Samstag, 30. Dezember 2006

Gottvaters Bettgeschichten

Kürzlich las ich in der Zeitung vom „Gottvater des Internets“. Gottvater ist schon ein merkwürdig sperriger Begriff, trotzdem liest man ihn in letzter Zeit immer häufiger, wenn von einer grauen Eminenz, dem Begründer einer Sache oder einer ähnlich einflussreichen Person die Rede ist. Und es hat eine ganze Weile gedauert, bis ich endlich erkannt habe, wie ein so blödsinniger Ausdruck in der deutschen Sprache überleben kann: Es ist natürlich wieder ein Anglizismus!
  Denn im Englischen gibt es den Begriff „godfather“, den ich auch schon oft genug übersetzt habe, ohne mir darüber Gedanken zu machen. Und zwar als „Pate“. Aber offenbar gibt es viele Übersetzer, die sich sogar noch weniger Gedanken machen und einfach wörtlich übersetzen. Oder Journalisten, die überhaupt nicht übersetzen, sondern nur ohne nachdenken irgendwas schreiben – und dabei gerne auch auf „False Friends“ hereinfallen. Anglizismen sind also eine Sache. Aber Anglizismen, die noch dazu auf falsch übersetzten englischen Begriffen beruhen, sind nun wirklich das Letzte ...


Tatsächlich das Letzte, was ich zu diesem Thema gelesen habe, fand ich allerdings in einer Rezension zu dem Kinofilm „Das Mädchen aus dem Wasser“. Sie kennen diesen Film? Darin geht es nämlich um eine „Bettgeschichte“ ...
  Hm, Bettgeschichte? Diese Rezension im Kopfe habe ich eiligst die nächste Vorführung besucht und erwartete heiße Bettszenen – oder, anglizistischer ausgedrückt, Sexszenen. Leider wurde ich enttäuscht, denn ich war wieder auf eine schlechte Übersetzung hereingefallen. War nichts mit „Bettgeschichten“ - tatsächlich hatte der Rezensent sich nur an der „bed time story“ eines englischen Vorbilds orientiert. Und „bed time stories“ sind „Gutenachtgeschichten“, während man unter „Bettgeschichten“ im Deutschen etwas deutlich anderes versteht.


Und dem nächsten Rezensenten oder sonstwie fungierendem Übersetzer oder Journalisten, der mich auf diese Art zu täuschen wagt, schicke ich den örtlichen Mafia-Gottvater auf den Hals. Jawoll!

Montag, 25. Dezember 2006

Ein gentechnisch erzeugtes Vakuum

Grüne Gentechnik ist ja heftig umstritten: Die Industrie preist die Vorzüge an und spielt die Risiken herunter, während die Ökos schon die furchtbarsten Krankheiten an die Wand malen, wenn man nur mal Milch von einer Kuh trinkt, die irgendwann mal einen Löffel Genmais abbekommen hat.
  Vor kurzem aber las ich einen Artikel zur grünen Gentechnik, der mich zum ersten Mal zum Nachdenken brachte: Darin nämlich pries ein Biologe es als Vorteil der Gentechnik an, dass man damit auch allergenfreie Lebensmittel für Nahrungsmittelallergiker züchten kann. Nun, ich bin gegen diverse Nahrungsmittel allergisch und habe mich schon seit zehn Jahren nicht mehr getraut, einen frischen Apfel anzurühren. Insofern trifft mich das Argument natürlich besonders. Aber was mich eigentlich stutzig gemacht hat: Ich habe dieses Argument in der x-jährigen Diskussion über grüne Gentechnik vorher noch nicht ein einziges Mal gehört!
  Und als ich so am Nachdenken war, fiel mir zum ersten Mal richtig auf, warum die Diskussion über Grüne Gentechnik so einseitig und wenig überzeugend abläuft, wie sie in den letzten Jahren abgelaufen ist: Denn genau genommen habe ich noch nie, in all den Jahren nicht ein einziges Mal einen Vorteil von Genfood gehört, den ich als Verbraucher daraus ziehen könnte. Von Hungersnöten in Afrika war die Rede (wo man sich die patentierten Genprodukte ohnehin nicht leisten kann), von Vorteilen für die Bauern beim Spritzen und bei der allgemeinen Schadstoffresistenz; davon, dass man Nahrungsmittel, die ich ohnehin schon kaufen kann, auch anderswo anbauen kann, oder billiger. Nichts davon ist mir das Risiko eines unerwarteten allergischen Schocks durch „springende Gene“ wert. Nichts davon ist mir als Kunde der Nahrungsmittelindustrie irgendetwas wert – und deshalb war ich auch immer kompromisslos gegen gentechnisch veränderte Nahrung.
  Weil nämlich, egal wie gering das Risiko sein mag, diesem Risiko niemals ein auch noch so geringer Vorteil für mich gegenübergestellt wurde.


