Dienstag, 26. Februar 2008

Ein Bild von einem Autor

Wenn man irgendwo auf einem Con, bei einer Lesung oder bei anderer Gelegenheit einer Schriftstellerschar begegnet, dann ist es so, als würde man einen Schwarm Kolkraben aufscheuchen. Unwillkürlich fragt man sich dann, ob es wohl eine Uniformpflicht für Autoren gibt. Und in der Tat: "Autoren tragen Anthrazit." So stand es in einer Zeitungsüberschrift nach der Endrunde eines Literaturwettbewerbs, bei dem ich 1993 lesen durfte. Und diese Regel gilt anscheinend bis heute.
  Autoren tragen also schwarz. Warum das so ist, darüber mögen Soziologen rätseln. Ob es daran liegt, dass der "schwarze Rolli" intellektuell wirkt, oder dass die düstere Kluft dem Schreiber eine Aura des Geheimnisvollen verleiht? Oder vielleicht auch nur, weil sie den Träger schlanker wirken lässt. Wer weiß?
  Das Paradoxe daran ist nur: Ich bin vergleichsweise schlank. Ich schreibe düstere Geschichten und kriege trotz eifrigen Strebens nach Unterhaltung den intellektuellen Twist doch nicht ganz raus aus meinen Geschichten. Trotzdem bin ich inzwischen so ziemlich der einzige Autor, der vorzugsweise helle Kleidung trägt. Das war nicht immer so, ich gebe es zu: Bei meinem ersten öffentlichen Auftritt zählte ich auch noch zum Schwarzen Block. Inzwischen allerdings achte ich auf Kontraste, wenn ich mit anderen Kollegen zusammentreffe, weil es mir irgendwie peinlich ist, wie ein Klon auszusehen. Was ja auch leicht zu falschen Assoziationen in Bezug auf das Werk führen kann ...
  Oder - wer weiß? Vielleicht bin ich auch nur der einzige Autor, der es sich erlauben kann, seinen Bauch hinter einem weißen Hemd zu verstecken? ;-)


Jedenfalls fand dieses absurde Theater jüngst eine Fortsetzung, als ich Fotos für einen Verlagskatalog bereitstellen sollte. Ich blätterte also in einem solchen Katalog und stellte fest: Die meisten Schreiber, zumindest die männlichen Vertreter meiner Zunft, bemühen sich um eine gewisse Würde. Wenn ich also ein ernstes Foto neben meinem Buchtitel stehen habe - wird jeder Leser gleich weiterblättern, weil er solche Bilder überall findet.
  Zum Glück habe ich lang genug für Zeitschriften gearbeitet und weiß daher, dass so ein grafisches Element nur dann etwas bringt, wenn das Auge des Betrachters auch darauf hängen bleibt. Das Bild soll den blätternden Käufer ansprechen und einladen, bei meinem Buchtitel zu verweilen - es sollte also aus dem Einerlei hervorstechen, wie das Autorengespenst unter den Schreibfledermäusen.
  Gesagt, getan. Viele, viele Aufnahmen später konnte ich endlich ein paar Portraits abschicken, auf denen ich den Betrachter offen anlächle oder zumindest zum Gespräch einlade. Und meine Freundin ist begeistert, weil wir endlich ein paar Fotos von mir haben, auf denen ich freundlich dreinblicke. Eine Aufgabe, an der vorher 30 Jahre lang jeder Fotograf gescheitert ist. Denn etwas anderes als ein ernst und distanziert wirkendes Bild von mir zu kriegen, das hat bislang noch keiner geschafft. Aber was tut man nicht alles für die richtige Präsentation?


Am Ende fragt man sich allerdings schon: Ist das etwa das Wesen des Marketings? Dass nun jeder Partylöwe und gesellige Typ, wenn er denn als Schriftsteller posieren muss, sich mit einiger Verkrampfung Schwere und Ernsthaftigkeit abringt, während ich wiederum mich mit ebensolcher Mühe zur Lichtgestalt erhebe, nur um mich noch ein wenig abzuheben in einer Welt, wo jeder so auftritt, wie ich natürlicherweise bin?
  Aber, nein. Solche Gedanken führen in die Paranoia. Außerdem habe ich ja, verglichen mit all den anderen Autoren, noch den besseren Part erwischt. Denn wie man weiß, wirken Haltung und Kleidung auch aufs Gemüt. Das Lächeln macht mich also zu einem fröhlicheren Menschen, während die Behandlungskosten für Depressionen bei all den schwarz gewandeten Kollegen hängen bleiben.
  Womit die Werbung dann die Wirklichkeit vielleicht nicht abbildet, aber langfristig gesehen zumindest formt. Ist so? Ist so! Als ich bei letzter Gelegenheit in lichtem Beige auf düsteres Einerlei um mich her blickte, hoben sich unwillkürlich meine Mundwinkel, und ganz von selbst fanden Sein und Anschein zueinander. Wer zufällig Phantastikautor ist und es nicht glaubt, mag es gerne mal in der nächsten geselligen Runde ausprobieren.

