Sonntag, 28. Mai 2006

The worst Cliffhanger ever ...

Gestern Nacht hatte ich einen Traum. Ich gehörte zu einer Gruppe Personen, die mit einer anderen Gruppe einen Wettkampf austrug, und das Ganze spielte in einem Fantasy-Setting. Durch irgendwelche unfairen Machenschaften bekamen wir Gelegenheit, der anderen Gruppe schon vorneweg bei der Lösung der letzten Aufgabe zuzusehen. Wir versammelten uns also vor der Kristallkugel (oder was auch immer), und ich sah folgendes:
  Unsere Kontrahenten hatten eine Festung zu bewachen. Das letzte verbliebene Mitglied dieser Gruppe saß auf einer Bank vor einem hohen Palisadenwall, unmittelbar neben dem Tor. Die Sonne stand hoch am Himmel und brannte grell in einen leeren Innenhof hinab. Es war staubig und wirkte einsam – kein Wunder, wo dieses Fort doch nur einen einzigen Verteidiger hatte.
  Plötzlich veränderte sich kaum merklich etwas an der Szenerie. Man mochte erahnen, dass die obersten Spitzen der Palisaden erzitterten, wie bei einem leichten Erdbeben. Die Erschütterungen mussten erheblich sein, und doch schnarchte die einsame Wache auf ihrer Bank ungerührt weiter.
  Mit einem Mal flog das Tor neben ihr auf. Der schwere Riegel zerbarst, der eine Flügel des Tores schwang auf die Bank und die nun nicht mehr schlafende Wache zu. Man sah noch, wie der Krieger hochschreckte und nach den Waffen tastete. Er sah ebenso erschrocken wie hilflos aus – doch dann verdeckte der Torflügel aus massiven Holzbohlen seine Gestalt. Zum Glück bildete das Tor einen kleinen Vorbau, so dass die Wache in einer geschützten Nische saß und man nicht befürchten musste, dass sie von dem Tor zerschmettert wurde, als es nun schwer in die Palisaden krachte.
  Durch das Tor schob sich ein gewaltiger Drache, der sich mit einem einzigen Hieb seiner massigen Pranken Zugang verschafft hatte. Sein Leib war lang gezogen, und die Schuppen schillerten grünlich im Sonnenlicht. Lange Schnurrhaare, die vielleicht auch Fühler sein mochten, hingen ihm unter den mächtigen Fangzähnen von den Lefzen herab.
  Der Drache blickte sich um, doch die Wache, die immer noch hinter dem Tor verborgen stand, konnte er nicht sehen. Sein eigenes Ungestüm hatte dem Gegner Deckung verschafft. Er richtete die großen, gelben Augen wieder auf die Mitte des Hofes, während hinter ihm, vom eigenen Schwung getragen, der Torflügel allmählich wieder zuschwang und jeden Augenblick den einsamen Krieger schutzlos im Rücken des Ungeheuers entblößen musste.
  Mit schlangenhafter Eleganz bewegte der Drache sich weiter in die Festung. Er hob witternd den Kopf. Hinter ihm konnte man inzwischen den Krieger wieder erkennen. Diesem waren beim Anblick des ungeheuerlichen Tieres sichtlich die Knie weich geworden. Er hatte nach dem Schwert gegriffen, doch nun hing die Klinge kraftlos in seinen Armen herab.
  Hektisch suchte er nach einem Ausweg. Sein Blick flog zur Kante des Torflügels, der nun noch halb offen stand, und er schien abzuwägen, ob er sich wohl hinter dem Drachen her und an seinem Schwanz vorbei nach draußen schleichen konnte.
  Da blähten sich die Nüstern des Ungeheuers, das Wittern wurde lauter und sein Schnurrbart (oder die Fühler) zuckte heftig. Er richtete sich auf, bis seine Stirn die Palisaden um mehr als das Doppelte überragte. In derselben, geschmeidigen Bewegung wandte er sich dem einsamen Verteidiger der Festung zu und ragte hoch über ihm auf.
  Geifer tropfte von seinen Lefzen, die sich emporhoben und Reihen scharfer Zähne entblößten. Sein Oberkörper, der ansatzlos in Hals und Kopf überging, schwang ein wenig zurück, als würde er zum Zustoßen ausholen.
  Der Krieger fasste in verzweifeltem Mut das Schwert fester und suchte so gut wie möglich den schwingenden Torflügel als Flankendeckung zu nutzen.
  Eine Anmutung explosiver Bewegung; der entscheidende Kampf nahm seinen Anfang ...


Piep-Piep-Piep ...


Der Wecker klingelte. Ich glaube, ich bin noch nie mit einem solchen Cliffhanger aus einem Traum gescheucht worden.