Und ich denke, genau da liegt der zentrale Mangel der „Grünen Gene“: Die Industrie für Agrartechnik hat zwar daran gedacht, was sie selbst von ihren Entwicklungen hat; und der Bauer, dem sie ihr Saatgut verkaufen will – sie hat aber den Endkunden vergessen. Und deshalb kann sie in der aktuellen Diskussion keinen Vorteil nennen, der den Endverbraucher von ihren Produkten überzeugen könnte. Und genau daher rührt die Feindseligkeit für Genfood.
  Und weil die Industrie den Endverbraucher schlichtweg vergessen und ihm nichts zu sagen hat, diskutiert sie über das Für und Wider genveränderter Nahrungsmittel nur noch mit den Ökos. Die aber haben, ehrlich gesagt, auch nichts zu sagen, was den Normalbürger interessieren würde. Aber durch das vollständige Versagen der Genindustrie erreichen sie trotzdem ihr Ziel: Denn die Industrie hat den Argumenten der Ökos selbst nur negative Botschaften entgegenzusetzen, in der Art von: „Gentechnik ist doch gar nicht so gefährlich“ - soll das etwa jemanden überzeugen?
  Und so dominieren derzeit die Anti-Genpositionen den Meinungsmarkt; allein deshalb, weil die Defensive immer eine schwache Position ist. Dementsprechend ist die derzeitige Genfeindlichkeit auch keine echte gesellschaftliche Position, sondern nur Füllmaterial eines Meinungsvakuums, das die Industrie selbst hat entstehen lassen.
  Diesen Zustand zu beenden, hat die Nahrungsmittelindustrie ebenfalls selbst in der Hand. Sobald die Entwickler und Meinungsmacher in den Konzernen mal nicht nur an ihr Produkt und ihren Geldbeutel denken, sondern auch an den Kunden, der ihn füllen soll, können sie jederzeit einen Stimmungswechsel bewirken. Sobald nämlich die Genindustrie ein Produkt an den Markt bringt, mit dem sie dem Verbraucher einen konkreten Vorteil suggerieren kann, werden die so angesprochenen Zielgruppen auch kaufen. Das allerdings muss schon mehr sein als »genauso gut wie Nicht-Gen-Mais«. Denn, mal ehrlich: Wie unnütz muss ein Produkt sein, wenn dem Hersteller nicht mehr dazu einfällt?
  Also: Die derzeitige Gendiskussion geht am Verbraucher völlig vorbei. Soll die Industrie ihn doch erst mal auf den Tisch legen, den allergenfreien Apfel für Apfel-Allergiker. Dann, aber erst dann, wäre ich bereit, mir die Argumente der Genindustrie auch nur anzuhören. Wer sein Geld ohne die Kunden verdienen will, hat am Markt ohnehin nichts verloren und darf sich auch nicht über das feindselige Klima wundern, das ihm entgegenschlägt.

Montag, 18. Dezember 2006

Versandhandel taugt nichts ...

