Montag, 25. Dezember 2006

Ein gentechnisch erzeugtes Vakuum

Grüne Gentechnik ist ja heftig umstritten: Die Industrie preist die Vorzüge an und spielt die Risiken herunter, während die Ökos schon die furchtbarsten Krankheiten an die Wand malen, wenn man nur mal Milch von einer Kuh trinkt, die irgendwann mal einen Löffel Genmais abbekommen hat.
  Vor kurzem aber las ich einen Artikel zur grünen Gentechnik, der mich zum ersten Mal zum Nachdenken brachte: Darin nämlich pries ein Biologe es als Vorteil der Gentechnik an, dass man damit auch allergenfreie Lebensmittel für Nahrungsmittelallergiker züchten kann. Nun, ich bin gegen diverse Nahrungsmittel allergisch und habe mich schon seit zehn Jahren nicht mehr getraut, einen frischen Apfel anzurühren. Insofern trifft mich das Argument natürlich besonders. Aber was mich eigentlich stutzig gemacht hat: Ich habe dieses Argument in der x-jährigen Diskussion über grüne Gentechnik vorher noch nicht ein einziges Mal gehört!
  Und als ich so am Nachdenken war, fiel mir zum ersten Mal richtig auf, warum die Diskussion über Grüne Gentechnik so einseitig und wenig überzeugend abläuft, wie sie in den letzten Jahren abgelaufen ist: Denn genau genommen habe ich noch nie, in all den Jahren nicht ein einziges Mal einen Vorteil von Genfood gehört, den ich als Verbraucher daraus ziehen könnte. Von Hungersnöten in Afrika war die Rede (wo man sich die patentierten Genprodukte ohnehin nicht leisten kann), von Vorteilen für die Bauern beim Spritzen und bei der allgemeinen Schadstoffresistenz; davon, dass man Nahrungsmittel, die ich ohnehin schon kaufen kann, auch anderswo anbauen kann, oder billiger. Nichts davon ist mir das Risiko eines unerwarteten allergischen Schocks durch „springende Gene“ wert. Nichts davon ist mir als Kunde der Nahrungsmittelindustrie irgendetwas wert – und deshalb war ich auch immer kompromisslos gegen gentechnisch veränderte Nahrung.
  Weil nämlich, egal wie gering das Risiko sein mag, diesem Risiko niemals ein auch noch so geringer Vorteil für mich gegenübergestellt wurde.


Und ich denke, genau da liegt der zentrale Mangel der „Grünen Gene“: Die Industrie für Agrartechnik hat zwar daran gedacht, was sie selbst von ihren Entwicklungen hat; und der Bauer, dem sie ihr Saatgut verkaufen will – sie hat aber den Endkunden vergessen. Und deshalb kann sie in der aktuellen Diskussion keinen Vorteil nennen, der den Endverbraucher von ihren Produkten überzeugen könnte. Und genau daher rührt die Feindseligkeit für Genfood.
  Und weil die Industrie den Endverbraucher schlichtweg vergessen und ihm nichts zu sagen hat, diskutiert sie über das Für und Wider genveränderter Nahrungsmittel nur noch mit den Ökos. Die aber haben, ehrlich gesagt, auch nichts zu sagen, was den Normalbürger interessieren würde. Aber durch das vollständige Versagen der Genindustrie erreichen sie trotzdem ihr Ziel: Denn die Industrie hat den Argumenten der Ökos selbst nur negative Botschaften entgegenzusetzen, in der Art von: „Gentechnik ist doch gar nicht so gefährlich“ - soll das etwa jemanden überzeugen?
  Und so dominieren derzeit die Anti-Genpositionen den Meinungsmarkt; allein deshalb, weil die Defensive immer eine schwache Position ist. Dementsprechend ist die derzeitige Genfeindlichkeit auch keine echte gesellschaftliche Position, sondern nur Füllmaterial eines Meinungsvakuums, das die Industrie selbst hat entstehen lassen.
  Diesen Zustand zu beenden, hat die Nahrungsmittelindustrie ebenfalls selbst in der Hand. Sobald die Entwickler und Meinungsmacher in den Konzernen mal nicht nur an ihr Produkt und ihren Geldbeutel denken, sondern auch an den Kunden, der ihn füllen soll, können sie jederzeit einen Stimmungswechsel bewirken. Sobald nämlich die Genindustrie ein Produkt an den Markt bringt, mit dem sie dem Verbraucher einen konkreten Vorteil suggerieren kann, werden die so angesprochenen Zielgruppen auch kaufen. Das allerdings muss schon mehr sein als »genauso gut wie Nicht-Gen-Mais«. Denn, mal ehrlich: Wie unnütz muss ein Produkt sein, wenn dem Hersteller nicht mehr dazu einfällt?
  Also: Die derzeitige Gendiskussion geht am Verbraucher völlig vorbei. Soll die Industrie ihn doch erst mal auf den Tisch legen, den allergenfreien Apfel für Apfel-Allergiker. Dann, aber erst dann, wäre ich bereit, mir die Argumente der Genindustrie auch nur anzuhören. Wer sein Geld ohne die Kunden verdienen will, hat am Markt ohnehin nichts verloren und darf sich auch nicht über das feindselige Klima wundern, das ihm entgegenschlägt.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

...Dementsprechend ist die derzeitige Genfeindlichkeit auch keine echte gesellschaftliche Position, sondern nur Füllmaterial eines Meinungsvakuums, das die Industrie selbst hat entstehen lassen.

nun, genau das ist eben nicht der Fall, sonder genau das Gegenteil. Die Industrie sorgt selbst durch ständige Negativschlagzeilen dafür, dass GenGegner Munition bekommen.

Siehe auch http://genfood.wordpress.com

Lomax hat gesagt…

Die Industrie sorgt selbst durch ständige Negativschlagzeilen dafür, dass GenGegner Munition bekommen.

Das würde ich trotzdem nicht für den entscheidenden Faktor halten. Über viele Dinge gibt es genug Schlechtes zu berichten. Die Atomindustrie produziert beispielsweise mindestens ebenso viele Negativschlagzeilen - erfreut sich aber trotzdem wieder steigender Zustimmung, seit sie das "CO2"-Schlagwort für sich entdeckt hat.
  Die Gen-Industrie hingegen hat bis heute nichts anzubieten, was dem Endverbraucher einen Nutzen verspricht. Und erst das verleiht den Negativschlagzeilen ihre derzeitige absolute Meinungsmarkt-Führerschaft.
  Ich glaube durchaus, dass viele Verbraucher beim GenFood eine Risikoabwägung machen würden - wenn es überhaupt (auch nur scheinbare) Vorteile gäbe, gegen die man das Risiko abwägen kann. Dass die Industrie sich beim GenFood bisher nicht mal die Mühe gemacht hat, solche anzubieten, finde ich das eigentlich Bedenkliche und das bisherige Höchstmaß an Arroganz gegenüber dem Kunden, das ich bisher erlebt habe.