Mittwoch, 24. Mai 2006

Das Anti-Methusalemkomkplott

Jüngst habe ich »Eine Trillion Euro« gelesen, eine Anthologie mit Science-Fiction-Geschichten. In manchen diesen Erzählungen ging es auch um (künftige) Möglichkeiten, das Leben zu verlängern und bis ins hohe Alter jung zu bleiben.
  Da es ja nun eine heilige Pflicht der Literatur ist, möglichst überall Probleme zu sehen, wurde auch bei diesem Thema gebührend alles aufgelistet, was da so schief laufen kann: Hundertjährige, die noch fit wie fünfzig sind, aber sich trotzdem nicht mehr aus ihrer Seniorenresidenz hervorwagen und den ganzen Tag lang im Erinnerungs-Stimulator immer dieselben Erlebnisse ihrer Jugend wiederholen; und die Kinder der »jungen Alten«, wie sie grollend darauf warten, dass die Eltern endlich abtreten und ihnen Platz machen ... sprich: Es wurden sämtliche längst überholten Klischees der »Altersprobleme« neu durchgehechelt.
  Von der SF würde ich eigentlich eine andere Perspektive erwarten, nämlich visionär und zumindest auf dem neuesten Stand, nicht nur eine Wiederholung der Bedenken des letzten Jahrhunderts.


Denn würde ein fitter Hundertjähriger tatsächlich nur noch in Nostalgie schwelgen und nicht mehr am Leben teilhaben? Ein solches Verhalten ist wohl kaum eine unausweichliche Folge des Alterns, sondern eher von körperlichem und geistigem Zerfall. Ein alter Mensch zieht sich von der Welt zurück, wenn er das Gefühl hat, nicht mehr mithalten zu können. Man flieht sich in Erinnerungen, wenn die körperlichen und geistigen Fähigkeiten dafür sorgen, dass man an den Geschehnissen der Gegenwart nicht mehr teilhaben kann – eine eingeschränkte geistige Regsamkeit ist also ein gesundheitliches Problem, und keinesfalls eine selbstverständliche Geisteshaltung alter Menschen.
  Meine These lautet also: Wenn ein 100-Jähriger so fit ist wie ein 50-Jähriger, dann wird er sich auch wie ein 50-Jähriger verhalten. Wenn in irgendeiner fernen Zukunft nicht nur die Lebenserwartung der Menschen steigt, sondern auch ihre körperliche Gesundheit, dann wird das Verhalten und das Denken dieser Menschen den neuen körperlichen Möglichkeiten auch folgen – eine »Vergreisung« kommt als eigenständiges Problem überhaupt nicht vor.
  Das ist nicht nur eine Vermutung von mir, sondern tatsächlich deuten alle aktuellen Untersuchungen zum Thema in genau diese Richtung. Wer aufmerksam Zeitung liest, wird regelmäßig auch Studien zu den »neuen Alten« finden und feststellen, dass die Realität schon längst die klassischen Vorstellungen vom Alter überholt hat: Die neue »Großeltern«-Generation wird nicht nur älter als die Generationen davor, und das bei besserer Gesundheit, sondern sie verhält sich auch anders: Sie nimmt am gesellschaftlichen Leben teil, verhält sich im Rahmen der gesundheitlichen Möglichkeiten aktiv und fächert sich in eine Vielfalt unterschiedlicher Lebensstile auf, die jedem Alters-Klischee Hohn sprechen.
  Natürlich gibt es sie noch, die »typischen Alten«; und natürlich kommt es oft genug vor, dass die gesteigerte Lebenserwartung unserer Zeit auch eine Phase körperlicher und geistiger Gebrechlichkeit verlängert. Aber alles deutet darauf hin, dass das kein Problem des Alters, der hohen Lebenserwartung und der Psychologie ist, sondern einzig und allein der Gesundheit. Soweit man die medizinischen Probleme in den Griff kriegt, wird auch das Alter an sich nicht zu einem pathologischen Zustand.


