Samstag, 30. Dezember 2006

Gottvaters Bettgeschichten

Kürzlich las ich in der Zeitung vom „Gottvater des Internets“. Gottvater ist schon ein merkwürdig sperriger Begriff, trotzdem liest man ihn in letzter Zeit immer häufiger, wenn von einer grauen Eminenz, dem Begründer einer Sache oder einer ähnlich einflussreichen Person die Rede ist. Und es hat eine ganze Weile gedauert, bis ich endlich erkannt habe, wie ein so blödsinniger Ausdruck in der deutschen Sprache überleben kann: Es ist natürlich wieder ein Anglizismus!
  Denn im Englischen gibt es den Begriff „godfather“, den ich auch schon oft genug übersetzt habe, ohne mir darüber Gedanken zu machen. Und zwar als „Pate“. Aber offenbar gibt es viele Übersetzer, die sich sogar noch weniger Gedanken machen und einfach wörtlich übersetzen. Oder Journalisten, die überhaupt nicht übersetzen, sondern nur ohne nachdenken irgendwas schreiben – und dabei gerne auch auf „False Friends“ hereinfallen. Anglizismen sind also eine Sache. Aber Anglizismen, die noch dazu auf falsch übersetzten englischen Begriffen beruhen, sind nun wirklich das Letzte ...


Tatsächlich das Letzte, was ich zu diesem Thema gelesen habe, fand ich allerdings in einer Rezension zu dem Kinofilm „Das Mädchen aus dem Wasser“. Sie kennen diesen Film? Darin geht es nämlich um eine „Bettgeschichte“ ...
  Hm, Bettgeschichte? Diese Rezension im Kopfe habe ich eiligst die nächste Vorführung besucht und erwartete heiße Bettszenen – oder, anglizistischer ausgedrückt, Sexszenen. Leider wurde ich enttäuscht, denn ich war wieder auf eine schlechte Übersetzung hereingefallen. War nichts mit „Bettgeschichten“ - tatsächlich hatte der Rezensent sich nur an der „bed time story“ eines englischen Vorbilds orientiert. Und „bed time stories“ sind „Gutenachtgeschichten“, während man unter „Bettgeschichten“ im Deutschen etwas deutlich anderes versteht.


Und dem nächsten Rezensenten oder sonstwie fungierendem Übersetzer oder Journalisten, der mich auf diese Art zu täuschen wagt, schicke ich den örtlichen Mafia-Gottvater auf den Hals. Jawoll!

Montag, 25. Dezember 2006

Ein gentechnisch erzeugtes Vakuum

Grüne Gentechnik ist ja heftig umstritten: Die Industrie preist die Vorzüge an und spielt die Risiken herunter, während die Ökos schon die furchtbarsten Krankheiten an die Wand malen, wenn man nur mal Milch von einer Kuh trinkt, die irgendwann mal einen Löffel Genmais abbekommen hat.
  Vor kurzem aber las ich einen Artikel zur grünen Gentechnik, der mich zum ersten Mal zum Nachdenken brachte: Darin nämlich pries ein Biologe es als Vorteil der Gentechnik an, dass man damit auch allergenfreie Lebensmittel für Nahrungsmittelallergiker züchten kann. Nun, ich bin gegen diverse Nahrungsmittel allergisch und habe mich schon seit zehn Jahren nicht mehr getraut, einen frischen Apfel anzurühren. Insofern trifft mich das Argument natürlich besonders. Aber was mich eigentlich stutzig gemacht hat: Ich habe dieses Argument in der x-jährigen Diskussion über grüne Gentechnik vorher noch nicht ein einziges Mal gehört!
  Und als ich so am Nachdenken war, fiel mir zum ersten Mal richtig auf, warum die Diskussion über Grüne Gentechnik so einseitig und wenig überzeugend abläuft, wie sie in den letzten Jahren abgelaufen ist: Denn genau genommen habe ich noch nie, in all den Jahren nicht ein einziges Mal einen Vorteil von Genfood gehört, den ich als Verbraucher daraus ziehen könnte. Von Hungersnöten in Afrika war die Rede (wo man sich die patentierten Genprodukte ohnehin nicht leisten kann), von Vorteilen für die Bauern beim Spritzen und bei der allgemeinen Schadstoffresistenz; davon, dass man Nahrungsmittel, die ich ohnehin schon kaufen kann, auch anderswo anbauen kann, oder billiger. Nichts davon ist mir das Risiko eines unerwarteten allergischen Schocks durch „springende Gene“ wert. Nichts davon ist mir als Kunde der Nahrungsmittelindustrie irgendetwas wert – und deshalb war ich auch immer kompromisslos gegen gentechnisch veränderte Nahrung.
  Weil nämlich, egal wie gering das Risiko sein mag, diesem Risiko niemals ein auch noch so geringer Vorteil für mich gegenübergestellt wurde.


Und ich denke, genau da liegt der zentrale Mangel der „Grünen Gene“: Die Industrie für Agrartechnik hat zwar daran gedacht, was sie selbst von ihren Entwicklungen hat; und der Bauer, dem sie ihr Saatgut verkaufen will – sie hat aber den Endkunden vergessen. Und deshalb kann sie in der aktuellen Diskussion keinen Vorteil nennen, der den Endverbraucher von ihren Produkten überzeugen könnte. Und genau daher rührt die Feindseligkeit für Genfood.
  Und weil die Industrie den Endverbraucher schlichtweg vergessen und ihm nichts zu sagen hat, diskutiert sie über das Für und Wider genveränderter Nahrungsmittel nur noch mit den Ökos. Die aber haben, ehrlich gesagt, auch nichts zu sagen, was den Normalbürger interessieren würde. Aber durch das vollständige Versagen der Genindustrie erreichen sie trotzdem ihr Ziel: Denn die Industrie hat den Argumenten der Ökos selbst nur negative Botschaften entgegenzusetzen, in der Art von: „Gentechnik ist doch gar nicht so gefährlich“ - soll das etwa jemanden überzeugen?
  Und so dominieren derzeit die Anti-Genpositionen den Meinungsmarkt; allein deshalb, weil die Defensive immer eine schwache Position ist. Dementsprechend ist die derzeitige Genfeindlichkeit auch keine echte gesellschaftliche Position, sondern nur Füllmaterial eines Meinungsvakuums, das die Industrie selbst hat entstehen lassen.
  Diesen Zustand zu beenden, hat die Nahrungsmittelindustrie ebenfalls selbst in der Hand. Sobald die Entwickler und Meinungsmacher in den Konzernen mal nicht nur an ihr Produkt und ihren Geldbeutel denken, sondern auch an den Kunden, der ihn füllen soll, können sie jederzeit einen Stimmungswechsel bewirken. Sobald nämlich die Genindustrie ein Produkt an den Markt bringt, mit dem sie dem Verbraucher einen konkreten Vorteil suggerieren kann, werden die so angesprochenen Zielgruppen auch kaufen. Das allerdings muss schon mehr sein als »genauso gut wie Nicht-Gen-Mais«. Denn, mal ehrlich: Wie unnütz muss ein Produkt sein, wenn dem Hersteller nicht mehr dazu einfällt?
  Also: Die derzeitige Gendiskussion geht am Verbraucher völlig vorbei. Soll die Industrie ihn doch erst mal auf den Tisch legen, den allergenfreien Apfel für Apfel-Allergiker. Dann, aber erst dann, wäre ich bereit, mir die Argumente der Genindustrie auch nur anzuhören. Wer sein Geld ohne die Kunden verdienen will, hat am Markt ohnehin nichts verloren und darf sich auch nicht über das feindselige Klima wundern, das ihm entgegenschlägt.

Montag, 18. Dezember 2006

Versandhandel taugt nichts ...

Tag für Tag kriege ich Unmengen von Katalogen zugeschickt, und irgendwann wird man eben doch mürbe. Also beschloss ich letztens, den Versuch zu wagen und mal eine Bestellung aufzugeben. Um es vorwegzunehmen: Eine Katastrophe!
  Das Ganze fing schon mit dem Angebot an, das völlig unzumutbar war. Beispielsweise wurde in einem Teil des Kataloges geschmackvolle Wohnungseinrichtung vorgestellt. Auf einem Bild konnte man einen Teppich bewundern, der eigentlich recht ansprechend aussah - leider saß dort ganz ungeniert ein Hund darauf! Kümmern sich diese Versandläden denn überhaupt nicht um ihre Ware? Für mich als Allergiker ist dieser Teppich, wenn schon der Hund darauf saß, verdorben und nicht mehr zu kaufen. Ganz ähnlich sah es dann mit der Couch aus, wo sich ein Typ mit bloßen Füßen drauf flegelte. Ganz ehrlich: Wer will sich dieses Möbelstück noch ins eigene Wohnzimmer holen?
  Na ja, nach einigem Stöbern fand ich schließlich doch noch etwas, was mich interessierte: formschöne Unterwäsche. Aber auch hier zeigte der Versandhandel seine Tücken: Während im Laden die Unterwäsche schön hygienisch in Paketen und Folien verpackt ist, wurden die im Katalog angebotenen Stücke allesamt von Models am bloßen Körper getragen.
  Nun, ich wollte ja nicht so pingelig sein, und die Unterwäsche-Models wirkten ja auch recht sauber und gepflegt. Also war ich geneigt, mal Fünfe gerade sein zu lassen und die Wäsche trotzdem zu bestellen - allerdings rief ich vorher beim Servicetelefon des Anbieters an und fragte nach, ob da vielleicht ein Rabatt auf den Katalogpreis drin ist. Immerhin war die Wäsche ja gebraucht - leugnen zwecklos, wo es doch auf den Fotos im Katalog so deutlich zu sehen war.
  Und was bekam ich als Ausrede zu hören? Die verkaufte Ware ist überhaupt nicht mit der im Katalog identisch! Und das erzählt mir die Verkäuferin mit der größten Selbstverständlichkeit, als wäre es auch noch ein besonderer Vorzug. Von wegen! Das ist der pure Nepp!
  Wenn ich in den Laden gehe und eine Ware sehe, kann ich sie in den Wagen legen - und die Ware, die ich sehe, ist auch die, die ich kaufe. Man stelle sich nur mal vor, in einem normalen Geschäft will der Verkäufer einem die Ware nicht zeigen, sondern stellt etwas ganz anderes aus - und versichert einem dann nur, dass die später gekaufte Ware genauso aussieht wie die ausgestellte, "ganz ehrlich!" ...
  Ich denke jeder wüsste, was er von so einem Laden zu halten hätte.


