Sonntag, 18. November 2012

Von Amtsgewalt bis Feingehalt ...

Ich schreibe derzeit an einem Roman, der auf einer Welt angesiedelt ist, an der ich schon lange arbeite. Sie ist bis ins Detail ausgearbeitet, mit einer umfangreichen Geschichte, detailliert beschriebenen Völkern und Kulturen, Persönlichkeiten, politischen Hintergründen, Landkarten und vielem mehr. Eine große Erleichterung beim schreiben, sollte man meinen - schön einfach: Wann immer man etwas braucht, man muss nicht erst darüber nachdenken, sondern kann es einfach nachschlagen.
  Tatsächlich bin ich die ganze Zeit am Nachschlagen!
  Wenn ich bei meinen bisherigen Fantasyromanen etwas brauchte, konnte ich es einfach ad hoc erfinden. Ich musste drauf achten, dass es zum Rest des Buches passte, klar. Aber wenn die Figuren in ein Dorf kamen, habe ich einfach ein Dorf an der passenden Stelle ergänzt. Wenn die Figuren über ein historisches Ereignis sprachen, habe ich mir einfach eines ausgedacht. Neue Monster, Krankheiten, Magie ... Kein Problem. Es gab genau das, was die Story brauchte.
  Jetzt, wenn ich ein neues Dorf brauche, muss ich erst mal alle Karten konsultieren, ob und wo welche Art von Ortschaft hereinpasst. Für historische Ereignisse muss ich etwas Passendes in den umfangreichen Hintergrundberichten finden ... Oder zumindest einen Platz, wo ein entsprechendes Ereignis hereinpasst. Persönlichkeiten, Grenzen, Flüsse - nichts ausgedacht, alles nachgeschlagen. Was in der Praxis aufwendiger ist, als es sich anhört, denn es gibt viel Papier, in dem man jederzeit blättern kann: Übersichten über die Währungen, verbreitete Krankheiten, Details zur Wirtschaft; selbst wenn ich mal in eine Landkarte schauen will, habe ich die breite Auswahl zwischen topographischen Karten, politischen Karten, Orts- und Wegenetzkarten oder auch Landkarten, die nicht unbedingt zeigen, wie es wirklich ist, sondern wie sich einzelne Völker ihre Welt vorstellen. Ich hatte mir schon überlegt, alle Wände meines Zimmers mit Ausdrucken vollzukleben, damit ich nicht immer so viel blättern muss.
  Als meine Hauptfigur einmal des Nachts unterwegs war, wollte ich wissen, wie hell diese Nacht gerade ist. Man errät es schon: Natürlich konnte ich mir das nicht einfach ausdenken, sondern ich habe in meinen Unterlagen selbstverständlich auch Kalender mit den Mondphasen. Nur, wo waren die jetzt? Ich habe also auf meiner Computerfestplatte gesucht, tatsächlich eine Datei mit dem Namen »kalender« gefunden, dachte mir »Bingo!« und klicke sie an - und was sehe ich darin? Einen alternativen Kalender zu meiner Welt, reiner Mondkalender ohne Bezug zu den gängigen Monaten und nach Herrscherjahren.
  Also, kurz gesagt, zu der Welt, auf der mein nächster Roman spielt, gibt es an Unterlagen alles, was sich ein gelangweilter Geschichtsstudent über viele Jahre hinweg nur alles ausdenken kann. Und genauso fühlt es sich derzeit auch eher an, als würde ich einen historischen Roman schreiben und keine Fantasy - einen historischen Roman, für den ich jeden Schritt erst einmal in der »Fachliteratur« recherchieren muss.

Also - »leichteres Schreiben, weil die Welt ja schon fertig ist und man sich nichts mehr ausdenken muss«, das klappt nur bedingt. Es ist ein anderes Schreiben, eine Expedition durch den wildwuchernden Urwald des Materials. Ich hoffe mal, am Ende lohnt es sich aber und lässt die Geschichte und ihre Hintergründe detailreicher und lebendiger wirken.
  Ich grübele derweil noch darüber nach, welche meiner zahlreichen Landkarten ich für das Buch auswähle ...

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