Montag, 31. Oktober 2005

Der Termin, der letzte Termin und der allerletzte ...?

In letzter Zeit war ich hier ein wenig wortkarg: Inzwischen betreue ich nämlich als Übersetzer drei Reihen mit regelmäßigen Fortsetzungen. Und wie man sich eigentlich hätte denken können, kommen jetzt die nächsten Bücher aus allen drei Reihen faktisch zeitgleich auf mich zu.
  Natürlich hätte ich einen Reihentitel abgeben können, aber wer macht das schon gerne? Zum einen hat man »seine« Reihen ja durchaus lieb gewonnen, zum anderen hat man auch schon oft gesehen, dass jeder Übersetzer so seine eigenen Vorlieben hat und das man sich vermutlich über das ärgern wird, was der Kolle mit »der eigenen« Reihe so anstellt ...
  Also heißt es Zähne zusammenbeißen, Urlaub streichen und ran an die Tastatur. Und bis nächsten März bin ich gut beschäftigt. Und der Abgabetermin für den ersten Titel war letzte Woche, weshalb es in den Tagen davor ein wenig hektisch zuging.


Zum Glück wissen aber auch die Lektoren im Verlag, dass ich eine Menge zu tun habe. Also bekam ich, netterweise, diesmal zu den offiziellen Abgabeterminen auch inoffizielle genannt. Zumindest zu den beiden letzten Titeln. Da habe ich für die Abgabe nun ca. +/- einen Monat mehr Zeit, als offiziell im Vertrag steht.
  Aber wie das so ist: Wenn man jemandem den kleinen Finger reicht ... Also, ich habe dadurch erfahren, dass die Termine in den Verträgen durchaus einen Spielraum lassen, dass es also noch einen »Termin nach dem Termin« gibt. Und so dachte ich mir, das lässt sich vielleicht für die Planung aller drei Titel nutzen.
  Ich habe daher auch nach dem inoffiziellen Termin für den ersten Roman gefragt. Auch wenn der an sich nicht zeitkritisch war, hätte es mir eine Verschiebung doch erlaubt, die Arbeit etwas besser einzuteilen, den Rohtext erst mal liegen zu lassen, andere Projekte vorzuziehen und mit ein wenig Abstand den Text gründlicher zu überarbeiten.
  Langer Rede kurzer Sinn: Es gab einen solchen Termin tatsächlich, und so bekam ich ein wenig zusätzliche Zeit auch für das erste Buch – und das tat der Übersetzung sicher gut.


Die »Woche nach der Buchmesse« war also schon ein Termin »nach Verlängerung«, und da war ich natürlich besonders fest entschlossen, diesen Termin zumindest eisern einzuhalten. Ich dachte mir ja nach dieser Verlängerung wunders, wie drängend dann der Drucktermin sein muss. Und Termine sind mir im Grunde ohnehin heilig: Da ich selbst auch als Lektor arbeite, weiß ich, wie es hektisch es werden kann, wenn der Übersetzer zu lange überzieht und der letzte Bearbeiter den Zeitverlust ausgleichen muss.
  Ich habe also richtig reingeklotzt, war pünktlich fertig – und plötzlich war niemand zu sehen, der die Übersetzung haben wollte. Die zuständige Bearbeiterin war noch anderweitig beschäftigt, der Lektor im Verlag sah alles ganz gelassen und freute sich auf seinen Urlaub. Und sein Vertreter leitete mir die Information weiter, dass der endgültige Termin für den Satz erst kurz vor Weihnachten liegt. Und anderthalb Monate sind tatsächlich noch eine großzügige Zeit für ein Lektorat. Es besteht also tatsächlich kein Grund zur Hektik.


So viel also zu meinem Terminstress in den letzten Wochen. Und den ungewöhnlichen Abschluss des Ganzen, der mich mit zwei Gedanken zurücklässt:
  Zum einen, wenn der endgültige, eilige und inoffizielle Abgabetermin dem Lektor noch sieben Wochen Zeit für seine Arbeit lässt – um wie viel müssen dann die Übersetzer überzogen haben, die mir als Bearbeiter nur noch ein bis zwei Wochen Zeit übrig ließen?
  Und der zweite, wichtigere, noch näher liegende Gedanke: Nachdem ich nun erfahren habe, dass es nach dem zweiten, inoffiziellen und verlängerten Abgabetermin noch einen dritten, endgültigen und eiligen Abgabetermin gibt, da frage ich mich für meine beiden noch ausstehenden Übersetzungen doch ... Aber nein, pfui, böser Gedanke. Mit so was wollen wir hier gar nicht erst anfangen!

