Montag, 30. April 2007

Die Spinnvasion

„Da seilt sich gerade eine Spinne über dem Esstisch ab“, ließ meine Freundin mich letztens wissen. Ich schaute nach und erblickte tatsächlich eine kleine Spinne an ihrem Faden baumeln. So ungewöhnlich ist das nicht, und in der Regel sind es kleinere Springspinnen, die sich von der Decke hängen lassen, wenn es ihnen nicht gut geht oder sie Lust auf einen Kaffee haben¹.
  Das Exemplar des Tages war allerdings keine Springspinne. So viel erkannte ich gleich, als ich das Tier aus der Luft gefischt hatte. Es war kaum größer als ein halber Stecknadelkopf und kaum zu erkennen, aber ein weißes Kreuz zeichnete sich trotzdem scharf und deutlich auf dem braunen Rücken ab - also offenbar eine Baby-Kreuzspinne.
  Mit der gebotenen Behutsamkeit setzte ich sie auf das Insektennetz am Fenster. Denn von dort aus, so dachte ich mir, konnte die kleine Spinne gut jeden Ort erreichen, denn sie wollte: Einen geschützten Winkel suchen oder auch wieder nach draußen gelangen, denn sie war noch klein genug, um sich durch die Maschen des Netzes zwängen zu können.
  Danach kümmerte ich mich erst mal um andere Dinge, holte Tee und dieses und jenes. Dann blickte ich neugierig zum Fenster und wollte schauen, was die Spinne inzwischen so treibt. Aber ich konnte sie nirgends erblicken. Also blickte ich hierhin und dorthin, und schließlich sah ich sie oben am Fensterrahmen sitzen. „Verdammt schnell“, dachte ich mir. „Ich hätte nicht gedacht, dass sie schon so weit gekommen ist.“
  Und während ich das dachte, drehte ich ein wenig den Kopf, der Winkel änderte sich – und dann sah ich sie: Dutzende dieser kleinen Spinnen überall um das Fenster, durch Größe und filigranen Körperbau beinahe unsichtbar und nur zu erkennen, wenn man genau aus dem richtigen Winkel darauf schaute und das Licht günstig stand. Sie saßen am Fensterrahmen, an der Wand über dem Fenster und baumelten an feinen Fäden vor dem Fenster umher.
  Offensichtlich war kurz zuvor ein Nest von Kreuzspinnen vor dem Fenster geschlüpft, und einige davon hatten sich in die Wohnung verirrt. Die Spinne über dem Tisch war nur die besonders freche Vorhut gewesen, die sich ein wenig weiter in den Raum gewagt hatte. Und jetzt konnte man nicht mehr ans Wohnzimmerfenster treten, ohne eine Schar dieser winzigen Spinnen über sich – für einen Arachnophobiker wäre das sicher ein erschreckender Anblick gewesen, und auch ich kann mich nicht erinnern, jemals so viele Spinnen auf einem Haufen in meiner Wohnung gesehen zu haben.


Nun, und das war sie auch schon, die Geschichte von der Spinnvasion. Denn da Spinnen keine Schädlinge sind, weder Nahrungsmittel bedrohen noch Krankheiten verbreiten noch sonst irgendwas mit Menschen zu schaffen haben, muss man sich um sie ja auch nicht weiter kümmern (außer, sie seilen sich gerade störend in den Raum ab, oder sitzen auf dem Stuhl, den man gerade selbst benutzen will). Und aus Erfahrung weiß ich: Selbst wenn man mal besonders viele Spinnen im Haus hat, erledigt sich das innerhalb von wenigen Tagen selbst; entweder wandern die überzähligen Spinnen aus, oder sie beseitigen die Überpopulation selbstständig.
  Und Kreuzspinnen sind, wie man weiß, „Draußenspinnen“ - aus irgendwelchen Gründen fühlen sie sich in Wohnungen nicht wohl, und wenn sich mal eine dorthinein verirrt, wird sie kaum sesshaft. Und tatsächlich, am nächsten Morgen war von all den Spinnen nicht eine einzige mehr zu sehen. Über Nacht hatte ich wegen der sommerlichen Temperaturen das Fenster offen gelassen, und offenbar waren es tatsächlich alles „Draußenspinnen“. Oder sie haben einfach nur gelernt, sich besser zu verstecken.


¹kleiner Insider für all jene, denen sich schon mal eine Spinne geradenwegs in die Kaffeetasse abgeseilt hat :-)¹

Samstag, 21. April 2007

Journalisten werben nicht ...

