahren und mehr gesehen habe. Und beim Schreiben dieses Fazits habe ich jetzt kurz innegehalten und an Matrix 2 gedacht; aber auch diesen Vergleich hat Casino Royale binnen Sekunden durch KO verloren, weil ich Matrix 2 trotz allem mehr als einmal gesehen habe. Was mir beim neuen Bond gewiss nicht passieren wird.

Samstag, 31. März 2007

Cook dich nur nicht um ...

Seit geraumer Zeit bin ich Kunde des DVD Online-Verleihs Amango. Ich habe damals einen Spezialtarif über Weltbild abgeschlossen (im Augenblick scheinen hier im Blog die Weltbild-Wochen zu sein, aber das ist diesmal nur Zufall und spielt eigentlich keine große Rolle. Wichtig ist eigentlich nur, dass das damals der günstigste Tarif für mich war).
  Letztens nun hatte meine Freundin festgestellt, dass Amango neue Tarife anbietet, und ich wollte mal schauen, ob sich da etwas für mich Vorteilhafteres ergeben hat. Als ich allerdings die alternativen Tarife anschauen wollte, wurde mir nichts dergleichen angezeigt. Nun dachte ich mir schon, dass die neuen Tarife vielleicht nur für Neukunden angeboten werden, und weil ich zu faul war, mich auszuloggen und dann das Passwort zum Neueinloggen nachzuschlagen, machte ich einen anderen Browser auf. Eine sehr erhellende Erfahrung.
  Denn im neuen Browser fand ich eine ganze Menge neuer Tarife, die mir als Altkunden schlicht verschwiegen wurden. Ganz offensichtlich wollte man Kunden, die schon mehr bezahlen, nicht darauf aufmerksam machen, dass sie's auch günstiger haben können. Nun ja, ich bin ein verständnisvoller Mensch und kann das noch irgendwie nachvollziehen.
  Dann aber ergab es sich, dass ich Tarifdetails vergleichen wollte, und weil ich wiederum zu faul war, meinen normalen Browser zu öffnen, schaute ich mir einfach im alternativen Browser meinen bisherigen Tarif an. Wohlgemerkt, ich suchte nur anonym nach dem Weltbild-Tarif und ließ ihn mir anzeigen, ohne mich einzuloggen - zu diesem Zeitpunkt wusste das System also nicht, dass ich schon Kunde war. Aber als ich dann wieder auf die günstigeren, neuen Tarife zurückspringen wollte ... gab es sie nicht mehr!
  Offenbar reicht es schon, wenn man sich einmal einen teuren Tarif angesehen hat, um die günstigeren Angebote gar nicht mehr angezeigt zu kriegen. Das fand ich dann schon ziemlich starken Tobak. Erst nachdem ich alle Cookies und Verlaufsdaten gelöscht hatte, bekam ich auch wieder die neuen Tarife zu sehen und konnte mich dann auch für einen dieser Tarife anmelden, der mir für einen Euro mehr 30% mehr Filme bietet.


Ende gut, alles gut, könnte man meinen. Nur frage ich mich seither, wie viele andere Anbieter sonst noch die Besucher auf diese Weise "gängeln" und ihnen in Abhängigkeit von früheren Besuchen selektierte Informationen zur Auswahl stellen. Und wenn nicht ein paar Zufälle zusammenkommen, merkt man es ja gar nicht.
  Jedenfalls habe ich nun eine praktische Erfahrung, die ich all jenen naiven Geistern vorhalten kann, die Datenschutz nicht ernst nehmen und gerne sagen: "Aber ich habe doch nichts zu verbergen." Denn Tatsache ist: Man kann sich gar nicht vorstellen, wie schon die harmlosesten Daten gegen einen verwendet werden können.
  Ich jedenfalls hätte mir so etwas bisher nicht vorgestellt.

Sonntag, 25. März 2007

Gorilla Marketing

Letzten Dienstag bekam ich vormittags einen Anruf von Weltbild. Ob ich auch zufrieden sei mit ihrer Firma, wollte der Anrufer wissen. Ob ich der Ansicht wäre, es müsse etwas verbessert werden. Ich wüsste nichts dergleichen, antwortete ich und wartete auf das unvermeidliche Produktangebot.
  Doch es gab keine Werbung. Der Anrufer bedankte sich und legte auf. Überraschenderweise hatte er tatsächlich nur nach der Kundenzufriedenheit fragen wollen.
  Nun, hätte er nur drei Stunden später angerufen, hätte ich ihm dazu etwas ganz anderes erzählen können.


Denn am Nachmittag traf bei uns eine Lieferung von Weltbild ein, für meine Freundin: der erste Band einer Sammelreihe zur Zeitgeschichte, und zwar ganz speziell zum Anschlag auf das World-Trade-Center. Nun konnte ich mich noch sehr gut an den Werbeanruf von Weltbild erinnern, den meine Freundin einige Wochen zuvor erhalten hatte und in dem ihr eben diese Sammelreihe angeboten worden war.
  Und ihre Antwort war nein gewesen – kein Interesse.
  Wir hatten sogar noch darüber gelästert, dass hier ja nun wirklich das langweiligste Thema überhaupt verkauft werden sollte, und dass so ziemlich jede andere historische Reihe mehr Interesse gefunden hätte. Zeitgeschichte ist nun mal nicht unser Ding – weder meines noch das meiner Freundin. Und auch der Verkäuferin am Telefon war das so mitgeteilt worden. Ich frage mich also, was an diesem auch noch wohlbegründeten Nein so schwer zu verstehen gewesen sein mag?
  Jedenfalls war meine Freundin reichlich angesäuert, und ich ebenso. Und dementsprechend ungehalten fiel dann auch die Mail aus, die wir an den Weltbild-Sammelbandservice schickten. Immerhin liest man in letzter Zeit immer häufiger von rüdem Telefon-Marketing, wo mit Brachialgewalt ein Vertragsabschluss herbeikonstruiert wird. Auf diesem Gebiet ist meine Toleranz auch für einfache Fehler also so ziemlich bei 0 angekommen.