Also, bleibt mir weg mit dem Versandhandel. Da muss sich erst noch so einiges ändern.

Mittwoch, 6. Dezember 2006

Viel Rauch und keine Feuer

Was habe ich mich gefreut, als endlich zum Jahreswechsel das Rauchverbot in Gaststätten durchgesetzt werden sollte – und schon Tage später war das Gesetz wieder vom Tisch, unter dem Vorwand verfassungsrechtlicher Bedenken. Und damit war auch offensichtlich, dass seitens der Regierung schlichtweg der politische Wille fehlt, ein solches Gesetz zu verabschieden. Alle Aktivitäten dienten nur dem Zweck, einen entsprechenden fraktionenübergreifenden Vorstoß im Bundestag auszuhebeln. Schade.
  Ich würde mir jetzt wünschen, dass die Mehrheit im Bundestag, die für ein Rauchverbot ist, sich auf diese Verzögerungstaktik nicht weiter einlässt, sondern ihren eigenen Gesetzesvorstoß weiter verfolgt. Ich möchte wetten, wenn eine solche Initiative zur Abstimmung ansteht, und dann auch noch härter ist als das ursprünglich geplante Gesetz (indem man nämlich die Ausnahmen weglässt, die ja überhaupt nur das einzige waren, was mit dem Grundgesetz in Konflikt stehen könnte), dann würden sich Regierung und Zigarettenlobby schnell einig werden.
  Jedenfalls ist nicht einzusehen, warum die Nichtraucher jetzt gar keinen Schutz erhalten sollen, nur weil es verfassungsrechtlich bedenklich ist, wenn man sie nicht vollständig schützt.


Im Grunde würde es mir auch reichen, wenn die Bundesländer einen „Flickenteppich“ hinterlassen und man sich später um die Bereinigung kümmert. Oder gar nicht, solange ich nur in NRW und Bayern rauchfrei auswärts essen kann.
  Ich hoffe nur, dass nicht die derzeitige freiwillige Regelung als Grundlage für den späteren Kompromiss dient. Denn dort gibt es ja noch eine Ausnahme vom Rauchverbot, wenn die Lokalität eine gewisse Größe unterschreitet: Bei Läden unter einer bestimmten Quadratmeterzahl gilt eine Trennung in Raucher- und Nichtraucherbereiche als grundsätzlich nicht praktikabel. Das mag ja sein - aber warum muss die Konsequenz daraus eine grundsätzliche Rauchfreigabe sein?
  Denn ein "im Zweifel für die Raucher" impliziert eine Förderung derjenigen, die sich asozial und gesundheitsschädlich verhalten. Es wird also das Rauchen zur Norm erklärt, und das widerspricht sich mit dem angeblichen politischen Willen zum Kampf gegen das Rauchen. Logischer wäre jedenfalls, wenn man ein generelles Rauchverbot vorschreibt, sobald eine Trennung nicht praktikabel ist.


Und vor allem hoffe ich, dass es bald geschieht – egal wie. Wenn nicht bis zur nächsten Wahl, dann würde ich gerne die Partei wählen, die mir kompromisslos ein Rauchverbot in Aussicht stellt, und zwar egal welche Partei das ist. Denn ich bin nach dem letzten Hin und Her wirklich sauer und es schlichtweg Leid, dass ich in der Eisdiele jederzeit damit rechnen muss, dass irgendwer neben mir die Kippe auspackt und mir das Essen verdirbt, auch wenn er sich erst später in die von mir extra wegen Rauchfreiheit ausgesuchte Ecke gesetzt hat.
  Es ist schon lustig, dass der Staat es zwar zum Jahreswechsel geschafft hat, sich mit zahlreichen zweifelhaften Steuergesetzänderungen zu bereichern (in denen sich, nebenbei bemerkt, auch so mancher verfassungsrechtlicher Zündstoff verbirgt), dass aber ein Gesetz für die Bürger mal wieder auf der Strecke bleibt.

Freitag, 1. Dezember 2006

korrekte Stilblüten

Kaum etwas stört mehr, als wenn idiomatische Wendungen in einer Übersetzung wörtlich übertragen werden. Genau genommen ist das der häufigste Fehler, der heutzutage in schlampigen Übersetzungen vorkommt und einem beim Lesen die Haare zu Berge stehen lässt.
  Gemeint sind damit Fälle wie »Es regnete Katzen und Hunde« - im Englischen ein gängiger Ausdruck, im Deutschen eine Stilblüte, denn hier heißt es »Es schüttete wie aus Eimern«, »regnete Bindfäden« oder was der deutschen Redewendungen mehr sind. Die »Katzen und Hunde« sind das klassische Beispiel und die übliche Warnung für angehende Übersetzer – aber in der Praxis ist jeder Text durchsetzt von solchen Stolperfallen, die oft viel schwerer zu entdecken sind. Und wenn der Übersetzer da leichtfertig Wort für Wort überträgt, ist der Text nicht mehr Deutsch, sondern eben nur eine Übersetzung. Eine schlechte.
   Ursache für solche Mängel sind neben gewöhnlicher Schlampigkeit meist fehlende Deutschkenntnisse des Übersetzers: Denn um ein Gespür für falsch übertragene bildhafte Redewendungen zu entwickeln, muss man sie zunächst erst mal erkennen – und dann wissen, wie es im Deutschen »richtig heißt«. Deshalb habe ich als Lektor bei Übersetzungen immer besonders auf diesen Punkt geachtet, und auch als Übersetzer gebe ich mir große Mühe, nicht in diese Fettnäpfchen zu treten.


Umso peinlicher, wenn gerade die Vermeidung des Fettnäpfchens in ein noch viel größeres führt. So wäre es mir um ein Haar bei dem Text ergangen, mit dem ich gerade beschäftigt bin.
  Da stieß ich nämlich auf die Wendung »grinding his teeth in frustration«. Na ja, dachte ich mir – ist doch ein typisches Beispiel für eine idiomatische Wendung. Also klappte in meinem Geist gleich das Fenster mit gängigen, nichtwörtlichen Übertragungen auf und bot mir die Möglichkeiten »Däumchen zu drehen« oder »frustriert auf den Nägeln kauen«. Als ich sie hinschreiben wollte, stutzte ich allerdings ... denn die Figur des Romans, um die es hier ging, hatte nur einen Arm, und der war auch noch gebrochen und bandagiert.
  Und damit hätte ich gerade bei korrekter Übertragung der Redewendung eine wirklich fette Stilblüte im Deutschen gehabt, die deutlich lachhafter wirkt als eine wörtliche Übersetzung.

Sonntag, 26. November 2006

Ist das Grundgesetz noch 20 Euro wert?

Ganz Deutschland schimpft über Hartz-IV-Abzocker und Sozialbetrüger. Und in atemberaubendem Tempo werden Bestimmungen und deren Anwendungsrichtlinien verschärft. Aber während jeder darüber redet, was die Hartz-IV-Empfänger unsere Gesellschaft kosten, gerät ganz außer Sicht, was unsere Gesellschaft für das System an sich bezahlt. Denn wer bereit ist, Grundrechte für „die anderen“ einzuschränken, sollte sich darüber im Klaren sein, dass er damit auch für sich selbst etwas preisgibt. Denn scheinbar unverrückbare Werte ändern sich stets Schritt für Schritt, und ein Schritt in die falsche Richtung setzt eine Masse in Bewegung, die sich womöglich nur schlecht wieder abbremsen lässt.


In einem ausführlicheren Aufsatz habe ich skizziert, wohin der Weg führt – und warum die Probleme, die in einer Gesellschaft am lautesten beklagt werden, eigentlich immer diejenigen sind, die sie selbst sich ins Haus gerufen und damit auch verdient hat

Sonntag, 19. November 2006

Sie sind unter uns!

