Montag, 9. April 2007

Casino Royale

Den letzten Bond wollte ich nicht im Kino sehen. Zu viel Peinliches war im Vorfeld über den Darsteller bekannt geworden, und wenn ich auch weiß, dass man einen Schauspieler nicht mit seiner Rolle verwechseln darf, so stört es doch ein wenig die Illusion, wenn man weiß, das beides zu sehr voneinander abweicht.
  Doch wie auch immer: Auf DVD wollte ich mir den Film schon anschauen. Nach allem, was ich gehört hatte, waren ja viele Kinobesucher recht zufrieden gewesen. Außerdem wurde ich in den letzten Jahren regelmäßig angenehm überrascht, wenn ich mit geringen Erwartungen in einem Film ging.
  Diesmal allerdings nicht. Meine schlimmsten Erwartungen wurden noch unterboten.


Längst nicht alle Mängel des Filmes kann man dem umstrittenen Darsteller anlasten, auch wenn er den Gesamteindruck nicht unbedingt verbesserte. „Bond endlich mal verletzlich“, so lobten einige Kritiker. Nun, „mitgenommen“ trifft es wohl eher. Bond sieht schon leidend aus, allerdings ziemlich durchgehend, so dass man das Gefühl bekommt, es ist halt seine Art. Wenn jemand im Laufe der zahlreichen Vorgänger Bonds Coolness und sein Gentleman-Gehabe leid geworden ist, so mag er diese Veränderung vielleicht schon als Innovation und Verbesserung betrachten. Aber das ansonsten ausdruckslose Spiel bringt viel zu wenig Gefühl herüber, um mich als Zuschauer berühren zu können. Und das würde ich doch erwarten, bevor ich einen Charakter als „verletzlich“ empfinde.
  Alles in allem habe ich auch als schauspielerischen Mangel empfunden. Denn ausdruckslos durchs Set zu spazieren, sich von den Maskenbildnern zunehmend derangieren zu lassen und dann und wann eine leidende Miene aufzusetzen, das wirkt nun wirklich weder sonderlich mitreißend noch wie eine Leistung. Zudem blieb dieser Bond so farblos, dass ich immer wieder Probleme hatte, die Figur zu erkennen und nicht mit irgendwelchen Statisten zu verwechseln. Vor allem am Anfang des Filmes hat mich das einige Male verwirrt.
  Das lag sicher auch daran, dass dieser Bond ganz anders aufgezogen werden sollte als in den früheren Filmen. Das bondtypische „Charisma“ fehlte halt – vielleicht bewusst, aber wenn man einen Bond sieht, bei dem „James Bond“ fehlt, ohne dass man dafür eine andere, neue interessante Figur geboten bekäme, dann kann ich das nur als Mangel wahrnehmen.
  Der fehlende Ausdruck der Figur hatte natürlich auch Auswirkungen auf andere Aspekte des Films. So sprang zwischen den Figuren kein Funke über. Bond schien vor einer Staffage funktionaler Pappfiguren zu agieren, was vor allem die Glaubwürdigkeit der Liebesgeschichte am Ende schwer erschütterte. Doch damit kommen wir dann schon zu den Mängeln des Films, die nicht allein dem Darsteller anzulasten sind.
  Denn was die Liebesgeschichte am Ende ebenso schwer belastete, war die Tatsache, dass man den Figuren nur hohle, pathetische Floskeln in den Mund legte, die mir unwillkürlich ein Stöhnen entlockten. Mehrfach in diesem Film fühlte ich den Drang, mir angesichts peinlicher Dialogzeilen die Ohren zu zuhalten oder den Raum zu verlassen. Ich habe wirklich schon lange nicht mehr solche abgegriffenen Theatersprüche in einem modernen Kinofilm gesehen; und das will angesichts der Theatralik in den gängigen Produktionen schon etwas heißen.
  Was die Mängel an Figuren und Inszenierung betrifft, war der Film zumindest konsequent. Denn auch der markante Bösewicht fehlte. Der mit viel Mühe eingeführte Schurke war in dem Film selbst so bedroht, dass er als Gegner von vornherein demontiert war. Und als er James Bond schließlich in seiner Gewalt hatte ... nun, ich will hier nicht spoilern und vergleiche es daher mit den älteren Bondfilmen: Man stelle sich vor, Goldfinger hätte James Bond gefangen, ihm seine finsteren Pläne enthüllt – und dann, auf dem Höhepunkt des Finales, wenn man gerade darauf wartet, wie der Held sich befreit und die Welt rettet, wäre irgendein gesichtsloser Killer, der bisher in dem Film keine Rolle gespielt hatte, in das Hauptquartier des Bösen spaziert, hätte Goldfinger erschossen und beiläufig erwähnt, dass er ja ein noch viel schlimmerer Bösewicht ist. Der dramaturgische Super-GAU also. Dass die eigentlichen Bösen irgendwelche gesichtslosen Kartelle sind, von denen man nur ein paar austauschbare Anzugträger zu sehen bekommt, mag ja realistischer sein. Aber wer möchte das in so einem Film schon wirklich sehen? Da ja nun bekanntlich ein Held durch seine Gegner lebt, war nun auch verständlich, dass Bond in diesem Film ständig wie ein Toter umhertapert.
  Ach ja, das Tüpfelchen auf dem i: Auch die bondtypischen Gadgets fehlten diesmal völlig. Das mag man schade finden oder erfreulich oder belanglos; aber wenn ich das als Endpunkt meiner bisherigen Aufzählung betrachte, stelle ich mir doch die Frage: Wenn man einen Film dreht, der alles anders machen will als bisher, und in dem wirklich alles fehlt, was bisher Markenzeichen von Bondfilmen war – warum dreht man dann noch einen Bondfilm? Ach ja: vermutlich deshalb, weil ohne das Bond-Etikett niemand den Film zur Kenntnis genommen hätte.


Der dritte Punkt, in dem der Film für mich eine Enttäuschung war, ist dann noch der Plot. Nach dem verwirrenden Anfang entwickelte sich eine stringente, aber irgendwie belanglose Handlung, die irgendwann ihr natürliches Ende fand – leider ging der Film danach noch weiter und wurde wirklich chaotisch. Das letzte Drittel war dann eine Aneinanderreihung wüster Szenen, verbunden durch einen roten Faden, der noch nicht einmal überzeugen konnte. Und das Schlimme daran: Alles, was dann geschah, war nicht nur wirr und krude, sondern auch noch in jedem Einzelfall ziemlich vorhersehbar. Und wer wissen will, wie man so etwa schaffen kann, muss sich den Film wohl ansehen. Es war so, als hätte der Regisseur nach Abschluss des Films noch eine Liste von Dingen gehabt, die er unbedingt unterbringen wollte, wie aber in den Spannungsbogen nicht reingepasst hatten und nachträglich abgehakt wurden.
  Gibt es über den Film auch etwas Positives zu sagen? Nun ja, einige der Szenen waren für sich genommen durchaus gut, was Optik und Action betrifft; auch das eigentliche Finale war in dieser Hinsicht interessant gestaltet.
  Aber insgesamt war Casino Royale das schlechteste A-Picture, das ich seit zehn Jahren und mehr gesehen habe. Und beim Schreiben dieses Fazits habe ich jetzt kurz innegehalten und an Matrix 2 gedacht; aber auch diesen Vergleich hat Casino Royale binnen Sekunden durch KO verloren, weil ich Matrix 2 trotz allem mehr als einmal gesehen habe. Was mir beim neuen Bond gewiss nicht passieren wird.

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