Unsere Kontrahenten hatten eine Festung zu bewachen. Das letzte verbliebene Mitglied dieser Gruppe saß auf einer Bank vor einem hohen Palisadenwall, unmittelbar neben dem Tor. Die Sonne stand hoch am Himmel und brannte grell in einen leeren Innenhof hinab. Es war staubig und wirkte einsam – kein Wunder, wo dieses Fort doch nur einen einzigen Verteidiger hatte.
Plötzlich veränderte sich kaum merklich etwas an der Szenerie. Man mochte erahnen, dass die obersten Spitzen der Palisaden erzitterten, wie bei einem leichten Erdbeben. Die Erschütterungen mussten erheblich sein, und doch schnarchte die einsame Wache auf ihrer Bank ungerührt weiter.
Mit einem Mal flog das Tor neben ihr auf. Der schwere Riegel zerbarst, der eine Flügel des Tores schwang auf die Bank und die nun nicht mehr schlafende Wache zu. Man sah noch, wie der Krieger hochschreckte und nach den Waffen tastete. Er sah ebenso erschrocken wie hilflos aus – doch dann verdeckte der Torflügel aus massiven Holzbohlen seine Gestalt. Zum Glück bildete das Tor einen kleinen Vorbau, so dass die Wache in einer geschützten Nische saß und man nicht befürchten musste, dass sie von dem Tor zerschmettert wurde, als es nun schwer in die Palisaden krachte.
Durch das Tor schob sich ein gewaltiger Drache, der sich mit einem einzigen Hieb seiner massigen Pranken Zugang verschafft hatte. Sein Leib war lang gezogen, und die Schuppen schillerten grünlich im Sonnenlicht. Lange Schnurrhaare, die vielleicht auch Fühler sein mochten, hingen ihm unter den mächtigen Fangzähnen von den Lefzen herab.
Der Drache blickte sich um, doch die Wache, die immer noch hinter dem Tor verborgen stand, konnte er nicht sehen. Sein eigenes Ungestüm hatte dem Gegner Deckung verschafft. Er richtete die großen, gelben Augen wieder auf die Mitte des Hofes, während hinter ihm, vom eigenen Schwung getragen, der Torflügel allmählich wieder zuschwang und jeden Augenblick den einsamen Krieger schutzlos im Rücken des Ungeheuers entblößen musste.
Mit schlangenhafter Eleganz bewegte der Drache sich weiter in die Festung. Er hob witternd den Kopf. Hinter ihm konnte man inzwischen den Krieger wieder erkennen. Diesem waren beim Anblick des ungeheuerlichen Tieres sichtlich die Knie weich geworden. Er hatte nach dem Schwert gegriffen, doch nun hing die Klinge kraftlos in seinen Armen herab.
Hektisch suchte er nach einem Ausweg. Sein Blick flog zur Kante des Torflügels, der nun noch halb offen stand, und er schien abzuwägen, ob er sich wohl hinter dem Drachen her und an seinem Schwanz vorbei nach draußen schleichen konnte.
Da blähten sich die Nüstern des Ungeheuers, das Wittern wurde lauter und sein Schnurrbart (oder die Fühler) zuckte heftig. Er richtete sich auf, bis seine Stirn die Palisaden um mehr als das Doppelte überragte. In derselben, geschmeidigen Bewegung wandte er sich dem einsamen Verteidiger der Festung zu und ragte hoch über ihm auf.
Geifer tropfte von seinen Lefzen, die sich emporhoben und Reihen scharfer Zähne entblößten. Sein Oberkörper, der ansatzlos in Hals und Kopf überging, schwang ein wenig zurück, als würde er zum Zustoßen ausholen.
Der Krieger fasste in verzweifeltem Mut das Schwert fester und suchte so gut wie möglich den schwingenden Torflügel als Flankendeckung zu nutzen.
Eine Anmutung explosiver Bewegung; der entscheidende Kampf nahm seinen Anfang ...
Piep-Piep-Piep ...
Der Wecker klingelte. Ich glaube, ich bin noch nie mit einem solchen Cliffhanger aus einem Traum gescheucht worden.
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