Außerirdische und mysteriöse Vorgänge kann man nicht nur bei Akte X betrachten. Denn während Mystery im TV schon längst außer Mode gekommen ist, gehen um uns herum in der Wirklichkeit Dinge vor, die sich mit der Vernunft allein nicht erklären lassen. Die sogar, genau genommen, ausgesprochen beängstigend sind.
  Ich sehe es als meine Pflicht an, den folgenden Tatsachenbericht an die Öffentlichkeit zu bringen, und alle Leser meines Blogs damit aufzufordern, auf der Hut zu sein.


Das Ganze ereignete sich, als ich mit meiner Freundin anlässlich meines Geburtstages in einem nahe gelegenen Restaurant essen war. Irgendwann an diesem Abend tauchte ein kleiner Hund neben unserem Tisch auf und lief schwanzwedelnd durch den Raum. Das allein mag noch nicht mysteriös oder beängstigend sein, sondern geradezu banal alltäglich. Aber es war, im Nachhinein betrachtet, der Auftakt zu Ereignissen, die eine ganz unheimliche Wendung nehmen sollten.
  Der Hund jedenfalls verschwand nach einer kurzen Runde in einen angrenzenden Flur, und dort konnten wir ihn gerade noch in einen leeren, dunklen und zu diesem Zeitpunkt ungenutzten Nebenraum der Gaststätte gehen sehen. Und von dort kehrte er nicht mehr zurück.
  Nun vergingen etwa 20 Minuten, während derer meine Freundin und ich mit unserem Essen beschäftigt waren. Dann kam eine Frau von der Bar heran und blickte sich suchend um. „Suchen Sie vielleicht einen Hund?“, fragte meine Freundin. Die Frau nickte, und wir verwiesen sie auf den Flur und den dunklen Nebenraum. Die Frau bedankte sich und ging dorthin.
  Wir sahen sie durch den Flur noch in das dunkle Zimmer treten. Dort flackerten dann, vielleicht zwei Sekunden, Lichter auf, so als hätte jemand eine Neonbeleuchtung angeknipst, aber wieder abgeschaltet, bevor die Leuchtstoffröhren noch richtig „angesprungen“ waren. Dann war es wieder dunkel. Und still.
  Weder die Frau noch der Hund kehrten aus diesem Nebenraum zurück, denn wenn sie es wären, hätten sie zwangsläufig an unserem Tisch vorbeikommen müssen.
  Auch zu diesem Zeitpunkt haben wir uns noch nicht viel bei der Sache gedacht, auch wenn wir uns natürlich gefragt haben, was Frau und Hund so lange in dem dunklen Zimmer treiben. Die eigentliche Wendung kam erst, als wir kurz darauf das Restaurant verließen – und Frau und Hund an der Bar sitzen sahen, als wäre nichts geschehen.
  Für diese Vorgänge gibt es eigentlich nur eine Erklärung: Die beiden müssen in dem dunklen, verlassenen Zimmer von Außerirdischen entführt worden sein. Vermutlich gebeamt – das würde auch das kurze, flackernde Licht erklären. Daraufhin haben außerirdische Kopien der beiden deren Platz an der Bar eingenommen – vermutlich wurden sie einfach draußen auf der Straße abgesetzt und konnten dann das Restaurant durch den Haupteingang betreten.


Ich habe lange überlegt, ob ich es wohl wagen soll, diese Geschehnisse zu enthüllen. Aber die Menschheit muss gewarnt werden: Die Außerirdischen sind unter uns! Wenn Sie sich also das nächste Mal über Ihren Nachbarn ärgern: Überlegen Sie sich, ob er nicht vielleicht schon ausgetauscht und durch einen Alien-Klon ersetzt wurde. Das geht schneller, als man denkt.
  Was die Außerirdischen tun werden, wenn sie erfahren, dass ich hinter ihr Geheimnis gekommen bin, weiß ich nicht. Aber wenn meine Leser in meinem Blog Merkwürdigkeiten feststellen – rätselhafte Verzögerungen, eine seltsame Folge der Blogeinträge oder sonst irgendetwas, was überhaupt nicht zu einem ordentlichen und wohlsortierten Menschen wie mir passen sollte, dann sollten sich alle an diese glaubwürdige Erklärung erinnern: Die Außerirdischen sind schuld!
  Ich rate allen: Trauen Sie niemandem. Außer natürlich allen Enthüllungen, die sie hier noch lesen werden. Und das auch nur, solange sie noch von meinem unausgetauschtem Selbst verfasst wurden.

Freitag, 17. November 2006

Gestern war ich bei der Grippeimpfung ...

grippe 


... wofür man heutzutage solche Beweispflaster bekommt ;-)

Freitag, 10. November 2006

Amerika wird demokratisch ...

... so konnte man heute als fette Schlagzeile in meiner Tageszeitung lesen. Was soll man dieser glücklich formulierten Aussage noch hinzufügen?

Damit kann Bush in seiner Amtszeit zumindest einen Erfolg verbuchen. Denn wenn Amerika jetzt tatsächlich demokratisch geworden ist, hätte der Präsident wenigstens zuhause erreicht, woran er im Irak bislang vergebens arbeitet.

Montag, 6. November 2006

Warum Demokratie nicht funktioniert

Der neueste Skandal um John Kerry, den früheren Präsidentschaftskandidaten in den USA, hat es mir mal wieder gezeigt. Denn niemand hat den Wahrheitsgehalt seiner Aussagen bestritten – dass nämlich im Durchschnitt eher Menschen mit niedrigerem Bildungsgrad zu den Streitkräften gehen –, aber genau diese Wahrheit darf niemand ungestraft aussprechen. Weil diese Soldaten etwas für ihr Land tun, sollen sie vor allem geschützt sein, was ihren persönlichen Wert in Frage stellt. Und dieser Schutz erstreckt sich auch auf unanangenehme Wahrheiten.
  Das mag richtig sein, und es mag auch eine politische Dummheit Kerrys gewesen sein, diese Wahrheit trotzdem anzusprechen. Trotzdem legt der ganze Vorfall den Finger auf eine Wunde des Systems: Ein Politiker hat eine Wahrheit ausgesprochen, und dafür wird er vom Wähler abgestraft. Schon bei Kerrys Präsidentschaftskandidatur gab es ähnliche Vorfälle. Wenn Kerry beispielsweise Windsurfen geht, so mag das nicht dem Mehrheitsgeschmack seiner Wähler entsprechen – aber dafür entspricht es seinen tatsächlichen Interessen und ist ehrlich, während ein Besuch bei einem Baseballspiel Heuchelei gewesen wäre. Trotzdem ist genau diese Anbiederung das, was die Wähler sehen wollen und was sie wählen – nicht die Ehrlichkeit.
  Und da wundert man sich über die fehlende Ehrlichkeit der Politiker? Darüber, dass die Politik trotz Demokratie nicht macht, was der Wähler will, ihn sogar nach Strich und Faden verarscht? Nun, daran sind nicht »die da oben« Schuld, keine finsteren Verschwörungen oder dubiose Lobbywühlereien. Es ist der Wähler selbst, der diese Politik wählt – nicht, weil er unschuldig getäuscht wird oder weil er keine echte Wahl hätte, sondern weil er ganz bewusst Lügen und Heuchelei honoriert und sich damit selbst die Politiker heranzüchtet, die er verdient.
  Solche Vorfälle werfen bei mir also die Frage auf, ob die »unehrlichen« Politiker tatsächlich die Wähler täuschen – oder ob sie nicht vielmehr einen Bedarf erfüllen und genau dem Wählerwillen entsprechen.


Nun, das sind vielleicht die USA, mag mancher sagen. Aber das nächste, woran ich nach Kerrys Fettnäppfchen denke, ist die erste deutsche Bundestagswahl nach der Wiedervereinigung. Ich erinnere mich sehr gut, wie sich kurz nach der Wahl die ganze Republik und auch genug Leute aus meinem Bekanntenkreis über »Kohls Wahlbetrug« aufgeregt haben, weil seine wahrhaft großartigen Wahlversprechen samt und sonders auf dem Müll lagen.
  Aber ich kann da nur die Frage stellen, die ich damals schon gestellt habe: Ist es wirklich Betrug, wenn jemand Lügen erzählt, die jeder hören will, aber auch mühelos und mit einem Minimum an Sachkenntnis durchschauen kann? Denn schon im Wahlkampf wusste man, das Kohls Versprechen so nicht umsetzbar sind; und es wurde in den Medien oft genug analysiert und war für jeden nachzulesen.
  Trotzdem entschied sich die Mehrheit, die offensichtliche Lüge zu wählen, um sich später darüber aufregen zu können.


