Wie im letzten Eintrag erwähnt, war ich den Mai über in Patara. Das ist nicht nur eine antike Ruinenstadt, sondern auch eine, wo der Leiter der archäologischen Grabung die Gebäude aus den gefundenen Steinen zu rekonstruieren versucht. Ein Ergebnis kann man in diesem Jahr bewundern: die Versammlungshalle des lykischen Bundes erstrahlt in nagelneuer Schönheit. Bei meinem letzten Besuch drei Jahren war das nur eine schmuddelige Quadermauer mit Baugerüst; jetzt fehlt nur noch das Dach (das war aus Holz, und wird darum auch weiterhin fehlen). Und das ganze glänzt so weiß, dass sie die alten Mauersteine vermutlich gesandstrahlt haben. Jetzt kann man über die Frage nach Rekonstruktion oder Konservierung gefundener Ruinen ja geteilter Meinung sein. Aber der Grund, warum ich oben sehr frei den Hesse zitiert habe, ist ein anderes Bauwerk in Patara: das alte Hafenbad. Das war vor drei Jahren eine sehr malerische Ruine. Da standen nur noch ein paar Mauern, die aber doch so vollständig, dass sie einen klaren Umriss ergaben; dazu ein Torbogen, eingesunkene Bodenplatten, ein Olivenbaum, der sich an Außenmauer schmiegt ... kurz gesagt, ich habe das Gebäude geliebt und empfand es als das stimmungsvollste in der Stadt. In der Zwischenzeit ist das Hafenbad Teil des Rekonstruktionsplans geworden. Man hat die Mauern tiefer ausgegraben und ein paar weitere Außenmauern rekonstruiert - und was man jetzt sieht, ist eine fette, abgesperrte Baugrube, Mauerreste in unterschiedlichsten Stadien von Zerfall und rekonstruktion, das ganze überzogen mit Gerüsten und jeder Menge Stützbalken. Alles in allem sieht es nicht mehr nach einer Ruine aus, sondern nach einer Baustelle. Der Zauber ist weg. Vielleicht werde ich das Gebäude lieben, wenn es rekonstruiert ist. Denn unabhängig von ideologischen Diskussionen über das Für und Wider muss ich doch zugeben: Bei der fertig rekonstruierten Sitzungshalle sieht man schon was. Wow. Mag sein, dass das Hafenbad ein noch beeindruckenderer Hingucker wird, wenn es denn bis an die Grenzen der vorhandenen Substanz (und darüber hinaus) wieder hergestellt wurde. Das aber wird nichts daran ändern, dass, um das Bad wiederaufzubauen, etwas anderes zerstört wurde. Denn die alte Ruine, die ich jetzt noch auf den Fotos meines ersten Besuches sehen kann, die ist endgültig verschwunden. Die Rekonstruktion, was auch immer sie bringt, wird nicht mehr dieselbe Ausstrahlung haben wie das Gebäude, das vorher dort stand. Sie mag gelungen sein, sie mag einen besseren Eindruck vom ursprünglichen Bad vermitteln - aber dafür muss etwas anderes verschwinden, was durchaus auch einen eigenen Wert an sich hatte. Dieser Verlust, denke ich, wird nie so deutlich empfindbar wie in diese Augenblick: Wenn das Alte unwiederbringlich fort ist und man den Akt der Zerstörung fühlen kann, ohne dass das Neue schon da ist und den Verlust überstrahlen kann.
Sonntag, 2. Juni 2013
Jedem Anfang wohnt ein Ende inne
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