Tag für Tag kriege ich Unmengen von Katalogen zugeschickt, und irgendwann wird man eben doch mürbe. Also beschloss ich letztens, den Versuch zu wagen und mal eine Bestellung aufzugeben. Um es vorwegzunehmen: Eine Katastrophe!
  Das Ganze fing schon mit dem Angebot an, das völlig unzumutbar war. Beispielsweise wurde in einem Teil des Kataloges geschmackvolle Wohnungseinrichtung vorgestellt. Auf einem Bild konnte man einen Teppich bewundern, der eigentlich recht ansprechend aussah - leider saß dort ganz ungeniert ein Hund darauf! Kümmern sich diese Versandläden denn überhaupt nicht um ihre Ware? Für mich als Allergiker ist dieser Teppich, wenn schon der Hund darauf saß, verdorben und nicht mehr zu kaufen. Ganz ähnlich sah es dann mit der Couch aus, wo sich ein Typ mit bloßen Füßen drauf flegelte. Ganz ehrlich: Wer will sich dieses Möbelstück noch ins eigene Wohnzimmer holen?
  Na ja, nach einigem Stöbern fand ich schließlich doch noch etwas, was mich interessierte: formschöne Unterwäsche. Aber auch hier zeigte der Versandhandel seine Tücken: Während im Laden die Unterwäsche schön hygienisch in Paketen und Folien verpackt ist, wurden die im Katalog angebotenen Stücke allesamt von Models am bloßen Körper getragen.
  Nun, ich wollte ja nicht so pingelig sein, und die Unterwäsche-Models wirkten ja auch recht sauber und gepflegt. Also war ich geneigt, mal Fünfe gerade sein zu lassen und die Wäsche trotzdem zu bestellen - allerdings rief ich vorher beim Servicetelefon des Anbieters an und fragte nach, ob da vielleicht ein Rabatt auf den Katalogpreis drin ist. Immerhin war die Wäsche ja gebraucht - leugnen zwecklos, wo es doch auf den Fotos im Katalog so deutlich zu sehen war.
  Und was bekam ich als Ausrede zu hören? Die verkaufte Ware ist überhaupt nicht mit der im Katalog identisch! Und das erzählt mir die Verkäuferin mit der größten Selbstverständlichkeit, als wäre es auch noch ein besonderer Vorzug. Von wegen! Das ist der pure Nepp!
  Wenn ich in den Laden gehe und eine Ware sehe, kann ich sie in den Wagen legen - und die Ware, die ich sehe, ist auch die, die ich kaufe. Man stelle sich nur mal vor, in einem normalen Geschäft will der Verkäufer einem die Ware nicht zeigen, sondern stellt etwas ganz anderes aus - und versichert einem dann nur, dass die später gekaufte Ware genauso aussieht wie die ausgestellte, "ganz ehrlich!" ...
  Ich denke jeder wüsste, was er von so einem Laden zu halten hätte.


Also, bleibt mir weg mit dem Versandhandel. Da muss sich erst noch so einiges ändern.

Mittwoch, 6. Dezember 2006

Viel Rauch und keine Feuer

Was habe ich mich gefreut, als endlich zum Jahreswechsel das Rauchverbot in Gaststätten durchgesetzt werden sollte – und schon Tage später war das Gesetz wieder vom Tisch, unter dem Vorwand verfassungsrechtlicher Bedenken. Und damit war auch offensichtlich, dass seitens der Regierung schlichtweg der politische Wille fehlt, ein solches Gesetz zu verabschieden. Alle Aktivitäten dienten nur dem Zweck, einen entsprechenden fraktionenübergreifenden Vorstoß im Bundestag auszuhebeln. Schade.
  Ich würde mir jetzt wünschen, dass die Mehrheit im Bundestag, die für ein Rauchverbot ist, sich auf diese Verzögerungstaktik nicht weiter einlässt, sondern ihren eigenen Gesetzesvorstoß weiter verfolgt. Ich möchte wetten, wenn eine solche Initiative zur Abstimmung ansteht, und dann auch noch härter ist als das ursprünglich geplante Gesetz (indem man nämlich die Ausnahmen weglässt, die ja überhaupt nur das einzige waren, was mit dem Grundgesetz in Konflikt stehen könnte), dann würden sich Regierung und Zigarettenlobby schnell einig werden.
  Jedenfalls ist nicht einzusehen, warum die Nichtraucher jetzt gar keinen Schutz erhalten sollen, nur weil es verfassungsrechtlich bedenklich ist, wenn man sie nicht vollständig schützt.


Im Grunde würde es mir auch reichen, wenn die Bundesländer einen „Flickenteppich“ hinterlassen und man sich später um die Bereinigung kümmert. Oder gar nicht, solange ich nur in NRW und Bayern rauchfrei auswärts essen kann.
  Ich hoffe nur, dass nicht die derzeitige freiwillige Regelung als Grundlage für den späteren Kompromiss dient. Denn dort gibt es ja noch eine Ausnahme vom Rauchverbot, wenn die Lokalität eine gewisse Größe unterschreitet: Bei Läden unter einer bestimmten Quadratmeterzahl gilt eine Trennung in Raucher- und Nichtraucherbereiche als grundsätzlich nicht praktikabel. Das mag ja sein - aber warum muss die Konsequenz daraus eine grundsätzliche Rauchfreigabe sein?
  Denn ein "im Zweifel für die Raucher" impliziert eine Förderung derjenigen, die sich asozial und gesundheitsschädlich verhalten. Es wird also das Rauchen zur Norm erklärt, und das widerspricht sich mit dem angeblichen politischen Willen zum Kampf gegen das Rauchen. Logischer wäre jedenfalls, wenn man ein generelles Rauchverbot vorschreibt, sobald eine Trennung nicht praktikabel ist.