Wenn man sich also fragt, warum die Demokratie nicht funktioniert – zumindest nicht ihren Ansprüchen genügt und die Politik umsetzt, die das Volk tatsächlich haben möchte, dann darf man nicht auf die Politiker schauen, sondern zuallererst auf das Volk.
  »Dann geh doch selbst in die Politik«, rät manch einer dem Unzufriedenen, und natürlich ist das Blödsinn. Denn auch in einer funktionierenden Demokratie kann nicht jeder etwas bewirken, und ein Politiker benötigt zuallererst die Fähigkeit zum Netzwerken, zur Klüngelei, um überhaupt ein Bein auf den Boden zu kriegen. Die hat nicht jeder, und wer sie nicht hat, kann gleich Wähler bleiben.
  Aber auch als Wähler könnte man die Politik erziehen und tut es auch; das allerdings funktioniert nicht als Einzelperson, sondern nur dann, wenn viele Einzelne in die richtige Richtung ziehen. Und genau da geschieht eher das Gegenteil. Denn offenbar besteht eine Mehrheit der Wähler nicht aus verantwortungsvollen, informierten Bürgern, die mit ihrer Stimme Einfluss nehmen wollen, sondern aus Leuten, die die Wahrheit gar nicht hören wollen und so auch keine politischen Entscheidungen treffen können. Die Demokratie scheitert also daran, dass die Wähler zu dumm und uninteressiert sind – alles andere sind bloße Folgefehler.
  Traurig ist dabei allerdings, dass nicht einmal eine wirkliche Mehrheit an Wählern nötig ist, um die gesamte Demokratie in diese Irre straucheln zu lassen. Wieviele Wähler wählen tatsächlich nicht politisch, sondern verwechseln Wahlen mit einer Gesichterparade oder der Münchhausen-Show? Gewiss nicht alle Wähler, aber schon 50% oder gar 30%, die den besten Lügner wählen, reichen aus, um diesem Politikerschlag dauerhaft die Mehrheit zu sichern. Und wie sollte ein Politiker überhaupt die Chance haben, dem demokratischen Mehrheitswillen zu folgen, wenn so viele Wähler sich gleich von ihm ab und dem nächsten Poser zuwenden, sobald er ihnen die politische Realität vorstellt und ihre Meinung dazu hören will?
  Und deshalb liegt die Krise der Demokratie nicht bei der Politik oder den Parteien. Sie liegt beim Wähler. Und entspricht damit wohl selbst wiederum einem demokratischen Konsens.

Mittwoch, 1. November 2006

Wochenend-Rundreise durch Mittelerde

Für gewöhnlich, wenn mir jemand ein »schönes Wochenende« wünscht, lautet meine Antwort: »Ich bin Freiberufler. Ich kenne kein Wochenende.« Und meistens ist das auch richtig, denn selbst wenn ich am Abend Besuch erwarte, auf eine Feier gehe oder mich mit Freunden zum Rollenspiel treffe, arbeite ich zumindest noch am Vormittag – auch Samstags, Sonntags und Feiertags.
  Auch letzten Samstagmorgen beim Einkaufen lag mir der übliche Spruch schon auf der Zunge – wäre aber eine Lüge gewesen. Denn am letzten Wochenende hatte ich mir wirklich freigenommen, weil zum Arbeiten keine Zeit mehr blieb: Ein Herr-der-Ringe-Wochenende war geplant, alle Versionen des Kinofilms in der Extended-Version. Über 11 Stunden Film mussten am Samstag und am Sonntag gesehen werden. Auch eine sportliche Herausforderung, wie ich seit einer Star-Trek-Nacht mit vier Filmen weiß ...


Die Planungen zu diesem Event liefen schon etwas länger: Ursprünglich war es die sogenannte »Junior«-Rollenspielgruppe (deren Altersdurchschnitt inzwischen auch schon die 30 überschritten hat), die ein solches Ereignis ins Auge fasste – und zwar vor mehr als anderthalb Jahren!
  Damals hatten wir uns gerade einen Video-Beamer gekauft, und ich schlug vor, dass wir die Filme dann bei uns anschauen. Denn gerade der Herr der Ringe sollte auf Kinoleinwand gesehen werden. Es wurde also geplant ... und geplant ... und geplant ... Aber es war einfach nicht möglich, zwei Tage hintereinander zu finden, an denen alle Junioren Zeit hatten. Wenn man bedenkt, wie schwierig es ist, mit dieser Gruppe Rollenspieltermine zu vereinbaren, hätte man das schon erwarten können.
  Nach anderthalb Jahren verließ Linda und mich also die Geduld, weil wir selbst gerne mal die Filme sehen wollten und nichts darauf hindeutete, dass es in den nächsten anderthalb Jahren besser werden würde. Wir beschlossen also, im Oktober das HdR-Wochenende durchzuziehen – komme, wer wolle!
  Und am letzten Wochenende des Monats hat es also auch geklappt. Natürlich konnten wieder nicht alle Junioren, und einige nur an einem der beiden Tage. Sechs Leute können bei uns im Wohnzimmer recht bequem gucken, acht wäre in etwa die Höchstgrenze, und die würde man wohl erreichen, wenn alle Junioren zusammenkommen. Wenn man also mit den Junioren einen großen Filmabend plant, kann man eigentlich niemanden sonst dazu einladen – schade, wenn dann kurzfristig Lücken entstehen, die man bei besserer Planung noch hätte nutzen können.


Trotzdem, zu Spitzenzeiten waren sechs Leute da. Fürs richtige Hobbit-Ambiente waren reichlich Speisen verfügbar, einschließlich einer Himbeertorte am Sonntag. Und die Filme waren wieder mal großartig.
  Es war das erste Mal, dass ich alle Extended Editions unmittelbar hintereinander gesehen habe. Und ich war überrascht, wie gut ich es vertragen habe – keine Müdigkeit, kein wehes Sitzfleisch ... Eigentlich hätte ich direkt mit der Animated-Reihe weitermachen können ...
  Nein, aber im Ernst: Wenn man die Filme zum wiederholten Male sieht, ändert sich das Erleben. Man wird nicht mehr so erschlagen und mitgerissen. Man weiß, was auf einen zukommt, und man wartet förmlich auf gewisse Bilder. Dafür aber schaut man mehr auf die Details und wird umso stärker in die Filme reingezogen. Und, in gewisser Hinsicht sieht man auch manches milder: Im Kino hat mir der erste Teil noch am besten gefallen, und in der ExEd war er großartig; der zweite Teil fiel demgegenüber stark ab, der dritte drehte noch mal auf – aber wenn man weiß, was einen erwartet, rücken die Teile tatsächlich wieder näher aneinander. Denn vieles hängt auch von der Erwartenshaltung ab, was das HdR-Wochenende insgesamt zu einem homogeneren Erleben werden ließ als die Filme in Einzelwertung.
  Und am Ende fiel es ein wenig schwer, sich daraus zu lösen. Die Stimmung und die Musik wirkten nach; und ich fühlte mich irgendwie an jene Wochenenden meiner Kindheit erinnert, wo ich die drei Bücher von Freitag bis Sonntag in einem Rutsch durchzulesen pflegte.


Alles in allem muss ich also sagen, dass so ein Herr-der-Ringe-Wochenende auch eine anderthalbjährige Wartezeit lohnt. Und dass ein nachfolgender Halloween-Abend gut geeignet ist, um wieder aus der Anderswelt Mittelerde herauszufinden. Gut geeignet? Geradezu nötig!

Freitag, 27. Oktober 2006

Da fasst man sich doch an den Totenkopf ...

Heute möchte ich mal zwei kleine Geschichten erzählen: Es muss im Jahr 1984 oder '85 gewesen sein, ich war wohl so etwa 16 und saß mit ein paar Freunden zusammen. Einer erzählte, dass er einen Totenschädel gefunden und jetzt auf dem Schreibtisch stehen hätte. Das war in dem Alter cool, und man unterhielt sich weiterhin, wo man so was finden oder kaufen kann, ob ein entsprechendes Angebot wohl echt sei etc. pp.
  Einige Jahre später war ich selbst bei der Bundeswehr, und ein paar Spinner redeten darüber, dass sie mal nachts auf einem nahe gelegenen Friedhof ein paar Gebeine ausgraben wollten. Das fanden sie cool, aber ich bezweifle, dass sie es jemals getan haben – jedenfalls wusste die örtliche Presse nichts dergleichen zu vermelden.
  Im letzten Fall wurde sicher eine Grenze überschritten, aber die Bandbreite zwischen Geschichte 1 und 2 zeigt doch deutlich: Was derzeit in der Presse als »Bundeswehrskandal« aufgebauscht wird, spiegelt schlichtweg die gesellschaftliche Realität wieder.


Wer meine ausführliche und sachlich ausgewogene Meinung zu dem Thema lesen mag, der klicke einfach hier weiter.


Wer es lieber kurz, knackig und emotional haben will ... nun, da habe ich das Treffendste leider schon als Kommentar bei den Shortnews von Stern gelesen und könnte es selbst auch nicht provokanter auf den Punkt bringen: »Wieso haben die nicht einfach kleine Kinder mit Streubomben bombardiert, wie es anständige Nationen machen? So 'nen Totenkopf hochheben ist schon arg übel.«
  Irgendwie hatte ich beim Lesen dieser Zeilen das Gefühl, dass sie die Bedeutung dieses »Bundeswehrskandals« sehr genau ausdrücken; und auch die Diskrepanz zwischen der politischen Empörung in diesem Zusammenhang und der Realität in der Welt dort draußen. Ich würde mir jedenfalls wünschen, dass alle Politiker, Generäle, Journalisten etc., die jetzt laut über diese Totenschändung lamentieren, sich maßstabsgerecht und ebenso kompromisslos äußern, wenn demnächst mal wieder irgendwo Totenschädel produziert werden.