Mittwoch, 26. Oktober 2005

Sprachfehler des Tages

Im Moment und bis zum Ende der Woche ist hier noch so viel Stress, dass ich nicht mal dazu komme, mein Blog zu pflegen. Ein paar Einträge schlummern noch auf der Festplatte, aber sie müssten noch ausformuliert und korrigiert werden - bis ich dazu komme, hier kurz als Lückenfüller ein Fundstück aus dem Beipackzettel von Vitamintabletten:

"Verzehrempfehlung und weitere Handlinghinweise"

Hm, was für schönes Dinglish. Warum nicht einfach "... und weitere Hinweise", oder meinetwegen auch "... und weiteres Handling"? Oder womöglich sogar eine richtig schöne Formulierung?

Was dieses unglückliche Englisch-Deutsch-Kompositum "Handlinghinweise" so für Assoziationen weckt ... Ob der Hersteller der Vitamine seine Präparate wohl sorgfältiger zusammenmischt als die Sprache auf seinem Beipackzettel? Oder ob bei der Produktion der Tabletten aus Kostengründen auch nur dieselben ungeschickten Nichtskönner sitzen, die schon die Anleitung dahingeschludert haben? Ich seh sie förmlich vor mir, wie mit ihren plumpen Fingern und tumben Hirnen die unpassendsten Komponenten in den kleinen Pillen zusammenfummeln wollen, und, wenn grad keiner hinschaut, schon mal zur Klebertube greifen, damit auch zusammenpasst, was nicht zusammengehört ...

Jedenfalls keine gute Werbung für ein Produkt.

Freitag, 14. Oktober 2005

Träume sind auch nicht mehr, was sie mal waren ...

Letzte Nacht hatte ich einen Traum: Ich tauchte in teilweise überfluteten Gewölben und stieß dort auf einen riesigen Goldschatz. Das klingt schon wie die Träume meiner Jugend: Eine spannende Abenteuergeschichte, stimmungsvoll, ein wenig düster, bedrohlich, geheimnisvoll ... und wer sich nun fragt, was daran bedrohlich sein sollte, der hätte mal die Gewölbe sehen sollen; und »geheimnisvoll« waren die Formen des Goldes.
  Nun, sei's drum.
  Viel wichtiger war, wie der Traum dann weiterging. Er war mit dem Fund des Schatzes nämlich noch nicht vorüber, sondern fing danach erst richtig an; und diesmal ging es um ganz andere Probleme: Als ich den Schatz nämlich veräußern wollte, da stieß ich auf betrügerische Händler, die mich übers Ohr hauen wollten; das Finanzamt meldete seine Rechte an; außerdem sämtliche Grundbesitzer, unter deren Land ich den Schatz gefunden hatte, oder deren Land ich auf dem Weg dorthin berührt habe.
  Und mindestens drei Viertel des Traumes brachte ich also damit zu, gegen kaufmännische und rechtliche Fährnisse zu kämpfen – mit all den Dingen also, die in richtigen Abenteuergeschichten zu Recht nicht erwähnt werden. Dabei reichten diese drei Viertel des Traumes noch nicht mal aus, um die unausgewogene Geschichte zum Abschluss zu bringen: Als ich endlich aufwachte, waren diese Probleme immer noch nicht gelöst und ich wusste immer noch nicht, wie viel von dem Schatz mir letztlich bleibt.


Zugegeben, Verhandlungen mit Kaufinteressenten aus aller Herren Länder können auch ganz interessant sein; ebenso wie der schwierige Umgang mit divergierenden Gutachten zum Wert des Schatzes; zum Gewicht des Goldes sowie zur historischen Einordnung. Das Studium rechtlicher Vorschriften zur Fundverteilung und zur Besteuerung ... Nur: Das war es eigentlich nicht, was der Traum am Anfang vermuten ließ.
  Und das sind auch nicht die Geschichten, die ich gemeinhin lese, schreibe – oder träumen will.