Und vor allem hoffe ich, dass es bald geschieht – egal wie. Wenn nicht bis zur nächsten Wahl, dann würde ich gerne die Partei wählen, die mir kompromisslos ein Rauchverbot in Aussicht stellt, und zwar egal welche Partei das ist. Denn ich bin nach dem letzten Hin und Her wirklich sauer und es schlichtweg Leid, dass ich in der Eisdiele jederzeit damit rechnen muss, dass irgendwer neben mir die Kippe auspackt und mir das Essen verdirbt, auch wenn er sich erst später in die von mir extra wegen Rauchfreiheit ausgesuchte Ecke gesetzt hat.
  Es ist schon lustig, dass der Staat es zwar zum Jahreswechsel geschafft hat, sich mit zahlreichen zweifelhaften Steuergesetzänderungen zu bereichern (in denen sich, nebenbei bemerkt, auch so mancher verfassungsrechtlicher Zündstoff verbirgt), dass aber ein Gesetz für die Bürger mal wieder auf der Strecke bleibt.

Freitag, 1. Dezember 2006

korrekte Stilblüten

Kaum etwas stört mehr, als wenn idiomatische Wendungen in einer Übersetzung wörtlich übertragen werden. Genau genommen ist das der häufigste Fehler, der heutzutage in schlampigen Übersetzungen vorkommt und einem beim Lesen die Haare zu Berge stehen lässt.
  Gemeint sind damit Fälle wie »Es regnete Katzen und Hunde« - im Englischen ein gängiger Ausdruck, im Deutschen eine Stilblüte, denn hier heißt es »Es schüttete wie aus Eimern«, »regnete Bindfäden« oder was der deutschen Redewendungen mehr sind. Die »Katzen und Hunde« sind das klassische Beispiel und die übliche Warnung für angehende Übersetzer – aber in der Praxis ist jeder Text durchsetzt von solchen Stolperfallen, die oft viel schwerer zu entdecken sind. Und wenn der Übersetzer da leichtfertig Wort für Wort überträgt, ist der Text nicht mehr Deutsch, sondern eben nur eine Übersetzung. Eine schlechte.
   Ursache für solche Mängel sind neben gewöhnlicher Schlampigkeit meist fehlende Deutschkenntnisse des Übersetzers: Denn um ein Gespür für falsch übertragene bildhafte Redewendungen zu entwickeln, muss man sie zunächst erst mal erkennen – und dann wissen, wie es im Deutschen »richtig heißt«. Deshalb habe ich als Lektor bei Übersetzungen immer besonders auf diesen Punkt geachtet, und auch als Übersetzer gebe ich mir große Mühe, nicht in diese Fettnäpfchen zu treten.


Umso peinlicher, wenn gerade die Vermeidung des Fettnäpfchens in ein noch viel größeres führt. So wäre es mir um ein Haar bei dem Text ergangen, mit dem ich gerade beschäftigt bin.
  Da stieß ich nämlich auf die Wendung »grinding his teeth in frustration«. Na ja, dachte ich mir – ist doch ein typisches Beispiel für eine idiomatische Wendung. Also klappte in meinem Geist gleich das Fenster mit gängigen, nichtwörtlichen Übertragungen auf und bot mir die Möglichkeiten »Däumchen zu drehen« oder »frustriert auf den Nägeln kauen«. Als ich sie hinschreiben wollte, stutzte ich allerdings ... denn die Figur des Romans, um die es hier ging, hatte nur einen Arm, und der war auch noch gebrochen und bandagiert.
  Und damit hätte ich gerade bei korrekter Übertragung der Redewendung eine wirklich fette Stilblüte im Deutschen gehabt, die deutlich lachhafter wirkt als eine wörtliche Übersetzung.