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Also erstens bist du FANTASYautor, und das ist ja schon eine Spezialisierung, auf die du zu recht stolz sein kannst! Deine helle Gewandung korreliert übrigens herrlich mit Gandalfs Wams-Rock Dingsbums, seinem weißen Bart und dem wallenden Haupthaar. Und mit seinem Stock. Ja, der Stock war auch weiss...

Deswegen schätze dich glücklich in diese ehrenwerte Tradition der hellgewandeten Greise eintreten zu können! Vor tausend Jahren waren übrigens alle Männer um die vierzig im Grunde bereits alte weise Männer. Der wirklich langen Ausführung kurze Zusammenfassung: Deine Wahl der Kleidung hat einen sehr tiefgründigen Sinn, du musst dich also deswegen nicht schlecht fühlen.

ICH trage übrigens nicht gerne schwarz. ICH bin nämlich - anders als du - schwarzhaarig, dunkel von Angesicht, böse, gemein und so weiter. Meine Vorfahren kamen nicht von der Eisscholle, soviel ist sicher.

Zudem sind Weiss und Schwarz keine echten Farben. Echte Farben wären also die geeignete Alternative. Als Horrorautor empfiehlt sich das Tragen von Rot, von Blutrot zum Beispiel. Aber da wir keine Horrorautoren im deutschsprachigen Raum haben ist diese Empfehlung sowieso akademisch. Wir sagen jetzt "Dunkle-Spannung" Autoren. Diesen würde ROT gut stehen.

Für den dunklen Typ wäre GRÜN nicht schlecht. Giftgrün: Die Wahl vor allem für Krimiautoren, wenn sie Geschichten schreiben, in denen viel mit Gift gemordet wird.

Die Fitness betreffend: Wir Autoren können nun mal nicht alle echte Kerle sein, die in der Bundeswehr mit Maschinenpistole durch den Schnee gerobbt sind, um den kleinen Wettbewerb mit den durchgeknallten GSG 9 Typen zu gewinnen. Viele Autoren sind entweder untauglich gewesen oder haben kurz vor der Musterung ihr soziales Gewissen entdeckt - deswegen die Bauchansätze und die sanfteren Manieren. Das kann durch dunkle Kluft wunderbar überspielt werden. Ich finde nichts falsches daran!

Zum Abschluss möchte ich noch anmerken, dass es völlig natürlich ist als Autor unter Depressionen zu leiden und die gesamte Menschheit zu hassen! Das ist sogar dringend notwendig. Ein Autor, der gerade nicht in Behandlung bei einem Psychotherapeuten ist, der ist kein echter Autor. Echte Autoren tragen Schwarz vor allem, um unser Innerstes zu offenbaren. Unsere düsteren Gesichtausdrücke sind das Resultat des intensiven Studiums unserer Kontoauszüge.

PS: Das Tragen von Rot hat mich auch innerlich verändert. Ich fühle mich seit kurzem wie verjüngt! Kräfte, von denen ich nie etwas ahnte, durchströmen mich! Wenn bloss dieses überreichliche Sonnenlicht im Februar nicht wäre! Und komischerweise strömt neuerdings seltsamer Geruch aus den Nachbarswohnungen...

molosovsky hat gesagt…

Willkommen in der Tom Wolfe-Liga, denn dieser große US-Autor trägt nur weiß. Auch John Irving trägt alles mögliche Helle (wenn er nicht gerade Oscars entgegennimmt). Auch Daniel Kehlmann sehe ich auf der Buchmesse meistens in helleren Tönen gekleidet rummlaufen. Du bist also keineswegs alleine.

Lomax hat gesagt…

Aaah - Molo! Raub mir doch nicht meine Illusionen! Wie soll ich denn sonst meine "Alleinstellungsmerkmale" betonen?

Aber, andererseits: Wolfe, Irving und Daniel Kehlmann ... Hm, damit kann ich eigentlich leben :-)
Und Phantastik-Autoren sind das ja eigentlich auch nicht, so dass ich in meinem Ghetto noch individualistisch genug bleibe. Also, passt schon ;-)