Ich bin verunsichert. Was ist nur geschehen? Träume ich jetzt Abenteuergeschichten für Betriebswirte und Rechtsanwälte? Eine Alterserscheinung? Der Zeitgeist schlägt zurück?
  Hilfe!
  Und was am schlimmsten ist: Wie konnte ich nur ausgerechnet während der Verhandlungen mit diesen arabischen Investoren (also auch noch billige Klischees – da muss sich irgendwo auch ein Controller in den Traum geschlichen haben!) aufwachen – das waren doch bisher die vielversprechendsten Interessenten für das Gold. Und das kurz vor dem Abschluss! So ein Mist. Was mir da alles entgangen ist ...
  Tja, Träume sind halt auch nicht mehr das, was sie vor 20 Jahren noch waren ...

Montag, 10. Oktober 2005

Deutschland wählt: »Wir hätten gern das Drittbeste!«

Kennt denn jeder diese merkwürdige Werbung? Man sieht verschiedene Leute bei verschiedenen Gelegenheiten, im Restaurant etc., und in allen diesen Fällen geben sie bekannt, dass sie gerne das zweitbeste hätten. Diese Werbung soll Aufmerksamkeit erregen und absurd klingen – denn entscheidet man sich nicht immer für das, was man für das beste hält?
  Keinesfalls, wie die Realität zeigt. Deutschland hat jetzt eine Regierung, und in der Kanzlerfrage hat das Land sich mit der drittbesten Möglichkeit zufrieden gegeben ...
Diese meine Einschätzung ist keinesfalls besonders exotisch, sondern durchaus vom allgemeinen Stimmungsbild getragen. Und inzwischen sogar mit offiziellen Umfragen belegt: Letzte Woche erst stand in der Zeitung die überraschende Erkenntnis zu lesen, dass die Deutschen weder Merkel noch Schröder als Kanzler wollen!
  Hm, war diese Erkenntnis wirklich so überraschend? Dafür braucht man eigentlich keine Meinungsforschungsinstitute, weil das Stimmungsbild im persönlichen Umfeld schon eindeutig genug ist. Bis es in den Medien ankam, hat es etwas länger gedauert - Journalisten sind nun mal nicht die schnellsten, wenn es darum geht, etwas mitzubekommen. Vor allem dann nicht, wenn sie zu sehr damit beschäftigt, den Leuten etwas einreden zu wollen, was sie gerne hätten.
  Wie auch immer die Union es in den letzten Wochen schönreden wollte: Eine Kanzlerin Merkel entspricht also nicht dem Votum des Wählers. Klar: Wenn der Wähler Merkel hätte haben wollen, hätte Schwarz-Gelb eine Mehrheit bekommen. Nun wird sie aber trotzdem Kanzlerin, und das ist deshalb die drittbeste Möglichkeit, weil es eben noch zwei weitere gegeben hätte, die dem Wählerwillen mehr entgegenkommen.
  Die beste Möglichkeit wäre es gewesen (da die Wähler nun mal weder Schröder noch Merkel wollen), dass beide zurücktreten und ein neuer Kopf an die Spitze kommt. Das war es, was das Votum des Wählers nahe legte.
  Die zweitbeste Lösung wäre das »Kanzlersharing« gewesen: ein bis zwei Jahre Schröder, und dann ein Kandidat der CDU an der Spitze. Moment mal, mag da mancher fragen: Warum wäre das die zweitbeste Lösung? Das Volk will keinen, und kriegt beide? Das klingt doch eher nach der schlechtesten Lösung!
  Nun, attraktiv war Kanzlersharing vor allem deshalb, weil man dann gewusst hätte, dass Schröder nach zwei Jahren geht. Und darauf hätte hoffen können, das Merkel nicht kommt. Für die zweitbeste Lösung sprach also vor allem die Hoffnung, dass der Wählerwille sich doch durchsetzt – wenn auch mit ein wenig Verspätung.
  Die drittbeste Lösung ist nicht einfach nur eine kleine, schrittweise Verschlechterung, die achtbare dritte Stufe auf dem Siegertreppchen. Irgendwo zwischen der zweit- und der drittbesten Lösung verlief leider die Kluft der katastrophalen Wählerwillenverdrehung. Jetzt kriegt Deutschland doch einen Kanzler, den kaum einer will, und das für vier Jahre stabil ...
  Und wenn Schröder sich doch noch breitschlagen lässt und Vizekanzler wird, kriegt der Wähler gleich beide unerwünschten Kandidaten, und zwar ohne Ablauffrist.
  Nun ja, ich möchte Personalien nicht überbewerten. Wichtiger als die K-Frage sind letztlich doch die Inhalte, und da eine große Koalition sicher der beste Ansatz. Und eine Kanzlerin Merkel ist in einer großen Koalition zumindest deutlich stärker gebunden als in einer Schwarz-Gelben Regierungsmannschaft. Also, es ist an der Zeit, die Personalfragen zum Guten wie zum Schlechten hinter sich zu lassen und lieber darauf zu sehen, was die neue Regierung in der Praxis auf die Beine stellt.
  Schade nur, dass in dieser Hinsicht die neue Regierung schon mit einer Hypothek ins Rennen geht – mit einer Kanzlerin, die schon gezeigt hat, dass sie mit Inhalten und Positionen zur Sicherung ihres Pöstchens bezahlt.