Auch was die Probleme des Generationenwechsels betrifft, ist unsere Gesellschaft heute schon weiter, als das Klischee wahrhaben möchte. Tatsächlich haben sich die Strukturen schon an die veränderte Lebenserwartung angepasst.
  Nicht umsonst ist es heute nur noch selten so, dass die Kinder beruflich in die Fußstapfen ihrer Eltern treten. Während früher die Mittel zur Berufsausübung meist in der Familie lagen und es sinnvoll war, diese Mittel über eine familiäre Kontinuität abzusichern, gehen doch heute die meisten Individuen ihren eigenen Lebensweg und suchen sich Aufgaben, die nicht in Konkurrenz zu den älteren Generationen der Familie stehen. Sicher mag es noch irgendwelche Kinder geben, die nur darauf warten, dass sie endlich die Firma der Eltern erben können – aber eine solche Haltung muss man wohl doch eher als Aberration denn als den gesellschaftlichen Normalfall ansehen.
  Ich würde also nicht mehr erwarten, dass die jüngeren Generationen sich durch eine längere Lebenserwartung der Älteren unter Druck gesetzt fühlt. Die persönlichen Beziehungen zwischen den Generationen wurden auf breiter Basis des Wettbewerbs entkleidet, und man strebt weniger nach »Nachfolge« denn nach einer möglichst langen Beibehaltung des Ist-Zustandes: Man hat sich an die Vorstellung gewöhnt, dass die älteren Generationen möglichst lange da sind und bei guter Gesundheit, und jede Veränderung dieses Zustandes wird eher als Bedrohung empfunden.
  Auch in dieser Hinsicht ist unsere Gesellschaft also schon sehr viel besser an die veränderten Lebensverhältnisse angepasst, als mancher Geschichtenerzähler wahrhaben möchte. Und es zeigt sich, dass die meisten Anpassungen an veränderte Rahmenbedingungen ganz automatisch und unmerklich vonstatten gehen und man sich oft zu viele Gedanken macht über Probleme, die niemals auftreten werden.


Wenn ich also die genannten Geschichten und auch andere Veröffentlichungen zur Altersfrage verfolge, habe ich nicht so sehr das Gefühl, dass es tatsächlich ein Problem mit der gestiegenen Lebenserwartung unserer Gesellschaft gibt. Ich habe vielmehr das Problem, dass es konservative Personen der mittleren Alterslage gibt, die gerne ein Problem konstruieren wollen. Die in erster Linie zurückblicken und sich ihr Bild vom »Alter« aus der Vergangenheit holen und es dann in die Zukunft projizieren, ohne die notwendigen Veränderungen zu berücksichtigen.
  Ich gewinne also den Eindruck, dass zunehmend ein »Anti-Methusalem-Komplott« stattfindet, indem aus einem traditionalistischen »Altersbild«, verbunden mit einem idealisierten Jugendideal, ein Bedrohungszenario gezeichnet wird. Es wird ein Bild von »alten Menschen« gezeichnet, das man verteufeln kann – was natürlich umso leichter geht, wenn man die tatsächlichen Alten nicht mehr anschauen muss.
  Das ist schade, denn es lenkt doch die Aufmerksamkeit ab und verhindert eine konstruktive Steuerung des gesellschaftlichen Wandels, die den Realitäten Rechnung trägt. Und es vernebelt den Blick auf den einzigen greifbaren, materiellen Kern der Altersproblematik, die sich im Grunde auf die rein gesundheitlich-medizinische Komponente reduzieren ließe. Und das legt den Schluss nahe, dass die Diskussion der Altersfrage derzeit eher als Nebenschauplatz einer neoliberalen Gesundheits-Spardebatte geführt wird – und dass auch die Literaten sich von dieser Perspektive leicht einnebeln lassen.

Montag, 22. Mai 2006

Gestrandet

un bin ich aus Wangerooge zurück. Was die Urlaubsseite betrifft, so hätte es kaum besser sein können: Zweieinhalb Wochen Sonnenschein, und selbst in den letzten Tagen hat es meist nur nachts geregnet. So viel zur Haben-Seite dieses Nordseeaufenthalts.
  Der Soll liegt eindeutig im technischen Bereich.