Nun, es war wohl ein einfacher Fehler, und keine Methode – denn Weltbild antwortete zwei Tage später und räumte das Versehen ein. Außerdem boten sie an, meine Freundin künftig aus der Telefonmarketing-Liste zu streichen – was wohl sinnvoll ist, da weder sie noch ich jemals etwas bestellen, ohne ein schriftliches Angebot vorliegen zu haben.
  Man könnte also meinen, es war nur ein entschuldbares Versehen. Kann ja mal vorkommen. Aber auch jetzt noch, mit weiteren zwei Tagen Abstand, stelle ich fest: Der Ärger und der schlechte Eindruck ist trotzdem da und kann auch durch eine Entschuldigung nicht einfach ungeschehen gemacht werden.
  Wenn der nette Herr von Weltbild das nächste Mal hier anruft, werde ich mich trotzdem beklagen. Und fordern, ebenfalls von dieser Liste gestrichen zu werden – obwohl ich streng genommen ja gar nicht betroffen war, sondern nur diese schlechte Erfahrung einer anderen Kundin mitbekommen habe.
  Man kann also feststellen: Der schlechte Eindruck eines solchen Fehlers zieht Kreise. Und bei einem flüchtigen Medium wie dem Telefon sind solche Fehler vorprogrammiert – seien es nun Missverständnisse, ein falscher Mausklick auf Seiten des Verkäufers oder auch ein „versuchen wir's mal“ durch einen Provisionsempfänger.
  Und mein Fazit aus dem Ganzen ist also eine Frage: Warum lässt sich ein an sich seriöses Unternehmen, das sein Geld eigentlich auch auf normale Weise verdient, überhaupt auf so eine Marketingstrategie ein, die eigentlich nur den Ärger des Kunden provoziert? Warum riskiert ein Unternehmen die Zusammenarbeit mit Telefondrückern, obwohl eigentlich klar ist, dass jede negative Erfahrung von Kunden letztlich auch auf das Gesamtunternehmen zurückfällt?

Freitag, 16. März 2007

Kindermissbrauch

Deutschland hat zu wenig Kinder. So liest man es in allen Zeitungen, hört es in allen Magazinbeiträgen und kann sich dieser Behauptung schon gar nicht mehr entziehen. Fast könnte man es für die Wahrheit halten: Die Renten sind in Gefahr und müssen gekürzt werden, weil immer weniger Junge für immer mehr Alte aufkommen müssen, und das geht doch nicht!
  Geht nicht? Natürlich ginge es, wenn diese wenigen Jungen entsprechend mehr produzieren. Wenn also die arbeitende Bevölkerung das doppelte erwirtschaftet wie früher, könnte sie mit den gleichen Rentenbeiträgen auch die doppelte Menge Rentner versorgen. Und zwar ohne dass man den Rentnern Kürzungen zumuten müsste, oder mehr Eigenverantwortung fordern.
  Wenn man nun nicht mehr nur der Propaganda und den Milchmädchenrechnungen folgt, sondern die nackten Zahlen vergleicht, stellt man fest, dass das Bruttosozialprodukt der deutschen Wirtschaft seit den 60ern sogar inflationsbereinigt stärker gestiegen ist als der Anteil der Rentner an der Gesamtbevölkerung. Würde Deutschland also heute noch denselben Anteil an allen erwirtschafteten Gütern den Rentnern zukommen lassen, dann wäre die Rente auch heute noch ebenso sicher wie in den 60ern.
  Und im Augenblick gibt es keine seriöse Rechnung, die für die Zukunft etwas anderes prognostiziert: Denn niemand kann sagen, wie die Produktivität sich in den nächsten 30 Jahren entwickelt – es spricht aber einiges dafür, dass selbst bei einer aussterbenden und überalternden Bevölkerung dank fortschreitender Technisierung weniger Arbeitskräfte mehr produzieren können als heute. Und folglich auch mehr Güter zur Verfügung stehen, die dann bei gleichem Verteilungsschlüssel auch mehr Rentner versorgen können.


Warum funktioniert das System also nicht mehr? Warum müssen schon heute die Rentenbeiträge immer weiter erhöht werden, und gleichzeitig die Rentenleistungen immer weiter gesenkt, wenn doch angeblich genug da ist, um bei gleichen Anteilen sogar mehr auszuzahlen?
  Die Antwort darauf ist ganz einfach: Die Renten werden eben nicht als Anteil an der gesamten deutschen Wirtschaftsleistung ausgezahlt, sondern nur als Anteil am Einkommen einer kleinen Gruppe der Deutschen. Und diese Bevölkerungsgruppe – nennen wir sie mal „Arbeitnehmer“ - erhält einen immer geringeren Anteil an dem Ertrag, der in Deutschland erwirtschaftet wird.
  Diese Arbeitnehmer erzeugen also immer mehr, kriegen davon aber immer weniger ab – und müssen von diesem wenigen auch noch immer mehr Rentner bezahlen.