Als Fazit dieser Kanzlerwahl bleibt dann noch ein gewisser geklärter Blick auf demokratische Strukturen und die Mitbestimmung des Volkes. Es gab in der Geschichte und auch in der Gegenwart häufig die Frage, wie ein Volk bestimmte Entwicklungen nur zulassen konnte. Warum dulden afrikanische Völker korrupte Cliquen, die den Reichtum der Länder verbrennen? Warum hat der Irak sich nicht selbst von Saddam befreien können?
  Nun, diese Fragen sollte man heute besser nicht mehr stellen. Wir in Deutschland haben ein Regierungssystem, dass es den Menschen sehr viel leichter macht, Einfluss zu nehmen. Wir haben eine Demokratie, freie Wahlen, persönliche Sicherheit für politisches Engagement – und trotzdem kann das deutsche Volk nicht verhindern, dass eine Person Kanzler wird, die zwei Drittel des Volkes ablehnen.
  Was sagt das aus über politische Gestaltungsmöglichkeiten insgesamt?
  Was kann man da an politischer Selbstverantwortung anderswo erwarten?
  Diese letzte Wahl mit ihren Folgen war auf jeden Fall eine sehr plastische Demonstration der Möglichkeiten und Grenzen demokratischer Mitbestimmung, und eine alles in allem relativierende Erfahrung. Und wer auch immer in Zukunft den politikverdrossenen Nichtwählern noch erzählen will, dass sie ja mitbestimmen könnten – der wird sich einen verdammt harten Gegenbeweis um die Ohren hauen lassen müssen.
  Das mag sich mittelfristig als noch größere Belastung erweisen als die Kanzlerfrage an sich.

Samstag, 8. Oktober 2005

Smart!

Nach zwei Jahren Wartezeit ist es endlich so weit – ich habe einen Alphasmart 3000 ergattert!
  Was das ist? Nun, eine Art Tastatur, die aber einen eigenen kleinen Bildschirm hat und unabhängig vom Computer für die Texterfassung benutzt werden kann. Im Gegensatz zum Laptop funktioniert das Ding mehrere hundert Stunden lang mit Batteriebetrieb; es ist auch kleiner und leichter als (mancher) Laptop und vor allem sehr viel robuster. Optimal für den Autor unterwegs.
  Und warum ich zwei Jahre darauf warten musste? Nun, der Neupreis für so ein Ding beträgt ca. 270 Euro, und das fand ich immer etwas sehr happig für ein Gerät, das letztlich doch nicht viel mehr ist als eine externe Tastatur. Denn außer Texte tippen kann man damit doch nicht viel anfangen. Ich habe viel zu tippen, aber so oft bin ich nun doch nicht in Situationen, wo mir der Alphasmart gegenüber Laptop oder Computer Vorteile bringt.