Über die Probleme bei den Internet-Cafes habe ich ja schon berichtet: keine Möglichkeit, eine externe Tastatur und damit meinen Alphasmart anzuschließen, keine Möglichkeit, eine CF-Karte oder sonst ein externes Medium einzulesen. Damit war es mir einerseits nicht möglich, mein Blog zu pflegen, weil ich die vorbereiteten Texte nicht von meinen Geräten ins Internet überspielen konnte. Aber schlimmer noch: Es war mir überhaupt nicht möglich, irgendwelche erstellten und bearbeiteten Texte zwecks Sicherheitskopie ins Netz zu schicken.
  Aber auch ansonsten war die Netzanbindung auf der Insel be...scheiden. Bei jeder neuen Seite haben die Computer erst mal eine halbe Minute Kaffeepause eingelegt, und sich dabei oft genug wegen Zeitüberschreitung selbst aus der Verbindung katapultiert. Sehr ärgerlich, wenn man im Internetcafe für jede Minute zahlt und dann künstlich ausgebremst wird.
  Normalerweise begegne ich schlechten Übertragungszeiten, indem ich mehrere Fenster gleichzeitig öffne und in dem einen lese, während im nächsten schon die neue Seite geladen wird. Aber auch diese Multitasking-Fähigkeit war in sämtlichen Inselnet-Cafes geblockt. Und begründet waren all diese Einschränkungen mit »Virenschutz«.
  Was natürlich Blödsinn ist: Die Virenschutz-Mechanismen, die vor Bedrohungen aus dem Internet schützen, können in gleichem Maße auch externe Datenträger beobachten. Wenn also ein Schutz vorhanden ist, kann man dem Kunden auch eine vernünftige Funktionalität zur Verfügung stellen; wenn der Schutz dafür nicht ausreichend eingerichtet ist, müsste man eigentlich auch den Zugang zum Internet versperren, um tatsächlich für »Virenschutz« zu sorgen.
  Ich persönlich habe zu meiner Zeit als Programmierer noch gelernt, dass man technische Probleme möglichst nicht an den Anwender weiterleiten soll, sondern vorher auffangen. Das geschieht auf Wangerooge deutlich nicht. Entweder ist das ein bewusstes und kundenunfreundliches Ausbremsen – oder aber sämtliche Websysteme auf der Insel werden von irgendeinem Hobby-Frickler mit nur mäßigen EDV-Kenntnissen betreut, der es einfach nicht besser hinkriegt. Da alle öffentlich zugänglichen Systeme auf der Insel die gleichen Macken und auch z.T. sehr exotische Einrichtungsmerkmale hatten, die sich zufällig m.E. nach nicht zweimal entwickeln können, ist letztere Variante durchaus nicht unwahrscheinlich.


Nun ja, aber danach habe ich mich selbst noch zusätzlich ausgebremst. Ich bin nämlich keinesfalls so schlecht vorbereitet, dass ich mich von solchen Fährnissen nicht unabhängig machen könnte. So habe ich beispielsweise die Möglichkeit, über meinen Pocket PC und Handy aufs Internet zuzugreifen. Das ist zwar langsam und nicht gerade preisbewusst, aber um Mails abzurufen und Texte sicherheitszukopieren reicht diese Verbindung. Ich habe schon oft darauf zurückgegriffen, wenn ich auf Reisen mit der örtlichen Infrastruktur nicht zufrieden war.
  Auf Wangerooge bekam ich aber nach wenigen Sekunden immer die Meldung: Verbindung getrennt.
  Es dauerte eine Weile, bis ich den Grund dafür herausfand: Der Provider, den ich bisher immer benutzt habe, hat vor zwei Monaten unbemerkt seine Zugangsnummer geändert. Und als ich mit einiger Mühe die neue Nummer herausgefunden hatte, kam ich auch nicht weiter; denn diese neue Nummer unterstützt nicht mehr den Zugang über Mobilnetz. Ein Problem, das ich kurzfristig nicht lösen konnte ...
  Der letzte Schlag schaltete dann auch noch meinen letzten Workaround aus: Ich arbeite nicht am Computer, wenn ich keine Backups machen kann. Nach meiner Trennung vom Netz blieb mir allerdings immer noch die Möglichkeit, Backups vom Pocket-PC auf mehreren CF-Cards zu machen. Ich packte den Alphasmart also beiseite und setzte mich zum Tippen an den Pocket-PC ... Und stellte fest, dass ich tippen konnte, was ich wollte: Auf dem Bildschirm kam nichts an!
  Dazu muss man wissen, dass der Pocket-PC nur eine sehr kleine Tastatur hat, die man blind nicht benutzen kann. Allerdings habe ich noch eine externe Tastatur, die immer noch sehr klein ist, aber durchaus 10-Finger-fähig. Aber für diese Tastatur waren keine Treiber mehr installiert ...
  Ich konnte es nicht fassen. Erst im letzten Jahr habe ich in Spanien den Pocket-PC mitsamt externer Tastatur rege genutzt, und seitdem bewusst nichts mehr geändert. Aber offenbar hatte ich zwischendurch einen System-Reset durchführen müssen, und die Backup-Dateien hatten ein System ohne Tastatur-Treiber gespiegelt. Das wäre an sich nicht so schlimm gewesen, denn die Tastaturtreiber lassen sich schnell aus dem Internet herunterladen – aber zum Datenaustausch zwischen Internet und meinen Geräten auf Wangerooge: Siehe oben!


Und das war es dann. Keine Möglichkeiten, während dieses Nordsee-Aufenthaltes irgendwas vernünftig zu tippen & zu sichern. Damit konnte ich alles streichen, was ich am Computer machen wollte; auch die Blogeinträge, die ich zumindest vortippen und dann rasch aufspielen wollte, sind spärlicher ausgefallen als geplant.
  Und so kam es, dass ich zwar einen schönen Urlaub hatte, in technischer Hinsicht aber tatsächlich auf einer einsamen Insel gestrandet bin.