Deutschland hat also kein demographisches Problem. Das Rentenproblem beruht in Wahrheit nicht auf zu wenig Kindern und zu vielen Alten, sondern auf demselben Verteilungsproblem, dass auch die anderen Zweige der Sozialversicherung heimsucht. Das hat sicher auch mit der zunehmend ungleichen Verteilung der Einkommen in der Gesellschaft zu tun – aber ganz akut und im Vordergrund ist es auch ein Arbeitslosenproblem.
  Denn ein Arbeitsloser bezahlt gar nichts in die Sozialversicherungen ein, bzw. nur noch einen Anteil, der den Verteilungsschlüssel extrem nach unten zieht. „Mehr Kinder“ würden das Rentenproblem also nicht lösen – sondern nur dann, wenn sie auch „mehr Rentenbeiträge“ einzahlen. Da aber nicht einmal die vorhandenen Erwerbstätigen derzeit alle in versicherungspflichtigen Jobs untergebracht werden können, würden zusätzliche Arbeitskräfte, wie sie durch „mehr Kinder“ entstünden, kein zusätzliches Geld in die Rentenversicherung bringen, sondern nur die anderen Sozialkosten zusätzlich ansteigen lassen. Also braucht Deutschland zunächst einmal „mehr Jobs“, und nicht „mehr Kinder“.
  Mehr Kinder würden das Problem sogar verschärfen und die Rente nicht sicherer machen, sondern das System endgültig zum Kippen bringen. Um die Rente sicherer zu machen, bräuchte man zunächst einmal mehr Arbeitsstellen, die zur Rentenversicherung beitragen – und am besten eine völlig neue Struktur der Sozialversicherung, der die dort entstehenden gesellschaftlichen Kosten nicht länger nur auf einen kleinen Teil der Bevölkerung umlegt, sondern gerecht auf das gesamte, von der Bevölkerung erzielte Einkommen.
  Und genau deshalb wird auch von interessierten Kreisen gerne abgelenkt und über „mehr Kinder“ geredet – weil Kinder sympathisch wirken und sich so ein mehr an Ausbeutung politisch vermittelbar kommunizieren lässt. Außerdem glaubt jeder gerne die simple Rechnung, dass ja die Jungen für die Alten sorgen und dass es deshalb logisch klingt, wenn bei weniger Jungen auch weniger für die Alten da ist. Wer wagt da schon die Frage, welchen alten Rentner der jugendliche Arbeitslose ohne Ausbildung wohl versorgt, wenn er jetzt schon nur noch in staatlich finanzierten Beschäftigungsprogrammen unterkommt?
  So schlägt die Diskussion um „mehr Kinder“ aus Sicht der Gewinner der derzeitigen Verteilung des gesellschaftlichen Ertrags gleich zwei Fliegen mit einer Klappe: Zum einen verhindert diese Sichtweise eine Diskussion um eine Neuordnung des Systems, indem sie den Blick auf die wahren Zusammenhänge verschleiert. Und zum anderen kann man ganz nebenbei daran arbeiten, als Ausgleich für den „Kindermangel“ die Arbeitslosen von morgen zu sichern, durch avisierte Geburtensteigerung oder Einwanderung. Damit die Lohnkosten niedrig bleiben können und der Verteilungsschlüssel noch weiter zu Lasten der arbeitenden Bevölkerung verschoben werden kann.

Freitag, 9. März 2007

Hier gebe ich meine Bewertung ab

Neulich bekam ich eine Aufforderung von Booklooker: „Bitte geben Sie Ihre Bewertung ab!“
  Nun, zu meiner letzten Transaktion hatte ich tatsächlich einiges zu sagen. Und das tat ich auch:


„Was der Kerl beim Kauf meines Buches abgezogen hat, lässt sich mit Worten kaum beschreiben. Zumindest nicht mit Worten, die ein anständiger Mensch in der Öffentlichkeit gebrauchen sollte. Ein Stern ist eigentlich noch viel zu gut für diesen Betrüger.
  Ohne Skrupel ist er auf mein günstiges Angebot eingegangen, obwohl der niedrige Preis ihn moralisch verpflichtet hätte, zumindest das Doppelte zu zahlen. Aber nach Moral sucht man bei diesem Burschen wohl vergebens. Geradezu unverschämt war es, wie schnell er mir seine Adresse zugeschickt hat. Anscheinend konnte er es kaum erwarten, das abgezockte Gut in seine gierigen Finger zu bekommen.
  Auch das Geld war im Nu überwiesen – Beweis genug dafür, dass er sich der Verworfenheit seines Tuns sehr wohl bewusst war: Schuldbewusstsein trieb ihn an, das Geschäft in aller Eile durchzuziehen, ehe ihm womöglich noch jemand Einhalt geböte.
  Und dann, nachdem er mich ausgenommen hat wie eine Weihnachtsgans, übergoss mich der Kretin auch noch mit Hohn und Spott, indem er mich mit einer Vier-Sterne-Wertung und einem geheuchelten Lob für Ware und rasche Lieferung bedachte. Ich kann mir eigentlich gar nicht vorstellen, dass ein so minderwertiger Mensch etwas so Edles wie ein Buch erwerben wollte – pure Bosheit und Schnäppchenjägerei, nicht die erhabene Leselust kann die Triebfeder seines Tuns gewesen sein.
  Das Verhalten des Käufers grenzte jedenfalls an Diebstahl, und eine Kreatur, die so bereitwillig Gutmütigkeit und Menschenfreundlichkeit seiner Geschäftspartner ausnutzt – die in dem unanständig günstigen Preis zum Ausdruck kam – sollte eigentlich von weiteren Transaktionen auf dieser Plattform ausgeschlossen werden.“


Diese sorgfältige Bewertung stellte ich also für Booklooker zusammen, damit anderen Kunden meine schlechte Erfahrung mit diesem Käufersubjekt erspart bleiben. Doch was bekam ich zu hören (oder besser, zu lesen), nachdem ich meine nüchterne und differenzierte Analyse zum Kaufverhalten meines Geschäfts'partners' absenden wollte?
  „Bewertung zu lang.“
  Was wollen die eigentlich? Soll man seine Erfahrungen nun mit anderen Nutzern teilen oder nicht? Nun, sei's drum. Dann landet meine Warnung vor diesem Negativbeispiel eines Online-Kunden eben hier im Blog.

Samstag, 3. März 2007

Eine Reise zum Schicksalsberg

Ich hasse es wirklich, wenn ich in der Zeitung Berichte über eine öffentliche Veranstaltung lesen muss, die vorher in derselben Zeitung nicht angekündigt war. Denn wenn mich die Veranstaltung interessiert, hätte ich sie ja vielleicht gerne besucht – wäre sie nur rechtzeitig angekündigt worden. Dann ist der nachträgliche Bericht ja ja schon eine Verhöhnung des Lesers: Ätsch, verpasst!
  Und wenn sie mich nicht interessiert hätte, brauche ich den Bericht erst recht nicht.


Nun, sei's drum: Grund genug, jetzt genau dasselbe hassenswerte Verhalten an den Tag zu legen und kurz zu erwähnen, dass ich gestern Abend eine Lesung aus meinem letzten Roman gehalten habe, und zwar im Kölner Rollenspielladen „Schicksalsberg“. Zum Glück nicht allein, sondern mit den Kolleginnen Linda Budinger und Andrea Tillmanns – für jemanden, der so fotoscheu ist wie ich, sind weitere Teilnehmer bei solchen Veranstaltungen als Deckung während der unvermeidlichen Fotos zum Abschluss unverzichtbar.
  Pünktlich zu diesem Anlass stellte sich Anfang der Woche eine fette Halsentzündung ein, aber gestern lief dann alles doch sehr gut: Meine Stimme war okay, die Stimmung insgesamt noch besser. Ein wenig mehr Publikum hätte der Raum schon noch verkraften können, aber vielleicht wird das ja noch.
  Denn die Fantasy-Lesungen im Schicksalsberg sollen eine regelmäßige, monatliche Einrichtung werden. Dann mit anderen Autoren, natürlich. Aber hoffentlich unter reger Beteiligung der Kölner Fantasy-Leser.