Montag, 23. Oktober 2006

Der spielsüchtige Staat

Im Zuge des großen Lotto-Jackpots feierte der Sozialneid ja mal wieder fröhliche Urständ ... Und, ja, ich weiß: Dieser Jackpot ist nicht mehr die neueste News, aber ich liege im Blog halt ein wenig zurück ;-)
  Sei's drum: Ich fand es schon bemerkenswert, wie sich der blinde und negative Aktionismus in den Zeitungen breit machte. Da kamen die Schreiberlinge zu Wort, die einen Gewinn dieser Größe für unmoralisch hielten, weil solche Jahreseinkommen nur Managern vorbehalten bleiben sollten, die erfolgreich Arbeitsplätze abgebaut und dementsprechend etwas für ihr Geld geleistet haben. Und in der Politik kam gleich das Thema auf, solche Gewinnhöhen in Zukunft zu beschränken.
  Hat das etwa damit zu tun, dass weder Journalisten noch Politiker den Jackpot geknackt haben, was natürlich schwer zu verknusen ist? Aber nein, der laut genannte Grund war natürlich in beiden Fällen der Kampf gegen die Spielsucht. Es ist ja immer ein wichtiges Anliegen derer, die sich dazu berufen fühlen, Wähler respektive Leser vor der eigenen Dummheit zu schützen.
  Dabei ist die Heuchelei und Unglaubwürdigkeit dieser Ausrede selten so leicht zu durchschauen wie in diesem Fall. Denn eine Sucht erfordert per definitionem eine gewisse Kontinuität: Lässt man sich einmal durch besondere Umstände zu etwas verlocken, liegt keine Sucht vor. Eine solche hat man erst dann, wenn man zwanghaft ein Verhalten immer wieder ausüben muss, und weder äußere Umstände noch eigenes Wollen das noch zu beeinflussen vermögen.
  Vor diesem Hintergrund ist ein so hoher Jackpot dem Suchtverhalten sogar eher entgegengesetzt: Zwar mag sich der eine oder andere zum Spielen verleiten lassen, doch gerade die Fallhöhe nach der zwangsläufig erfolgenden Auszahlung verhindert, dass sich eine Routine entwickeln kann. Insofern könnte man also zu dem Schluss gelangen, dass genau das verhindert werden soll: dass allzu viele ernüchterte Spieler nach dem Jackpot die mickrigen Sümmchen nicht mehr zu würdigen wissen, die es zu gewinnen gibt, und der Lotterie somit »Spielsüchtige« und Einnahmen verloren gehen.


Aber dieser Schluss ist natürlich nicht nur zynisch und boshaft, sondern auch zu kurz gedacht. Im Hintergrund dieser Diskussionen, vor allem aufseiten der Politik, steht nämlich immer noch das kürzliche Urteil des Verfassungsgerichtes. Darin wurde festgehalten, dass ein Glücksspielmonopol des Staates zwar rechtmäßig ist, aber nur dann, wenn der Aspekt der Spielsuchtbekämpfung auch glaubwürdig verfolgt wird.
  Und darum geht es: nicht um Zusammenhänge, sondern um öffentlich vorzeigbares Handeln, sprich: Aktionismus. So ein Jackpot hat Öffentlichkeitsinteresse, und daher ist die Verlockung natürlich groß, sich dort hinzustellen, wenn man gesehen werden will. Zeitungen können mit ein wenig Betroffenheits-BlaBla Emotionen schüren und ein paar Blätter mehr verkaufen; ob an wirklich betroffene oder darüber empörte Leser interessiert auch niemandem. Und die Politik kann hier ganz unauffällig in die Öffentlichkeit tragen: Guckt mal, wir tun was *wink wink ans BVG*.
  Und wenn man zeigen kann, dass man die Spielsucht bekämpft, ohne wirklich einen der regelmäßigen Spieler abzuschrecken, ist das natürlich umso besser.


Für mich ergibt sich damit allerdings, dass gerade dieser Mechanismus einen der besten Gründe gegen das staatliche Wettmonopol aufzeigt: Denn wenn eine Regelung so offensichtlich Heuchelei und Unehrlichkeit fördert, ist er ein schädlicher Faktor für das politische Klima. Wenn man also dieses Monopol nur erhalten kann, indem man Showmaßnahmen inszeniert und die Leute für dumm verkauft, dann ist es besser für Deutschland, darauf zu verzichten. Das politische Ethos liegt ohnehin schon am Boden – da kann man eigentlich keine Regelung gebrauchen, die Geld dafür verspricht, dass man auf diesem Ethos noch etwas mehr herumtrampelt.
  Wenn der Staat um diesen Preis am Glücksspielmonopol festhält, verhält er sich selbst wie ein Süchtiger, der vom Glücksspiel einfach nicht lassen kann, nur auf den verheißenen Gewinn schaut und dabei die eigene Integrität aus dem Auge verliert. In diesem Sinne: Es wird Zeit, dass der Staat etwas gegen seine Spielsucht unternimmt!

Samstag, 14. Oktober 2006

Klisti, das kleine Klistier

Eine besonders nervige Frage wird besonders oft an Autoren herangetragen: "Wie kommst du eigentlich zu deinen Ideen?" Nervig ist die Frage deswegen, weil man eigentlich nichts rechtes darauf zu antworten weiß. Und natürlich, weil sie immer wieder gestellt wird ;-).
  Wenn man also doch mal was dazu sagen kann, sollte man es vermutlich tun - ehe man wieder vergisst, wo Ideen eigentlich herkommen. Und gestern hatte ich tatsächlich eine Idee, bei der ich noch ganz genau weiß, wie sie zustande kam. Also, wer wissen will, wie Ideen so entstehen, der kann sich hier schlaumachen. Was auch immer dem Leser das bringen mag, denn hier geht es nur um die Geschichte ...


<... von einem Helden, den man sich echt in den Arsch stecken kann>

Freitag, 29. September 2006

Biochips gibt's nicht nur in der SF

Auch ich gehöre zu den Leuten, die unter dem Chinarestaurant-Syndrom leiden – und das Schlimme: Bisher wusste ich das gar nicht!
  Vielleicht gibt es unter den Lesern noch weitere ahnungslose Opfer, daher werde ich mal kurz die Symptome schildern: Nach dem Besuch im Chinarestaurant habe ich regelmäßig ein Prickeln im Gesicht gespürt, teilweise auch in den Händen. Eine Mischung zwischen Taubheit, Kribbeln und einem Gefühl allgemeiner Unruhe, vergleichbar mit dem Genuss von allzu viel starkem Kaffee (nur dass mir nach dem Genuss von allzu viel starkem Kaffee eher übel wird, aber das ist eine andere Geschichte und soll ein andermal erzählt werden).
  Nun neige ich bekannterweise zu Allergien gegen alles und jeden, auch an Kreuzallergien gegen diverse weit verbreitete Grundnahrungsmittel wie Getreide und Obst und Gemüse. Da ist es ja nicht unwahrscheinlich, dass auch in der Chinakost das ein oder andere davon zu finden ist. Da es Kreuzallergien sind und keine »echten« Nahrungsmittelallergien, wirken sie sich bei gekochten Nahrungsmitteln in der Regel nicht aus – trotzdem habe ich mir bei den Symptomen nie etwas anderes gedacht, als dass einfach ein paar Allergene durchgeschlüpft sind und mich ein wenig in Mitleidenschaft ziehen.
  Also habe ich einfach vor einem Besuch beim Chinesen noch eine Allergietablette eingeworfen, und das führte in der Regel tatsächlich dazu, dass die Symptome nur in einer abgemilderten Form zu spüren waren.


Sehr überrascht hat es mich dann allerdings, als ich bei meinem letzten Besuch in Bayern in einer Zeitschrift gelesen habe, dass ich keinesfalls das einzige Opfer dieser rätselhaften Symptome bin. Vielmehr ist es ein recht weitverbreitetes Syndrom mit zwar möglicherweise allergischem Hintergrund, das aber nichts mit meiner speziellen Allergie zu tun hat. Als Auslöser werden in erster Linie die gerade in chinesischem Essen reichlich vorhandenen Geschmacksverstärker vermutet.
  Nun bin ich nicht gerade leicht für die üblichen Lebensmittel-Panikmachen irgendwelcher »Ökos« zu erreichen, aber wenn die Evidenzen derart eindeutig sind, ziehe ich doch Konsequenzen. Geschmacksverstärker mögen schädlich sein oder auch nicht (immerhin sollte man nicht vergessen, dass sie auch in natürlicher Nahrung vorkommen und der Organismus grundsätzlich durchaus in der Lage sein sollte, damit umzugehen) – aber ich habe selbst handfest erfahren, dass sie zumindest in Überdosierung eine ebenso spürbare wie unerwünschte Wirkung auf meinen Körper haben und nicht einfach folgenlos durchgehen.
  Grund genug, diese Überdosierung zu reduzieren und sie zumindest dort gezielt zu vermeiden, wo man ohne spürbaren Verlust an Lebensqualität darauf verzichten kann.