Immerhin, vor zwei Jahren habe ich mal einen Alphie hier gehabt und auf Herz und Nieren geprüft. Und ich fand ihn auch sehr praktisch und habe mir fest vorgenommen, dass ich mir so ein Teil kaufe - sobald ich mal einen Gebrauchten für deutlich unter 100 Euro sehe. Und seitdem habe ich einen Dauersuchauftrag bei eBay laufen.
  Leider hat es zwei Jahre gedauert, bis der fündig wurde – ich war immer wieder erstaunt, wie viele Leute selbst für einen gebrauchten Alphasmart noch fast 200 Euro hinblättern. Da wollte ich nicht mehr mithalten ...
  Als ich jetzt ein Modell zum günstigen Sofortkauf sah, habe ich trotzdem nicht sofort zugeschlagen. Denn Geiz ist ja geil – und ich nutze gerne jede Gelegenheit, um diese Tugend auf die Spitze zu treiben ;-) Also habe ich zuallererst meine Freundin überzeugt, mir das Ding zum Geburtstag zu schenken. Doppelt gespart: Erst auf den günstigen Alphasmart gewartet, und ihn dann nicht mal selbst bezahlt.
  Der Nachteil: Der Alphasmart ist bestellt und geliefert, aber jetzt liegt er erst mal bei meiner Freundin. Und ich muss noch bis zu meinem Geburtstag im nächsten Monat auf die Übergabe warten.


Na ja, macht nach den zwei Jahren auch keinen großen Unterschied mehr. Und im Augenblick habe ich sowieso keine Zeit zum Reisen und werde den Alphasmart im nächsten Monat ohnehin nicht benötigen.
  Freuen tu ich mich trotzdem schon jetzt ;-)

Dienstag, 4. Oktober 2005

Phishers Phritz phisht phrische Ph... äh, Passworte bei Ebay

Phishing – so nennt man es auf Neudeutsch, wenn irgendwelche dubiosen Gestalten mit gefälschten E-Mails versuchen, wichtige Passwörter auszuspionieren. Und diese meist sehr dümmlichen Versuche sind eine wahre Plage.
  Anscheinend »phishen« diese Ganoven gerne nach Postbank-Online-Kunden, denn wir bekommen fast wöchentlich eine Mail mit diesem Topic, meist in unverständlichem Deutsch und vor Rechtschreibfehlern strotzend, und ungeachtet der Tatsache, dass wir bisher nie darauf reagiert haben und überhaupt keine Postbank-Online-Kunden sind.
  Da muss man wohl schon sehr doof sein, um diese Mails für echte Anfragen von der Postbank zu halten und sein Passwort oder gar seine PIN zu verraten.


Vor ungefähr zwei Wochen allerdings bekamen wir eine Mail von einem ganz anderen, scheinbaren, Absender: Ebay forderte meine Freundin auf, sofort ihre Benutzerdaten neu einzutragen, weil andernfalls ihr Account gelöscht wird.
  Diese Mail hatte durchaus ein gewisses Ebay-Look-and-Feel: Das Logo war da, das Englisch recht verständlich ... Moment! Englisch? Tatsachlich war der angebliche Absender nicht »ebay.de«, sondern »ebay.com«, und mit denen haben wir eigentlich wenig zu tun. Das stimmt misstrauisch. Auf den zweiten Blick stellte sich dann noch heraus, dass der in der Mail angegebene Link nicht auf die dort zu lesende Ebay-Adresse führte, sondern zu einer ganz anderen IP. Also, offensichtlich ein Phishing-Versuch.
  Aber eine gut gemachte Fälschung – da haben wir uns schon gefragt, ob nicht der ein oder andere unaufmerksame Empfänger seine Ebay-Daten preisgegeben hat. Nun ja, ansonsten landete die Mail im Spam-Mülleimer und war erst mal vergessen. Bis letzte Woche. Da gingen nämlich die Gerüchte durch die Medien, dass angebliche »Hacker« mit den Passworten unschuldiger Ebay-Kunden »Scherzeinkäufe« getätigt haben. Ein Rentner wurde als Opfer genannt, und ein Mann aus Bergisch Gladbach mit fast 600.000 Euro virtuellem Schaden.
  Da erinnerten wir uns gleich wieder an den Phishing-Versuch, und beim Gespräch im Freundeskreis stellten wir fest, dass wir nicht die einzigen Empfänger waren: Offenbar war zwei Wochen zuvor eine kleinere Lawine gefälschter Ebay-Mails über ahnungslosen Kunden niedergegangen. Von der Zeit her passt das recht gut zu den Betrugsfällen – seltsam nur, dass Ebay laut Zeitung immer noch rätselt, wie die »Hacker« an die Passworte gekommen sein können.
  Nun, vielleicht lesen sie hier ja mit und lassen sich etwas auf die Sprünge helfen ... Ach nein, ich sehe gerade: Inzwischen finden sich auf Ebay Warnungen vor diesen Phishing-Mails, also haben sie den Zusammenhang mittlerweile wohl erkannt.