Donnerstag, 1. März 2007

Aufgeholt und abgeklemmt ...

Der ein oder andere hat es vielleicht bemerkt: In den letzten Wochen stimmte das „offizielle“ Datum meiner Blogeinträge nicht unbedingt mit den realen Daten überein, zu denen ich sie aufgespielt habe. Das lag daran, dass ich Ende letzten Jahres in Verzug geraten bin, und das nach und nach aufgeholt habe.
  Das ist nun geschafft, und das Blog ist wieder „up to date“.


Das nächste Ungemach ist allerdings schon absehbar: Mein bisheriger Bloganbieter „Parsimony“ stellt seinen entsprechenden Service am 6.3. ein. In einer Woche also schon – o mein Gott! Für Ersatz ist allerdings bereits gesorgt. Ich habe mir einen Account bei „Blogger.com“ eingerichtet und werde innerhalb der nächsten Woche dorthin umziehen.
  Wer bisher über www.lohmannsland.de mein Blog aufgesucht hat, sollte gar keinen Unterschied bemerken. Abgesehen vom Design jedenfalls, was aber schon ein hinreichend großer Unterschied ist. Wie's aussehen wird, kann man sich jetzt schon unter www.lohmannsland.de/neublogtest anschauen. Es kann sein, dass am Anfang die Archive etwas leer sein werden. Ich trage zwar ab nächste Woche neue Einträge im neuen Blog ein, aber ich weiß nicht, wann ich dazu komme, die ganzen alten Beiträge zu übertragen. Vermutlich nur so nach und nach. Und bei den Kommentaren weiß ich gar nicht, ob ich sie retten kann.
  Ich hätte gerne beim neuen Blog auch eine Unterteilung in Sachrubriken gehabt – aber das ist anscheinend auch beim neuen Anbieter nicht so einfach :-(


Wer mein Blog bisher über Parsimony gelesen hat, der muss sich bzw. seine Links in Zukunft allerdings umstellen. Nämlich auf www.lohmannsland.de – wie oben genannt. Und das ist eigentlich alles.

Freitag, 23. Februar 2007

Peter Handke

Jetzt hat er ihn doch endlich gekriegt, den Heinrich-Heine-Preis. Allerdings nicht in Düsseldorf, sondern den der Stadt Berlin. Womit mal wieder deutlich belegt ist, wo die Provinz ist und wo die Metropole – denn das erkennt man nicht zuletzt auch an der Fähigkeit, selbst kontroverse Fragen souverän anzugehen, ohne eine Provinzposse draus zu machen.
  Nun ja: Düsseldorf war ja auch noch nie als kulturelles Zentrum bekannt. Und der Vorgang belegt recht eindrucksvoll, dass die alten Regeln auch in der Moderne nicht außer Kraft gesetzt sind. Denn es glauben ja viele, dass man mit genug Geld und gutem Willen alles aus dem Boden stampfen kann. Aber so dick man den Lack auch aufträgt: Substanz wächst nur mit Tradition. Und diese Tradition ist es letztlich, die hektische Aufgeregtheiten vermeidet.
  Und was man von Düsseldorf noch nicht erwarten kann.

Montag, 19. Februar 2007

Erziehung oder Betreuung

Derzeit eifrig diskutiert wird ja die Familienpolitik von Ursula von der Leyen. Nach erstem heftigen Gegenwind seitens der Konservativen wächst nun die Zustimmung – trotzdem lohnt es sich, die Vorschläge aus einer anderen Perspektive anzusehen. Denn es geht um eine Ausweitung der Betreuung, um Müttern trotz Kindern eine größere Beweglichkeit nicht zuletzt auch für die Vereinbarkeit von Kindern und Beruf zu verschaffen. Aber was bedeutet das in der Praxis?
  Was in der Theorie gut klingt und ein lobenswerter Ansatz ist, zeigt seine Probleme erst in der Umsetzung. Mit der Einführung der „offenen Ganztagsschule“ in Nordrheinwestfalen sollte nämlich genau ein Schritt in die jetzt von unserer Familienministerin angedeutete Richtung getan werden – und deshalb lässt sich hier auch abschätzen, wohin dieser Weg führt.
  Hier lässt sich nämlich beobachten, dass die Ausweitung der Betreuung zu Lasten der erzieherischen Qualität geht – weil nämlich für die zusätzlichen Betreuungsplätze nicht im gleichen Umfang zusätzliche Gelder zur Verfügung gestellt werden, sondern stattdessen teuere und höherwertige Erziehungsangebote reduziert oder ganz geschlossen werden, um dafür mehr billige Plätze anbieten können. Vor diesem Hintergrund sind also zwei Fragen zu beantworten: Ist es das, was sich Frau von der Leyen auch für ihre Initiative gedacht hat? Und, wenn ja, wo genau liegen die Nachteile?