Nach meiner Rückkehr aus dem Urlaub habe ich dann auch abrupt meine Ernährungsgewohnheiten dementsprechend umgestellt und angefangen, auf die »E62...« im Essen zu achten. Nicht so weit, dass ich jetzt krampfhaft auf alle Geschmacksverstärker verzichten will – denn, wie gesagt, da die entsprechenden Stoffe auch in natürlichen Lebensmitteln vorkommen, können sie kaum per se schädlich sein. Ich wollte nur die Überdosierung beenden, indem ich gezielt gleichwertige Alternativen ohne Geschmacksverstärker suche.
  Aber das erwies sich als gar nicht mal so einfach. Bisher war unsere Küche sehr von »Convenience« geprägt. Das betraf gar nicht mal regelrechte »Fertigmenüs«, aber doch sehr stark industriell gefertigte Würzmischungen (wie beispielsweise das sehr wohlschmeckende »Paprika-Sahne-Hähnchen« von Maggi ... aber auch das schweift jetzt vom Thema ab). Und zu meinem Ärger musste ich feststellen, dass gerade diese praktischen und altgewohnten Helfer für die schnelle Küche ohne Geschmacksverstärker nicht zu finden waren.
  Nachdem also unsere Speisenauswahl so plötzlich reduziert worden war, und vieles von dem, was noch blieb, beim Essen ein schlechtes Gewissen verursachte, führte mich mein Weg tatsächlich mal in den Bioladen am hiesigen Bahnhof. Es war, wie ich gestehen muss, nicht der erste Besuch – aber während ich sonst nur gezielt einzelne Produkte wie Traubenkernöl dort gekauft hatte, unterzog ich nun zum ersten mal das Gesamtprogramm einer näheren Inspektion. Und ich war angenehm überrascht, was ich dort alles fand ...
  Die Zeiten, wo Bioläden nur Körnermischungen für Ökos anboten, sind anscheinend tatsächlich vorbei. Und man findet sogar einen erstaunlich hohen Anteil an »Convenience«-Mischungen dort – und zwar allesamt frei von Geschmackverstärkern. Ganz nebenbei fand ich auch noch ein paar Dinge, die ich schon lange gesucht habe und einfach praktisch für meine Lebensführung finde, obwohl mich der »Bio«-Gedanke dabei kaum interessiert – beispielsweise tiefgefrorenen Mais in einzelnen Körnern (praktisch portionierbar) und einzeln zu kaufende Eier (zwar recht teuer, aber bei unserem Eierverbrauch merke ich es ehrlich gesagt kaum, wenn das einzelne Ei doppelt so viel kostet wie im Supermarkt; aber ich merke es recht deutlich, wenn das letzte Ei aus dem üblichen »Sixpack« beim Verzehr schon zwei Monate alt ist).
  Vollends überzeugt war ich dann, als ich im Bioladen sogar die ebenso beliebten wie ungesunden Kartoffelchips fand – ebenfalls frei von Geschmacksverstärkern. Die ersten dieser »Biochips« schmeckten irgendwie ... anders. Aber nach drei Bissen hatten die Geschmacksnerven plötzlich umgeschaltet, und ich stellte fest, dass es im Grunde die besten Kartoffelchips sind, die ich kenne. Und zwei Vorurteile über Geschmacksverstärker fand ich dabei widerlegt: Erstens fand ich diese Chips extrem geschmacksintensiv – und zweitens konnte ich auch ohne Geschmacksverstärker kaum aufhören, davon zu essen.
  Na ja, inzwischen hat sich das Verhältnis etwas normalisiert, und ich habe auch das Gefühl, der Geschmack unter Verzicht auf künstliche Zusatzstoffe ist bei diesen »Biochips« durch einen recht hohen Salzgehalt erkauft. Außerdem scheinen die Zutaten tatsächlich natürlicher zu sein, denn meine Allergien (beispielsweise gegen Kartoffeln) regen sich nach dem Genuss stärker als bei konventionellen Chips). Aber irgendwas ist ja immer.
  Jedenfalls bin ich jetzt wohl tatsächlich zum regelmäßigen Kunden im Bioladen geworden (wie ich peinlich berührt eingestehen muss). In Verbindung mit einer Ausmistung meines üblichen Warenspektrums bei gleichzeitiger Erhöhung auch des Anteils an Bioartikeln vom Discounter habe ich es geschafft, Geschmacksverstärker ebenso wie Essen aus der Dose extrem zu reduzieren. Unsere Standardmahlzeiten sind jetzt so ziemlich frei von beidem – und zwar ohne dass wir unsere Kochgewohnheiten und geschmacklichen Vorlieben nennenswert ändern mussten.


Und den gelegentlichen Besuch beim Chinesen werde ich mir auch nicht nehmen lassen ;-)

Donnerstag, 21. September 2006

Rettet die heimischen Eishörnchen

Man hört ja so viel vom Klimawandel und seinen Folgen. So werden beispielsweise bei uns Tierarten heimisch, die wir bisher nicht kannten: In diesem Sommer war viel vom so genannten "Dornfinger" die Rede, der seine sonnigen Almen verlässt und sich im Tiefland ausbreitet. Und die gefürchteten amerikanischen Rieseneichhörnchen, die angeblich ja unsere kleinen, rotbraunen Exemplare verdrängen, habe ich selbst schon vor unserem Haus beobachten können.
  Erst gestern konnte ich in der Zeitung lesen, dass der Klimawandel auch ganz neue Arten entstehen lässt. Wusste ich natürlich längst. Auch hier war die Wirklichkeit mal wieder schneller als die Wissenschaft, denn die neuen Arten sind schon da - genau genommen haben mich einige derartige Exemplare jüngst beim "Plus" überfallen.


Da ging ich also friedlich in meinem nahe gelegenen Verbrauchermarkt zwischen den Tiefkühltruhen einher, als sie plötzlich auf mich eindrangen: Die hoch aggressiven Riesen-Eishörner, die sich seit etwa letztem Jahr dort angesiedelt haben. In unregelmäßigen Intervallen wächst sich die Population dort zu einer wahren Eishorn-Plage aus, und letztens war es mal wieder so weit.
  Ich war von riesigen Scharen Rieseneishörner umlagert. "Nimm uns mit", kreischten sie und traktierten mich mit ihren unterschiedlichen Geschmacksrichtungen - Schoko, Tiramisu, Erdbeer oder Waldfrucht. Was sollte ich also machen? Die Eistruhe im Laden war der Bevölkerungsexplosion nicht mehr gewachsen, und so musste ich schließlich so viele von den Eishörnern wie möglich in meinen Wagen laden.
  Jetzt sitzen sie also in meinem kleinen, aber heimeligen Gefrierschrank in der Küche und haben die winzigen heimischen Eishörnchen dort schon gänzlich verdrängt. Aber ich hatte dabei natürlich einen Plan und tue was für den Naturschutz: Während der Masse der Eishörner im Plus kaum beizukommen ist, sind sie in meinen kleinen Gefrierfächern isoliert und hilflos. So schaffe ich Schritt für Schritt wieder Platz und habe mir bei den Rieseneishörnern jene Lösung zu eigen gemacht, die ein englischer Lord schon für die amerikanischen Eichhörnchen vorgeschlagen hat ...
  Und ich vermute mal, bald ist der Lebensraum wieder frei für die kleinen heimischen Hörnchen. Zumindest, wenn bis dahin keine neuen Rieseneishörner migriert sind.

Donnerstag, 7. September 2006

Auf dem Räubermarkt

Vor kurzem ist es den Schlechtmenschen wieder mal gelungen, in meiner Tageszeitung einen Tendenzartikel zu platzieren. "Mehr Eigenverantwortung und Markt" wurde darin empfohlen, als Lösung für die Probleme der gesetzlichen Krankenversicherung. Nun ist Eigenverantwortung ja grundsätzlich wünschenswert, und marktwirtschaftliche Elemente können im Gesundheitswesen überbordenden Kosten für Bürokratie und Monopolismus entgegenwirken.
  Ein Allheilmittel allerdings sind sie nicht. Es lässt sich recht einfach zeigen, dass "Markt und Eigenverantwortung" ihre Grenzen haben und staatliche Regelung in gewissen Situationen sinnvoll ist. Als plastisches Beispiel stelle ich mir nun mal den Straßenräuber vor, der mit der Pistole dem Opfer auflauert und "Geld oder Leben" fordert.
  Wann werden die Schlechtmenschen auch hier die staatliche Regulierung des Marktes für Straßenräuberei beklagen? Wann werden sie fordern, das Geld für die Rechtspflege zu sparen und auf die Eigenverantwortung der Opfer setzen? "Markt" würde dann bedeuten, dass Täter und Opfer frei aushandeln dürfen, was denn das Leben des Überfallenen wert ist. Und auch die Eigenverantwortung hält viele Lösungen bereit: Das Opfer kann selbst eine Waffe mitnehmen, oder es bleibt gleich ganz zu Hause. So gestaltet sich also eine freie Gesellschaft ganz nach Markt und Eigenverantwortung.
  Aber keine Sorge, das absolute Primat von "Markt und Eigenverantwortung" führt keinesfalls automatisch zurück in die Steinzeit. Es hält auch zivilisierte Ansätze bereit: Schutzgelderpressungen - die neoliberale Kriminalitätsgestaltung par excellence, in freier Wettbewerbsgestaltung zwischen Täter und Opfer.


