Samstag, 15. September 2012

Das Sicherheitsrisiko trägt der Kunde

Vor einiger Zeit habe ich eine Bluse für meine Freundin erworben, aber an diesem Schnäppchen hatten wir nicht lange Freude. Genau genommen nur bis zu Hause, wo wir dann feststellten, dass an der Kasse das Sicherheitsetikett nicht abgemacht wurde. Selbst entfernen wollten wir nicht riskieren, denn immerhin kann man damit das Kleidungsstück beschädigen, und außerdem weiß man nie, ob nicht eine Farbpatrone im Inneren untergebracht ist, die noch zusätzlich für Sauerei sorgt.
  Das bedeutete also, dass ich für dieses Sicherheitsetikett und eine Bluse für 10 Euro anderthalb Stunden bis zu dem Geschäft fahren musste, um sie entfernen zu lassen. Ich war auch dementsprechend sauer - und habe mir in diesem Falle auch nicht mehr die Mühe gegeben, meine sonst übliche Contenance zu wahren.
  Das ist mir in letzter Zeit leider immer öfter aufgefallen: Handel und Industrie lassen sich tolle neue Dinge einfallen, die den Kunden in die Pflicht nehmen und in quasi zum unbezahlten Mitarbeiter werden lassen, um Ziele zu erreichen, an denen letztlich nur der Verkäufer Interesse hat. Das sind solche ausgefeilten Sicherheitsetiketten, die durchaus regelmäßig mal übersehen werden; aber auch unausgereifte Kopierschutztechniken, die dann die Verwendbarkeit des Produkts beeinträchtigen. Der Ärger bleibt letztendlich immer beim Kunden hängen - und genau deshalb ändert sich auch nichts daran, sondern wird im Gegenteil immer schlimmer.
  Denn warum sollten Handel und Herstellung sich den Kopf über Dinge zerbrechen, die ihnen gar keine Probleme bereiten, sondern immer nur anderen?

In solchen Fällen sagt man sich dann allzu leicht: „So was kann ja mal passieren. Der Kassierer kann ja nichts dafür, und die Verkäuferin, bei der man umtauscht, erst recht nicht.“
  Also macht man seinem Ärger niemals Luft. Aber genau dieses Verhalten führt letztendlich auch dazu, dass man nicht nur allein auf dem Ärger sitzen bleibt, sondern auch immer wieder dasselbe Ärgernis vorgesetzt bekommt. Denn natürlich kann die Verkäuferin nichts dafür - aber sie ist immerhin schon mal einen Schritt näher an den Leuten dran, die etwas dafür können, und auch etwas daran ändern. Solange die meisten Kunden höflich und freundlich bleiben, muss sich die Verkäuferin nur mit ein paar Cholerikern rumschlagen, und das schluckt sie runter und kriegt die Magengeschwüre davon und nichts ändert sich.
  Wenn aber jeder betroffene Kunde seinem Ärger deutlich Luft machen würde, wäre das ein Problem fürs Geschäft und würde darum bald auch die Geschäftsleitung betreffen. Und wenn die Geschäftsleitung im Laden ein Problem mit unausgereiften Sicherheitsmaßnahmen bekommt, wird sie das Problem an die Industrie weitergeben, und das ist der einzige Weg, mit dem sich etwas ändern lässt.
  Weil also der stille Ärger der Kunden zuhause den Verantwortlichen egal ist, werde ich in Zukunft häufiger darauf achten, diesen Ärger zumindest einen Schritt weiterzutragen. Auch wenn das vermutlich wenig bringt, ist es zumindest die ethisch korrektere Tat im Sinne des kategorischen Imperativs - denn wenn jeder das täte, wäre es sehr wirksam.
  Und, ehrlich gesagt: Man fühlt sich letztendlich auch besser, wenn man seinem Ärger Luft gemacht hat.

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