Mir persönlich fallen zunächst einmal drei Gruppen ein, wenn ich an Erziehungs- oder Betreuungsangebote denke: Zunächst einmal überforderten Familien, die in letzter Zeit ebenfalls Schlagzeilen machen – nämlich mit spektakulären Fällen von Verwahrlosung. Mitunter geht das zu Lasten der Kinder, mitunter aber auch zu Lasten der Gesellschaft – wenn auf diese Weise jugendliche Intensivstraftäter herangezogen werden.
  Oft genug leiden Kinder und Gesellschaft gleichermaßen, wenn nämlich die Erziehungs- und Integrationsdefizite der Kinder aus diesen Familien so groß sind, dass nicht nur sie selbst bei Eintritt in die Schule schon aufs Abstellgreis geraten, sondern auch noch das Niveau um sich herum so weit nach unten ziehen, dass sie andere Kinder mit hinabziehen. Solche Defizite mögen vor unterschiedlichem Hintergrund vorkommen – trotzdem möchte ich mir mal erlauben, diese Fälle mit den derzeit ebenfalls diskutierten Schlagworten „Migrationshintergrund“ und „Unterschichtendebatte“ in Verbindung zu bringen.
  Als zweite „Familiengruppe“ würde ich dann erfolgsorientierte Familien mit zwei berufstätigen Partnern nennen, oder auch einem alleinerziehenden, aber karriereorientiertem Elternteil.
  Und eine dritte Gruppe wäre dann die „klassische“ Familie, wo ein Elternteil zu Hause bleibt und die Erziehung selbst leitet, und auch durchaus dazu in der Lage ist – aber womöglich unterfordert und bei besseren Betreuungsmöglichkeiten in Gruppe 2 „aufsteigen“ könnte.
  Vielleicht habe ich etwas übersehen und es gibt noch weitere „Familiengruppen“. Eines sollte allerdings klar sein: Diese unterschiedlichen Ausgangslagen lassen sich nicht über einen Kamm scheren, sondern sie erfordern grundsätzlich unterschiedliche Angebote. Für Kinder der „Gruppe 2“ mag eine einfache Betreuung ausreichen, weil die Eltern womöglich neben der Erziehung noch eingespannt sind, aber trotzdem in der Lage sind, den Kindern auch noch eigenständig etwas zu vermitteln – und sei es auch nur durch ihr aktives Vorbild und ihre Möglichkeit, selbst zusätzliche Förderungsmöglichkeiten zu organisieren.
  Für die Kinder der „Gruppe 1“ reicht Betreuung aber keinesfalls: Sie brauchen nicht nur Betreuung, sondern Erziehung und hochwertige Fördermaßnahmen. Bei einer breiteren Betreuungsbasis sollte sichergestellt sein, dass diese Maßnahmen dann nicht außen vor bleiben.
  „Gruppe 3“ mit dem „erziehenden Elternteil“ kann vielleicht von den Betreuungsmaßnahmen profitieren. Trotzdem sollten diejenigen Eltern nicht übersehen werden, die sich trotzdem noch selbst um ihre Kinder kümmern wollen und dazu auch in der Lage sind. Und diese Familien können am besten von Unterstützung profitieren – sei es in Form unmittelbarer finanzieller Zuwendungen, oder in Form subventionierter Kursangebote wie Musikschulen etc.


Es stellt sich also die Frage, wie Frau von der Leyen sich die Austarierung der unterschiedlichen Anforderungen dieser unterschiedlichen Arten von Familie gedacht hat. Hier in NRW wird derzeit viel über verbesserte Förderung der „Gruppe 1“ geredet – beispielsweise durch vorschulische Tests und ggf. „Kindergartenpflichtzeiten“. Tatsächlich aber sind zugunsten der offenen Ganztagsschule erst mal Mittel weggefallen, die bisher für andere pädagogische Konzepte zur Verfügung standen; und es wurden auch Angebote reduziert, die vorher die Eltern nutzen konnten, die sich selbst um die Erziehung ihrer Kinder kümmern wollen.
  Frau von der Leyen zählt selbst zur „zweiten Gruppe“, kann förmlich als Musterbeispiel für diesen Typus herhalten. Es kommt mir daher zunächst mal sonderbar vor, dass von ihren Vorschlägen, soweit ich sehen kann, gerade auch diese „Gruppe 2“ am ehesten profitiert – und dass sich aus meinen bisherigen Erfahrungen der Eindruck ergibt, dass die anderen Gruppen die Kosten dafür zu tragen haben werden.
  Es würde Deutschland sicher nicht schaden, mehr Mittel in die Erziehungs- und Bildungspolitik zu lenken. Wenn die diskutierten Vorschläge von Ursula von der Leyen allerdings ausschließlich oder auch nur zu einem Großteil durch bloße Umschichtungen innerhalb des Ressorts finanziert werden sollen, sähe das für mich nach einem erstklassigem Fall von Klientelpolitik aus: den andern wird's genommen, um es der eigenen Gruppe zu geben. Das jedenfalls kann keine sinnvolle Politik sein, selbst wenn die geförderte Gruppe tatsächlich einen förderungswürdigen Lebensstil vertritt – und damit greift die derzeitige Diskussion, die sich nur darauf beschränkt, zu kurz.
  Ich denke also, dass unsere Familienministerin zumindest mehr Distanz von der eigenen Person an den Tag legen und deutlich machen sollte, wie sie die Ausgewogenheit der unterschiedlichen Familienfördermaßnahmen zu sichern gedenkt. Bis jetzt jedenfalls hatte ich eher den Eindruck, dass hier nach dem Motto verfahren wird: An meinem Wesen soll die Welt genesen.

Montag, 12. Februar 2007

Heute in der Zeitung ...

... fand ich die Werbung einer bekannten Billigfluglinie mit folgendem Werbespruch: „Viele tolle Destinationen verfügbar!“


Muss das wirklich sein?


Klar, Werbetexter finden immer gute Gründe für ihr Denglisch: Klingt moderner, weltoffener, einfach klangvoller, heischt nach Aufmerksamkeit ...
  Aber man möge sich dieses Wort mal auf der Zunge zergehen lassen: „Destinationen“
  Klingt, wie frisch aus der Amtsstube importiert. Schwerfällig. Leblos. So bodenständig und bleiern, dass man sich schon fragt, wie ein Flugzeug abheben kann, das mit diesem Begriff beworben wird.
  Sicher, vermutlich würde den Werbetextern auch was einfallen, um diese Wortwahl zu verkaufen. Ist schließlich ihr Job. Aber wer den Begriff auf sich wirken lässt, merkt sofort, dass da jede Begründung nur hohles Vertretergelaber und lachhafte Rechtfertigung ist.