... denn das ist den journalistischen Verbandsmagazinen vorbehalten. Jedenfalls kenne ich einige Kollegen, die sich sehr darüber ereifern können, dass die frühere Beilage mit nützlichen „Werkstatt-Tipps“, die dem Magazin des Deutschen Journalistenverbandes beilag, durch ein Heft namens „Themen“ ersetzt wurde. Darin findet man allerhand Material, vorzugsweise der deutschen Industrie, das Anregungen für Artikel geben soll. Auf gut Deutsch also: Die Beilage mit praktischen Hilfen fürs journalistische Arbeiten wurde durch eine nur notdürftig getarnte Sammlung von PR-Material ersetzt.
  Diese Wandlung ist allerdings schon alt. Fast so alt wie das Jammern im Blatt selbst über den Fall der journalistischen Sitten und die Vermischung zwischen Werbung und redaktionellem Inhalt. Und wer da etwa behauptet, dass durch Tun und Sagen zwei unterschiedliche Botschaften vermittelt werden, ist natürlich ein Schelm.
  Aufgreifen möchte ich dieses Thema nun allerdings in meinem Blog, weil es mit der letzten Ausgabe der Zeitschrift doch ein neues Niveau erreicht hat. Diesmal war das Magazin sogar eingeschweißt, damit die zahlreichen Beilagen nicht rausfallen: Zwei dicke Hefte von deutschen Automobilherstellern, die sich als „Presseinformationen“ oder „Berichte“ tarnten, tatsächlich aber wiederum pure Werbung und PR enthielten. Den Informationsgehalt hätte man meines Empfindens nach auf einer einzelnen Seite unterbringen können. Auf einer sehr kleinen Seite. In Großschrift. Für beide Broschüren.
  Nun ja. Man nimmt es hin.
  Bis ich dann im Journalisten-Heft selbst auf einen Artikel stieß, in dem gerügt wurde, dass bekannte Journalisten Werbeverträge abschließen. Darin zitiert der Verband seinen eigenen Vorsitzenden: „Es verträgt sich nicht mit der Glaubwürdigkeit von Journalisten ... wenn einzelne prominente Angehörige unseres Berufsstandes Werbung ... machen.“


Soll ich das diesem Heft jetzt glauben?

Montag, 9. April 2007

Casino Royale

Den letzten Bond wollte ich nicht im Kino sehen. Zu viel Peinliches war im Vorfeld über den Darsteller bekannt geworden, und wenn ich auch weiß, dass man einen Schauspieler nicht mit seiner Rolle verwechseln darf, so stört es doch ein wenig die Illusion, wenn man weiß, das beides zu sehr voneinander abweicht.
  Doch wie auch immer: Auf DVD wollte ich mir den Film schon anschauen. Nach allem, was ich gehört hatte, waren ja viele Kinobesucher recht zufrieden gewesen. Außerdem wurde ich in den letzten Jahren regelmäßig angenehm überrascht, wenn ich mit geringen Erwartungen in einem Film ging.
  Diesmal allerdings nicht. Meine schlimmsten Erwartungen wurden noch unterboten.