Umso peinlicher, dass die Geschichte noch ein unrühmliches Nachspiel hatte: Einen Tag nach den Betrugsfällen kam eine weitere Mail bei uns an. Vom »eBay.de-Team«. Und in dieser Mail wurde man aufgefordert, seinen Ebay-Account als gewerblich oder privat zu kennzeichnen. Es gab auch einen Link in dieser Mail, der angeblich zu »Mein Ebay« führte, tatsächlich aber zu einer Adresse unter »ebay.de.mediaplex.com«, also irgendeiner Subdomain von mediaplex.com!
  Das war also wieder eine Mail, bei der alle Alarmglocken für einen Phishing-Versuch klingeln müssen: Ein Direktlink zu einer Adresse, bei der man UserID und Passwort eingeben muss, und der nicht direkt zu Ebay führt! Aber: Wenn man sich die Mail ein wenig genauer ansieht, stellt man fest, dass sie offenbar doch echt ist; und der scheinbar falsch Link wird allem Anschein nach doch zu ebay.de umgeleitet. Wenn es nicht gerade die perfekte Fälschung ist, war das diesmal eine echte Ebay-Mail!


Und wenn man dann auf den Ebay-Seiten eine ausdrückliche Warnung vor den Phishing-Mails liest, mitsamt den Erklärungen, wie man solche erkennen kann, dann fasst man sich doch an den Kopf. Wie kommt das Ebay-Team dazu, wenn sie das Problem schon kennen, selbst eine Mail zu verschicken, die unmittelbar einer Phishing-Mail entspricht?
  Hallo, denkt hier jemand mit?
  Auf diese Weise werden die Kunden ja geradezu dran gewöhnt, auf Phishing-Mails zu reagieren. Und alle Bemühungen um Sicherheit und Aufklärung der Kunden werden so mit einem einfachen Druck auf den Send-Button konterkariert. Mit solchen Mails handelt Ebay schon verantwortungslos und muss sich eine Mitschuld am sorglosen Umgang mancher Kunden mit ihren Passwort-Daten anrechnen lassen. Wenn sie schon dem Kunden in ihren Mails einen einfachen Direktlink anbieten wollen, dann sollten sie doch zumindest eine saubere, eindeutige und für den Laien gleich erkennbare Ebay-Adresse hinterlegen.
  Denn wenn der Kunde erst mal daran gewöhnt ist, »mediaplex.com« anzuklicken, wenn er zu Ebay will, dann lernt er auch, nicht darauf zu achten, was da eigentlich steht. Und beim nächsten Mal klickt er auch »www.passwortklau.de« an. Und glaubt, dass er da in sicheren Händen ist und schon alles seine Richtigkeit hat.

Samstag, 1. Oktober 2005

Sozialhilfe für Reiche?

Warum hat die CDU bei den Umfragen so viel besser abgeschnitten als bei der Wahl? Wollten die Wähler keine Kanzlerin, haben das aber aus Gründen der Political Correctness in den Umfragen nicht zugegeben? Das zumindest behauptet wiederholt meine Tageszeitung.
  Nun, ich für meinen Teil habe immer gerne zugegeben, dass ich Merkel nicht als Kanzlerin will. Und das hat wenig damit zu tun, dass sie eine Frau ist. Ich habe auch von genug Frauen gehört, dass sie gerne mal eine Frau als Kanzlerin hätten – aber eben nicht Merkel.
  Merkel hat die Wahl verloren, weil sie persönlich einfach nicht für den Posten taugt. Dass sie eine Frau war, war sogar noch das einzige, was überhaupt für sie gesprochen hat. Warum also muss immerzu ihr Geschlecht als Entschuldigung herhalten und wird auch von den Medien bereitwillig zur alleinseligmachenden Erklärung hochstilisiert?


Nein, ich möchte nicht schon wieder die Wahl thematisieren. Ich möchte ich mich mit einem ganz anderen und allgemeineren gesellschaftlichen Phänomen befassen: Warum ist unsere Gesellschaft inzwischen so leicht bereit, einen behaupteten Geschlechterkampf als Begründung für bloßes persönliches Versagen zu akzeptieren? Und was für Folgen hat dieses Verhalten für die Gesellschaft?


<Ist die Frauenförderung in der heutigen Form eine »Sozialhilfe für Reiche«? Dazu mehr hier im ausführlichen Kommentar>