Dieser Werbespruch ist der eindeutige Beweis: Das „Denglisch“ der Werbewelt ist kein wohlüberlegter Spracheinsatz, auf Klang und Wirkung hin optimiert. Es ist nur Ausdruck der Hilflosigkeit von Textern, die schlicht kein Deutsch können und beim verzweifelten Ringen um den richtigen Ausdruck einfach aufgeben und irgendwas hinschreiben.
  Also, meine kostenlose Sprachberatung an die Texter dieser Anzeige: Das Wort, nach dem ihr drei Nächte vergebens gesucht habt, bevor ihr schließlich kapitulieren musstet, lautet „Ziele“.

Mittwoch, 7. Februar 2007

Der Fehler des Autoren ist der Genitiv

Ich könnte immer wieder schreien, wenn ich irgendwo von "dem Autoren" lese. Und das lese ich leider immer häufiger. Also, hier sei's gesagt: "Autoren" ist Plural, und sonst nix!
Lustigerweise sind es meist Autoren, die nicht wissen, wie man ihren Beruf richtig schreibt – und das ist irgendwie traurig. Wenn ich so was in einem Manuskript lese, würde ich dem betreffenden "Autoren" immer gerne sagen, er soll erst mal zur Schule gehen und schreiben lernen, bevor er auf diesem Gebiet arbeiten will.
  Interessant auch, wie unbelehrbar manche an ihrem Fehler festhalten: Da wird ein eindeutiger grammatischer Sachverhalt gerne zur "umstrittenen Frage" erklärt, oder es wird gar auf die "Neue Rechtschreibung" verwiesen. Selbst der Hinweis auf den Duden hilft nicht immer weiter: "Aber im Duden steht doch: 'Autor, der; -s, ...oren' Und das heißt doch wohl, dass man 'Autors' oder 'Autoren' schreiben kann?" So was kriegt man dann zu hören. Und fühlt sich doppelt peinlich berührt, weil diese Autoren nicht nur ihre Berufsbezeichnung nicht richtig schreiben, sondern nicht mal den Duden benutzen können.
  Also: Im Duden stehen immer zwei Formen, zuerst der Genitiv (in dem Falle also "des Autors", und auch nicht "des Autoren", wie man mitunter ebenfalls liest) und dann der Plural ("die Autoren"). Und über den Dativ (denn das ist "dem Autor") sagen beide aufgeführte Formen nichts aus – allerdings kann man aus den aufgeführten Formen ableiten, ob ein Substantiv stark oder schwach dekliniert, und daraus wiederum lässt sich der Dativ eindeutig bestimmen.

Lustigerweise scheint sich gerade diese Schreibschwäche so weit verbreitet zu haben, dass die Duden-Redaktion inzwischen sogar den Akkusativ und den Dativ von "Autor" explizit aufgeführt hat, obwohl sich das eindeutig aus der Genitiv- und der Pluralform ableiten lässt ("dem/den Autor" kann jeder dort lesen, der den Eintrag bis zum Ende verfolgt). Was das wohl über die Sprachkenntnisse speziell dieser Berufsgruppe aussagt?
  Ich finde es jedenfalls paradox, dass gerade ein solcher Begriff, der ja eigentlich nur von einer schreibenden Sprachprofi-Zunft verwendet wird, eine Erklärung "für Dummies" im Duden hinzugefügt bekommen hat.

Mittwoch, 31. Januar 2007

Die Engländer machen mal wieder Terror

Dieser Tage konnte man in der Zeitung erneut von einem Anschlag lesen, den die englische Polizei verhindert hat. Nun, vielleicht war es wirklich so.
  Als Erstes musste ich bei diesen Schlagzeilen allerdings an die "Flugzeugattentate mit Flüssigsprengstoff" denken, die zuletzt von den englischen Sicherheitsbehörden vereitelt wurden. Schon kurz darauf meldeten sich Chemiker zu Wort, die die angeblichen Attentatspläne als schwachsinnig entlarvten – oder allenfalls als das Werk von Schwachsinnigen.
  Denn es reicht offenbar nicht, zwei harmlose Flüssigkeiten in ein Flugzeug zu bringen, um eine Bombe zu haben. Allein der Transport der benötigten Substanzen ist so aufwendig, dass er wenig Aussicht auf Erfolg verspricht und kaum ein Sicherheitsbeamter die nötigen Laborcontainer mit Getränke- oder Duschgelflaschen verwechseln könnte. Und das »Zusammenkippen« im Flugzeug erfordert sodann die Einrichtung eines Labors in der Bordtoilette, die auch kaum unbemerkt bleiben dürfte.
  Entweder also waren die damals festgenommenen »Terroristen« ziemlich naiv – oder die Öffentlichkeit, die sich von den Sicherheitsbehörden eine solche Räuberpistole auftischen ließ. Und da sämtliche unter großem Presserummel verhafteten "Verdächtigen" später sang- und klanglos wieder auf freien Fuß gesetzt wurden, war wohl eher Letzteres der Fall. Denn wenn tatsächlich jemand versucht hätte, Sprengstoff in ein Flugzeug zu schmuggeln, hätte das allein wohl für eine Anklage ausreichen sollen.


Was also geblieben ist, sind die neuen, EU-weit verschärften Sicherheitsbestimmungen für Flugreisen: Schikanen für Flugreisende, die allein auf Panikmache ohne Substanz beruhen, Reaktion auf eine im Nachhinein widerlegte Geschichte, deren schlimmste Folge eben jene Flugverkehrsbehinderungen sind. Nun ja, der technische Fortschritt bleibt nicht stehen. Vielleicht wird irgendwann ja auch mal die Bedrohung entwickelt, die zu den Sicherheitsmaßnahmen passt ...
  Es gibt ja den Spruch, wenn man wissen will, wer für etwas verantwortlich ist, soll man darauf schauen, wer davon profitiert. Das sind in dem Fall eindeutig die Fluggesellschaften und die Händler am Flughafen, die nun ihre teuren Getränke besser verkaufen können. Allerdings ist das eine zweischneidige Angelegenheit, denn wenn der Flugverkehr umständlicher wird, stellt das zugleich auch ein Risiko für die Geschäftsteilnehmer da. Und es ist schon sehr unwahrscheinlich, dass Geschäftsleute, die vom Flugverkehr leben, die Angst vor eben diesem anheizen. Genauso unglaubwürdig mutet es auch an, dass staatliche Sicherheitsbehörden solche Panik schüren, nur um ein paar zusätzliche Shopeinnahmen am Airport zu ermöglichen.
  Da ist ein wenig Panikmache aus Eigennutz schon wahrscheinlicher. Denn bedenklich finde ich es schon, dass diejenigen, die umso mehr Geld bekommen, je mehr Terrorismus zu bekämpfen sind, auch diejenigen sind, die feststellen dürfen, wie viel Terrorismus nun wirklich vorhanden ist. Und nachzuvollziehen ist es auch – die Sicherheitsbehörden in England stehen unter dem Druck einer potenziell realen Bedrohung und müssen etwas vorweisen können; und die Regierung steht unter dem Druck, einen Krieg zu rechtfertigen oder davon abzulenken. Und wenn man dann glaubt, den Zipfel von etwas zu fassen bekommen zu haben, steigert man sich schon mal gerne so richtig rein.