Wer das als Ideal nicht teilen kann, der muss akzeptieren, dass es für "Markt und Eigenverantwortung" Grenzen geben muss - nämlich immer dann, wenn ein Ungleichheitsverhältnis der Vertragspartner eine wirkliche freie Absprache verhindert; oder wenn ein wild wuchernder Markt nur den Interessen einzelner dienen würde und nicht mehr der Gemeinschaft als solcher.
  Im Gesundheitswesen ist meiner Einschätzung nach beides der Fall. Wenn der Kranke zum Arzt geht, befindet er sich in einer Ausnahmesituation. Es ist den Anbietern im Gesundheitswesen ein leichtes, mit Angst und Druck zu operieren, während der Patient den Fachleuten weitestgehend ausgeliefert ist. Natürlich kann der Kranke sich kundig machen und als gut informierter Kunde auftreten - aber es ist immer noch sein Leben, mit dem er für Fehler einsteht und das er im Zweifel als Laie gegen die Fachleute in die Waagschale werfen muss, wenn er selbst die Entscheidung treffen will, was zu welchem Preis medizinisch notwendig ist.
  Es sollte also niemand daherkommen und mir erzählen, dass "Markt und Eigenverantwortung" auch das Gesundheitswesen regulieren können, nur weil das bei Fernsehgeräten schon so gut funktioniert. Denn bei Fernsehgeräten kann der Verkäufer zwar behaupten, dass ich tot umfalle, wenn ich den neuen Fernseher nicht kaufe - aber nur im Gesundheitswesen verwischen in solchen existenziellen Fragen die Grenzen zwischen "Werbung" und "Beratung". Damit befindet sich der Patient in einer subjektiven "Geld oder Leben"-Situation und hat deshalb auch das Recht darauf, vor einem freien Wechselspiel von "Markt und Eigenverantwortung" ebenso gut geschützt zu werden wie in obigem Straßenräuber-Beispiel.
  Nun ja, Markt und Eigenverantwortung in kontrolliertem Umfang können das System aufbessern. In welchem Umfang, darüber lässt sich diskutieren. Auf keinen Fall aber sollte man sich von den Schlechtmenschen einreden lassen, dass die Marktsituation im Gesundheitswesen mit anderen Geschäftsbereichen selbstverständlich vergleichbar sei. Und dass "Markt und Eigenverantwortung" ein nicht hinterfragbares Primat vor externer Lenkung und Kontrolle zukäme.


Wer nun immer noch an die neoliberale Mär vom "gleichberechtigten Patienten" glauben will, der sollte sich nur mal anschauen, wie die Diskussion um "Markt und Eigenverantwortung" im Gesundheitswesen geführt wird - nämlich genau so einseitig, wie es der Ungleichheit zwischen Kunde und Anbieter in diesem Markt auch entspricht. Denn von "Eigenverantwortung" ist immer nur dann die Rede, wenn der Patient bezahlt. Eigenverantwortliche Gestaltung einer Therapie wird hingegen gar nicht gerne gesehen.
  Angeblich soll der Patient selbst entscheiden können, ob er ein Präparat braucht, dass der Arzt ihm verschreiben will - andererseits soll er aber nicht in eigener Verantwortung ein "verschreibungspflichtiges" Präparat erwerben dürfen, wenn er glaubt, dass er es braucht. Das Primat des Arztes wird in der Diskussion um die "Eigenverantwortung" niemals angetastet. Wie aber kann man von einem gleichberechtigten Markt reden, wenn man den Kunden auf die Wahl beschränken will: "Tue, was der Arzt dir sagt - oder lass es bleiben"?
  Wenn man den Patienten für kompetent genug hält, dem Arzt gleichberechtigt gegenüberzutreten, dann muss man ihm auch sämtliche Behandlungsoptionen freistellen - notfalls auch die Entscheidung, ob er überhaupt den Arzt als Dienstleister hinzuziehen möchte. Wenn man ihm allerdings (wofür es durchaus gute Gründe gibt) diese Kompetenz nicht zubilligt, dann sollte man auch mit der Augenwischerei einer "gleichberechtigten Marktsituation" aufhören und eingestehen: Die Forderungen, die sich daraus ergeben, sind grob unbillig - und eine tatsächliche freie Marktsituation ist überhaupt nicht gewollt.
  Denn das Ungleichgewicht in der Diskussion zeigt deutlich, worum es eigentlich geht: nicht um "Markt und Eigenverantwortung", sondern um die Ausweitung der Pfründe für die stärkeren Marktteilnehmer durch weitere Inidividualisierung und Zersplitterung der "Melkkuh Patient".

Samstag, 2. September 2006

Von Gutmenschen und Schlechtmenschen

Eigentlich wollte ich heute ja unter die Lupe nehmen, was die Schlechtmenschen so zur Krankenversicherung schreiben. Aber womöglich wissen meine Leser noch gar nicht, was ein "Schlechtmensch" eigentlich ist? Also erkläre ich erst einmal das.
  Was ein "Gutmensch" ist, weiß wohl jeder. Kein Wunder, wo man dieses Wort doch unentwegt überall zu lesen bekommt. Aber andererseits ... oft wird so leichtsinnig jeder politische Gegner als "Gutmensch" bezeichnet, dass der ein oder andere vielleicht doch schon wieder vergessen hat, was damit eigentlich gemeint ist?
  Ursprünglich wurde damit ein Menschentypus bezeichnet, der wahrscheinlich jedem von uns schon mal auf die Nerven gegangen ist: der typische "Sozialpädagoge" der unangenehm salbungsvollen Art, ein naiver Vertreter vorwiegend des linken Spektrums, der zwar an das Gute in der Welt glaubt, aber das schlechte nicht wahrhaben will. Zumindest nicht das Schlechte, das naturgemäß im Menschen steckt. Schlecht ist hingegen alles, was von der "Gesellschaft" kommt - was auch immer nun diese Gesellschaft sein mag.
  Der Gutmensch ist gut darin, Bedenken zu finden; und er setzt sich sehr für die Rechte benachteiligter Minderheiten ein - wie beispielsweise Gewaltverbrecher, jugendliche Intensivstraftäter, den kriminellen Teil unserer ausländischen Mitbürger, paranoide Verschwörungstheoretiker, Sozialschmarotzer und was es sonst noch an schützenswerten Schwachen in der bösen Gesellschaft gibt. Und er nervt ganz besonders, wenn er mal wieder Scheuklappen verteilen will - die man natürlich dringend braucht, wenn man ihm auf seinem Weg folgen will.
  Das also versteht man unter einem "Gutmenschen".


Nun ist es allerdings zunehmend in Mode gekommen, wirklich jeden als "Gutmenschen" zu beschimpfen, der sich für Gerechtigkeit und soziales Miteinander einsetzt. Damit versuchen vor allem Vertreter des äußersten neoliberalen Spektrums Kritiker auszugrenzen und einer Diskussion über Inhalte aus dem Weg zu gehen: Denn mit den oben genannten "Gutmenschen" will ja nun wirklich kaum jemand verglichen werden, und so eignet sich die Diffamierung als "Gutmensch" hervorragend, um seine Gegner ins Abseits zu stellen - besonders, wenn sie Recht haben und Argumente vorbringen, zu denen man sonst nichts zu sagen weiß.
  Das Problem ist nun: Zwar weiß jeder (zumindest in etwa) was ein Gutmensch ist, und so können die Vertreter des extremen neoliberalen Spektrums mit einem prägnanten Kampfbegriff ihre Gegner diffamieren. Aber sie selbst sind fein heraus: Gibt es doch keinen vergleichbar griffigen Ausdruck, mit denen man sie angreifen und sich wehren kann.
  Zum Glück entspricht es den Gesetzen der Marktwirtschaft, dass auf jeden Mangel ein Angebot folgt. Ich werde also nun den fehlenden Begriff auf den Markt werfen und in Zukunft einfach vom "Schlechtmenschen" reden. Das liegt nahe, denn zum einen sind die echten "Schlechtmenschen" so ziemlich das genaue Gegenteil des echten "Gutmenschen", nur eben in der neoliberalen Ecke; und zum anderen lästern diese "Schlechtmenschen" mit einer solchen Vehemenz (wenn es nicht um die soziale, sondern um die sexuelle Ausrichtung ginge, könnte man sagen: mit einer solchen Homophobie) gegen die "Gutmenschen", dass sie sich offenbar gar nicht weit genug davon abgrenzen können.
  Also dürften sie sich auch nicht beklagen, wenn man sie mit dem exakten Antonym eines "Gutmenschen" bezeichnet.