Längst nicht alle Mängel des Filmes kann man dem umstrittenen Darsteller anlasten, auch wenn er den Gesamteindruck nicht unbedingt verbesserte. „Bond endlich mal verletzlich“, so lobten einige Kritiker. Nun, „mitgenommen“ trifft es wohl eher. Bond sieht schon leidend aus, allerdings ziemlich durchgehend, so dass man das Gefühl bekommt, es ist halt seine Art. Wenn jemand im Laufe der zahlreichen Vorgänger Bonds Coolness und sein Gentleman-Gehabe leid geworden ist, so mag er diese Veränderung vielleicht schon als Innovation und Verbesserung betrachten. Aber das ansonsten ausdruckslose Spiel bringt viel zu wenig Gefühl herüber, um mich als Zuschauer berühren zu können. Und das würde ich doch erwarten, bevor ich einen Charakter als „verletzlich“ empfinde.
  Alles in allem habe ich auch als schauspielerischen Mangel empfunden. Denn ausdruckslos durchs Set zu spazieren, sich von den Maskenbildnern zunehmend derangieren zu lassen und dann und wann eine leidende Miene aufzusetzen, das wirkt nun wirklich weder sonderlich mitreißend noch wie eine Leistung. Zudem blieb dieser Bond so farblos, dass ich immer wieder Probleme hatte, die Figur zu erkennen und nicht mit irgendwelchen Statisten zu verwechseln. Vor allem am Anfang des Filmes hat mich das einige Male verwirrt.
  Das lag sicher auch daran, dass dieser Bond ganz anders aufgezogen werden sollte als in den früheren Filmen. Das bondtypische „Charisma“ fehlte halt – vielleicht bewusst, aber wenn man einen Bond sieht, bei dem „James Bond“ fehlt, ohne dass man dafür eine andere, neue interessante Figur geboten bekäme, dann kann ich das nur als Mangel wahrnehmen.
  Der fehlende Ausdruck der Figur hatte natürlich auch Auswirkungen auf andere Aspekte des Films. So sprang zwischen den Figuren kein Funke über. Bond schien vor einer Staffage funktionaler Pappfiguren zu agieren, was vor allem die Glaubwürdigkeit der Liebesgeschichte am Ende schwer erschütterte. Doch damit kommen wir dann schon zu den Mängeln des Films, die nicht allein dem Darsteller anzulasten sind.
  Denn was die Liebesgeschichte am Ende ebenso schwer belastete, war die Tatsache, dass man den Figuren nur hohle, pathetische Floskeln in den Mund legte, die mir unwillkürlich ein Stöhnen entlockten. Mehrfach in diesem Film fühlte ich den Drang, mir angesichts peinlicher Dialogzeilen die Ohren zu zuhalten oder den Raum zu verlassen. Ich habe wirklich schon lange nicht mehr solche abgegriffenen Theatersprüche in einem modernen Kinofilm gesehen; und das will angesichts der Theatralik in den gängigen Produktionen schon etwas heißen.
  Was die Mängel an Figuren und Inszenierung betrifft, war der Film zumindest konsequent. Denn auch der markante Bösewicht fehlte. Der mit viel Mühe eingeführte Schurke war in dem Film selbst so bedroht, dass er als Gegner von vornherein demontiert war. Und als er James Bond schließlich in seiner Gewalt hatte ... nun, ich will hier nicht spoilern und vergleiche es daher mit den älteren Bondfilmen: Man stelle sich vor, Goldfinger hätte James Bond gefangen, ihm seine finsteren Pläne enthüllt – und dann, auf dem Höhepunkt des Finales, wenn man gerade darauf wartet, wie der Held sich befreit und die Welt rettet, wäre irgendein gesichtsloser Killer, der bisher in dem Film keine Rolle gespielt hatte, in das Hauptquartier des Bösen spaziert, hätte Goldfinger erschossen und beiläufig erwähnt, dass er ja ein noch viel schlimmerer Bösewicht ist. Der dramaturgische Super-GAU also. Dass die eigentlichen Bösen irgendwelche gesichtslosen Kartelle sind, von denen man nur ein paar austauschbare Anzugträger zu sehen bekommt, mag ja realistischer sein. Aber wer möchte das in so einem Film schon wirklich sehen? Da ja nun bekanntlich ein Held durch seine Gegner lebt, war nun auch verständlich, dass Bond in diesem Film ständig wie ein Toter umhertapert.
  Ach ja, das Tüpfelchen auf dem i: Auch die bondtypischen Gadgets fehlten diesmal völlig. Das mag man schade finden oder erfreulich oder belanglos; aber wenn ich das als Endpunkt meiner bisherigen Aufzählung betrachte, stelle ich mir doch die Frage: Wenn man einen Film dreht, der alles anders machen will als bisher, und in dem wirklich alles fehlt, was bisher Markenzeichen von Bondfilmen war – warum dreht man dann noch einen Bondfilm? Ach ja: vermutlich deshalb, weil ohne das Bond-Etikett niemand den Film zur Kenntnis genommen hätte.


Der dritte Punkt, in dem der Film für mich eine Enttäuschung war, ist dann noch der Plot. Nach dem verwirrenden Anfang entwickelte sich eine stringente, aber irgendwie belanglose Handlung, die irgendwann ihr natürliches Ende fand – leider ging der Film danach noch weiter und wurde wirklich chaotisch. Das letzte Drittel war dann eine Aneinanderreihung wüster Szenen, verbunden durch einen roten Faden, der noch nicht einmal überzeugen konnte. Und das Schlimme daran: Alles, was dann geschah, war nicht nur wirr und krude, sondern auch noch in jedem Einzelfall ziemlich vorhersehbar. Und wer wissen will, wie man so etwa schaffen kann, muss sich den Film wohl ansehen. Es war so, als hätte der Regisseur nach Abschluss des Films noch eine Liste von Dingen gehabt, die er unbedingt unterbringen wollte, wie aber in den Spannungsbogen nicht reingepasst hatten und nachträglich abgehakt wurden.
  Gibt es über den Film auch etwas Positives zu sagen? Nun ja, einige der Szenen waren für sich genommen durchaus gut, was Optik und Action betrifft; auch das eigentliche Finale war in dieser Hinsicht interessant gestaltet.
  Aber insgesamt war Casino Royale das schlechteste A-Picture, das ich seit zehn Jahren und mehr gesehen habe. Und beim Schreiben dieses Fazits habe ich jetzt kurz innegehalten und an Matrix 2 gedacht; aber auch diesen Vergleich hat Casino Royale binnen Sekunden durch KO verloren, weil ich Matrix 2 trotz allem mehr als einmal gesehen habe. Was mir beim neuen Bond gewiss nicht passieren wird.