Nur, eines ist sicher: Auch wenn es diesmal so aussieht, als würden die Fahndungsergebnisse für eine Anklageerhebung ausreichen, glaube ich vorläufig nichts mehr von dem Info-Terror, der aus England herüberschwappt. Meinem Empfinden nach sind das Ergebnisse, die am Rande der Hysterie erarbeitet wurden – und die ich gerne erst von dritter Seite bestätigt haben möchte. Beispielsweise durch ein Gerichtsurteil.
  Und ich hoffe auch, dass die Politik sich in Zukunft nicht so leicht von dieser Hysterie anstecken lässt und uns vor weiteren Schnellschüssen verschont, an deren Treffern der normale Bürger auch dann noch zu laborieren hat, wenn die Feuerleitstelle längst schon gemeldet hat: »Sorry, da war doch nichts.

Dienstag, 23. Januar 2007

Aua!

Es gibt Dinge, die sind, wenn man sie erlebt, lustiger als man sie erzählen kann. Situationskomik eben. Das Folgende gehört vermutlich dazu – trotzdem will ich mich mal daran versuchen.
  Da begab es sich nämlich beim letzten Karatetraining, dass der Trainer etwas für die »Abhärtung der Hände« tun wollte. Wir sollten uns etwa einen Schritt vor die Wand stellen und dann nach vorne fallen lassen – und zwar so, dass wir uns mit den Fäusten an der Holzwand wieder abfangen. Dabei kann man gleich die Haltung im Handgelenk trainieren und den richtigen »Auftreffpunkt«, nämlich im Bereich der Knöchel an Zeige- und Mittelfinger.
  Wir fingen also an, und es war ein leises »Pock« zu hören.
  Damit war der Trainer wohl nicht zufrieden, denn es klang schon sehr zaghaft. Wenn man richtig die Fäuste gegen die Holzwand knallen lässt, kann man schon etwas mehr erwarten.
  »Ich will was hören!«, rief er also.
  Man hörte beim nächsten Durchgang ein etwas lauteres »Pock« - und ein sehr lautes »Aua« von links.
  Der Trainer blickte sich irritiert um: »Das war es eigentlich nicht, was ich hören wollte.«
  Aber irgendwie war das »Aua« doch eine sehr passende Antwort auf die vorherige Aufforderung ;-)

Mittwoch, 17. Januar 2007

Der Spinnenführerschein

Den Führerschein fürs Auto gibt's schon länger, den Mofa-Führerschein noch nicht ganz so lange; der Computerführerschein wird jedem empfohlen, und über den Führerschein für Hundebesitzer wird schon eine Weile diskutiert. Zuletzt wurde sogar erwogen, dass alle Eltern erst mal den Kinder-Führerschein machen müssen, bevor sie ihr eigenes Kind erziehen dürfen.
  Also, ich finde diesen Trend gut. Und ich finde, es gibt noch viel zu viele Dinge, an die sich die Leute derzeit noch ungeschickt und unausgebildet heranwagen dürfen – ich fordere daher: Mehr Führerscheinpflichten für Deutschland!
  Und zuallererst denke ich dabei an den „Spinnenführerschein“.


Allzu oft musste ich in der Vergangenheit erleben, wie viele Menschen Spinnen in ihrer Wohnung haben, und trotzdem durch fehlende Sachkenntnis und schlechte Behandlung großen Schaden anrichten. Zu Dutzenden landen Spinnen im Staubsauger, werden zertreten, den Abfluss hinuntergespült oder sonstwie wenig artgerecht behandelt. Der Spinnenführerschein könnte Abhilfe schaffen, indem nämlich jeder, der Spinnen in seiner Wohnung hat, auch einen Nachweis seiner Sachkunde erbringen muss.
  Und dieser neue Führerschein hätte nicht nur den Effekt, die Mitbürger noch mehr zu gängeln und zu schikanieren ... pardon, wollte sagen: Die Lage der Spinnen in Privathaushalten entscheidend zu verbessern und die Menschen zum verantwortungsvollen, sachgerechten Umgang mit der Mitkreatur anzuhalten. Nein, ich verspreche mir davon auch entscheidende Einnahmen für die darbende Staatskasse! Zunächst einmal wären da natürlich die Gebühren für die Erstellung dieses amtlichen Formulars. Aber wenn man dann eine „Spinnenstreife“ ausschickt, käme sicher noch ein erkleckliches Sümmchen an Bußgeldern zusammen. Ich stelle mir den Besuch des Kontrolleurs dann in etwa so vor:


„Guten Tag her Müller. Sie wissen ja, dass man nach dem neuen Gesetz §§x y/z§§ nur Spinnen in seiner Wohnung halten darf, wenn man im Besitz des gültigen Zertifikats zum Nachweis der Sachkunde im Umgang mit arachniden Mitbewohnern, vulgo 'Spinnenführerschein', ist. Haben Sie ... wie, sie haben keinen Spinnenführerschein? Und sie halten auch keine Spinnen in ihrer Wohnung? Wenn ich das bitte überprüfen dürfte ...
  Kroskroskrams...
  Ah, was haben wir denn da! Eine Hauswinkelspinne – und das hinter ihrem Schrank! Ich stelle also fest, dass sie ohne gültigen Führerschein eine Spinne in ihrer Wohnung halten. Weil sie diese Spinne hinter ihrem Schrank versteckt haben, muss ich kriminelle Energie und böse Absicht unterstellen. Das verdoppelt natürlich das Bußgeld. Hinzu kommt eine einjährige Sperrfrist für den Spinnenführerschein, und dass sie nicht auf die Idee kommen, in dieser Zeit wieder eine Spinne zu halten! Ich komme nachprüfen!“


Man sieht, der Spinnenführerschein ist gut für die Spinnen und eröffnet ein schier unerschöpfliches Labsal für den Staatshaushalt. Warum wurde er noch nicht eingeführt?

Mittwoch, 10. Januar 2007

Macht mal langsam schneller

Den heutigen Eintrag möchte ich einem Urteil des BGH widmen. Der hat nämlich jetzt entschieden, dass Kommunen entschädigungspflichtig sind, wenn eine Grundbucheintragung zu lange dauert. Ein bemerkenswertes Urteil – bemerkenswert vor allem dann, wenn man auf die Daten blickt: Der Fall war von 1998, die Gerichtsentscheidung 2007. Da musste ich dann ein wenig schmunzeln. Was passiert nun, wenn die Betroffenen auch für die 9 Jahre Rechtsweg noch eine Entschädigung verlangen?
  Im Grunde ist diese Entscheidung also eine Skurrilität in sich, und man fragt sich, ob sie das Problem langsam arbeitender Behörden lösen soll, oder nicht doch eher nur illustrieren.

Freitag, 5. Januar 2007

Bewerberüberhang

Viele Firmen sehen ihr Heil in einem möglichst großen Bewerberüberhang: Die angespannte Lage auf dem Arbeitsmarkt macht es möglich, Löhne zu drücken und verschafft zudem eine große Auswahl an Bewerbern, unter denen man den besten aussuchen kann.
  Außerdem glauben die meisten Unternehmen, dass eine große Mobilität der Arbeitskräfte nützlich für sie ist. Denn wenn Arbeitnehmer sich nicht nur vor Ort bewerben, sondern überall im Bundesgebiet, wo gerade eine Stelle angeboten wird, dann können die Firmen sich für jede Stelle den besten Bewerber aus ganz Deutschland aussuchen.
  So stellt sich also die Unternehmerseite oft genug den optimalen Arbeitsmarkt vor.
  Aber ist das wirklich so?


Einfache Mathematik macht deutlich, dass ein allzu großer Bewerberüberhang zwangsläufig gerade die Sekundärtugenden ausselektiert, auf die Unternehmen so viel Wert legen. Denn wenn 100 Bewerber auf eine Stelle kommen, bedeutet dies automatisch und zwangsläufig auch, dass ein Bewerber 100 Bewerbungen und mehr schreiben muss, ehe er wieder einen Job hat.
  Bei diesem Umfang ist es unmöglich, dass der Bewerber sich wirklich noch gründlich über das Unternehmen informiert oder irgendeine persönliche Beziehung zu dem Unternehmen hat, bei dem er sich bewirbt. Aber genau das muss er in seinen Bewerbungen zeigen. Und so wird systematisch die Bewerberlüge in das System gezüchtet.
  Wenn nun aber die Unehrlichkeit in Bewerbungen systemimmanent gefördert  wird, führt das im zweiten Schritt dazu, dass eine überzeugend wirkende Unehrlichkeit zunehmend zum positiven, wenn auch unerwünschten Selektionskriterium für Arbeitnehmer wird – und somit erhalten die besten Blender zunehmend die besten Chancen. Stellenrelevante Qualitäten werden dadurch vernebelt, und die angebliche Auswahl wird für Unternehmen zur Farce.


Nun wird auch noch von einer anderen Seite her der Druck auf potenzielle Arbeitnehmer verstärkt: Die Umgestaltung des sozialen Systems soll zunehmend auch Arbeitsunwillige dazu zwingen, sich um eine Arbeitsstelle zu bemühen – und diese Bemühungen sollen auch noch auf eine Weise vonstatten gehen, die ernsthaft wirkt. Was in der Praxis bedeutet: Wer tatsächlich arbeitsunwillig ist, muss das in seinen Bewerbungen nach Kräften verschleiern.
  Wenn man nun aber Tausende von Bewerbern dazu zwingt, sich auf eine Stelle zu bewerben, die sie gar nicht wollen, dann müssen die Personalchefs auch unter tausend Lügnern und Betrügern den geeigneten Kandidaten herausfinden. Die Firmen wählen zunehmend unter Bewerbern, die sich nur widerwillig bewerben und dazu gezwungen werden, diesen Widerwillen durch möglichst überzeugende Heuchelei zu vertuschen. Wahrscheinlich findet man eher eine gute Arbeitskraft, wenn man nur unter wenigen zu wählen hat, dafür aber nur unter den hochmotivierten und perfekt für die Stelle passenden Bewerbern.
  Fazit: Ein allzu großer Bewerberüberhang und behördlicher Druck auf Arbeitssuchende schadet der Wirtschaft letztendlich. Diese Faktoren erhöhen die nichtproduktiven Kosten der Unternehmen und steigern auch die Wahrscheinlichkeit, dass Stellen fehlbesetzt werden – was immer ein besonders kostspieliger Fehler ist.


Das stimmt natürlich nicht immer und in jeder Konstellation. Arbeitskräftemangel erzeugt Kosten für die Wirtschaft und Verluste durch nicht zu besetzende Stellen – und ein gewisser Bewerberüberhang hat tatsächlich kostendämpfende Wirkung und ist zudem absolut notwendig, um zeitliche und räumliche Ungleichgewichte statistisch ausgleichen zu können.
  Aber: Es gibt eine Grenze, ab der dieses für die Wirtschaft optimale Verhältnis kippt und unerwünschte Nebenwirkungen anfangen, von ganz unerwarteten Seiten her die positiven Effekte scheinbar günstiger Verhältnisse aufzuzehren. Auch hier bewahrheitet sich mal wieder der schon früher im Blog angebrachte Spruch: Wer zu gierig ist, geht am Ende leer aus.
  Nur, wenn die Wirtschaft am Ende nicht die richtigen Arbeitskräfte kriegt, leiden nicht die Unternehmen, sondern die Gesellschaft insgesamt.