Also, kurz zusammengefasst: Wenn ich in Zukunft vom "Schlechtmenschen" spreche, meine ich einen typischen, naiven und instinktgesteuerten Vertreter des neoliberalen Spektrums, der in reflexhaften Widerspruch verfällt, sobald von "Partnerschaft", "Solidarität" oder "sozialem Miteinander" die Rede ist. Der "Schlechtmensch" leugnet die Existenz einer Gesellschaft in demselben Maße, wie der "Gutmensch" ihr alles Schlechte zuschreiben möchte.
  Der archetypische "Schlechtmensch" (der natürlich ebenso wie der "Gutmensch" in der Realität niemals in reinster Form vorkommt) akzeptiert den Begriff "Gesellschaft" nur als abstrakte Bezeichnung für ein Konglomerat konkreter freier Individuen und widersetzt sich jedem Versuch, die Anhäufung von Einzelpersonen in irgendeiner Form zu einem homogenen Ganzen organisieren zu wollen. Abgesehen natürlich von den ordnenden Elementen, aus denen er als Individuum ganz konkret einen persönlichen Nutzen ziehen kann.
  Den "Schlechtmenschen" erkennt man im Alltag vorzugsweise daran, dass er den Begriff "Gutmensch" exzessiv verwendet und jeden politischen Gegner gerne so bezeichnet - am liebsten, ohne dass diese Bezeichnung genauer hinterfragt wird.
  So oder so ähnlich sieht jedenfalls der Typus aus, den ich vor Augen habe, wenn ich in Zukunft ganz griffig und plakativ einfach nur vom "Schlechtmensch" spreche. Nur damit niemand über das Wort stolpert ...

Freitag, 25. August 2006

Immer langsam!

Heute möchte ich von der Speispinne erzählen. Dieses Tierchen spinnt keine Netze, sondern verschießt sie stattdessen: Wie der Jäger auf der Pirsch visiert sie die Beute an – und nagelt sie dann mit rasend schnell verschleuderten Fäden am Boden fest.
  Nun gut, vielleicht nicht ganz so wie der Jäger auf der Pirsch.
  Aber alles hat seinen Preis. Der Preis für diese beeindruckende High-Tech-Ausstattung dieser Spinne ist eine leicht deformierte Kopfform: Sie erinnert ein wenig an einen Amboss. Ansonsten ist die Spinne eher klein und unauffällig, leicht getigert – und langsam. Das stand tatsächlich als Erkennungsmerkmal in einem Spinnen-Bestimmungsbuch.
  Augenblick mal – langsam? Jede Spinne kann sich doch mal langsam bewegen. Manche sitzen sogar den ganzen Tag in ihrem Netz und bewegen sich gar nicht! Was also soll das denn für ein Merkmal sein? So habe ich zumindest gedacht, als ich zum ersten Mal die Beschreibung der Speispinne gelesen hatte.
  Als ich das Tier dann zum ersten Mal tatsächlich sah, wusste ich es besser: Langsam ist eine hervorragende Beschreibung für die Speispinne: Mehr muss man nicht wissen, um sie zu erkennen! Wenn man eine Spinne sieht, die sich langsam bewegt, und man fragt sich, ob es eine Speispinne ist – dann ist es keine. Denn wenn es eine Speispinne wäre, wüsste man es ohne Frage. So bedächtig bewegt sie sich, wie in Zeitlupe.
  Es ist beeindruckend. Nicht beeindruckend im Sinne von »groß« (das Exemplar, das ich im letzten Jahr im Keller gefunden habe, maß vielleicht 1cm Körperlänge). Natürlich auch nicht beeindruckend im Sinne von »bedrohlich«. Eher beeindruckend im Sinne von: »Wie kann etwas überleben, was sich so langsam bewegt?«
  Wenn so eine Speispinne einen Schritt tut, hat man das Gefühl, sie müsse erst mal genau darüber nachdenken. Mehrfach während des Schrittes. Was mit dem aufs Netze-Schießen hin optimierten Kopf anscheinend etwas länger dauert.


Nun ja, es hat natürlich einen Grund, dass ich heute von der Speispinne erzähle: Gestern habe ich wieder ein neue im Keller entdeckt. Ich finde diese Viecher einfach cool – es hat etwas Beruhigendes, ihnen zuzusehen, wenn sie bedächtig wie ein Schachspieler ihren nächsten Zug planen.
  Außerdem sind sie nützlich: Sie sind ganz besonders auf Silberfische spezialisiert, und deshalb ist die Spinne, die ich letztes Jahr entdeckt habe, als Erstes in unser Bad geschleppt worden. Speispinnen sind auch selten – und daher betrachte ich sie auch als wertvoll. Ich würde jederzeit ihr Gewicht in Gold aufwiegen ... Zum Glück ist die Speispinne dieses Jahr kleiner als die vom letzten und dürfte deutlich weniger als 1 Gramm auf die Waage bringen.
  Und auch deutlich agiler. Gar so langsam ist die Neue nämlich nicht. Sie ist tatsächlich regelrecht forsch im Vergleich zu ihrem Artgenossen im letzten Jahr – zumindest auf ihre eigene, bedächtige Speispinnen-Art.
  Aber wie sie inmitten all der gefährlichen Raubspinnen im Keller überleben kann, frage ich mich immer noch.

Dienstag, 22. August 2006

Die Heckenschützen von der Polizei

Die Sicherheitskräfte postierten Heckenschützen auf den Dächern«, so vermeldete es gestern meine Tageszeitung aus dem Irak. Ich habe mich fast am Boden gewälzt vor Lachen – aber letztlich blieb es mir doch im Halse stecken. Denn »Scharfschützen« und »Heckenschützen« zu verwechseln ist doch eine Stilblüte auf Schülerzeitungsniveau, und gerade bei einem so tragischen Thema darf so etwas nicht vorkommen.
  Wenn allerdings die Sicherheitskräfte im Irak tatsächlich selbst die Heckenschützen auf den Dächern platzieren, dann darf einen das Chaos dort nicht wundern. Denn man sollte beachten: Die Wortwahl hier macht keinen kleinen Unterschied.
  »Heckenschützen« schießen aus dem Hinterhalt auf arglose Opfer. Dafür sind sie da. Ein Heckenschütze sorgt nicht für Sicherheit – ein Scharfschütze möglicherweise schon. Wer diese beiden Begriffe verwechselt, der drückt sich genauso ungeschickt aus, als würde er sagen:
  »Die Schläger, die der Veranstalter für den Abend engagiert hatte, hatten alle Mühe, den Ansturm an den Kassen zu bewältigen.« (oder hat der Veranstalter nicht doch Ordner beschäftigt?)
  »Bei den Bombenanschlägen der israelischen Luftwaffe kamen auch Zivilisten ums Leben.« (Anschläge? oder nicht eher Angriffe?)
  »Bei der Explosion einer Atombombe in Köln ...« (auch wenn sie die Attentäter nur eine Autobombe leisten konnten)


Früher waren solche Formulierungen noch ein Skandal. Heute sieht man das nicht mehr so eng. Ich frage mich, wann ich die nächste derartige Stilblüte in der Zeitung lesen kann – und wann in den Medien so viel an Arbeitszeit und Sachkompetenz eingespart wurde, dass es nicht mal mehr als Stilblüte wahrgenommen wird.

Donnerstag, 3. August 2006

Die Reform der Reform

Seit dem 1. ist sie also in Kraft, die reformierte Rechtschreibreform. Rechtzeitig zu diesem großen Ereignis gab es auch im Kölner Stadt-Anzeiger eine ausführliche Berichterstattung – und die Zeitung ist ihrem bisherigen Bestreben treu geblieben, keinen Beitrag zur NDR zu veröffentlichen, ohne darin eine profunde Fehldarstellung abzuliefern. In einem Textvergleich neu zu ganz neu wurde nämlich nahe gelegt, dass man erst seit den letzten Änderungen wieder das Komma vor einem mit »und« angeschlossenen Hauptsatz setzen darf.
  Das ist natürlich Blödsinn. Dieses Komma war durch die bisherige Reformschreibung schon freigestellt, und es ist im Rahmen der so genannten Agenturregeln auch in den meisten Publikationen unverändert gesetzt worden. In der alten wie in der neuen wie auch in der ganz neuen Rechtschreibung.


Nun ja, eine Marginalie – vor allem verglichen mit den Beispielen, die ich sonst so in den letzten Jahren zur Diskussion um die Rechtschreibreform lesen durfte. Ich hoffe jedenfalls, dass mit den neuerlichen Änderungen besagte Diskussion – die offenbar in erster Linie von jenen geführt wurde, die weder die alte noch die neue Schreibweise korrekt beherrschen – endlich vorüber ist.
  Die Hoffnung ist allerdings nur gering. Immerhin wurde ein »Rat für Rechtschreibung« eingerichtet, der alle fünf Jahre Bericht erstatten soll. Und solche Gremien neigen üblicherweise dazu, ihr Existenzrecht nachzuweisen, indem sie möglichst viel Bedeutsames zu tun finden. Bitte nicht. Das Bedeutsamste für die einheitliche Rechtschreibung dürfte jetzt erst mal sein, dass die Regeln lange genug unverändert bleiben, um sich daran zu gewöhnen.
  Denn wenn sich erst mal das Gefühl einstellt, dass jede richtige Schreibweise fünf Jahre später schon wieder falsch ist – dann gibt es bald keine richtigen Schreibweisen mehr.


Was ich persönlich mit der neuen neuen Rechtschreibung mache? Nun, so allmählich werde ich wohl umstellen, schon von Berufs wegen. Allerdings ist der letzte Duden noch ganz neu und auch mit recht heißer Nadel gestrickt – ich warte also noch mal die Diskussionen in nächster Zeit ab und schreibe korrekt nach der 22. Auflage, bis ich mir sicher sein kann, ein verlässliches Nachschlagewerk für die Neuerungen zu haben. Mal sehen, ob man dann hier im Blog irgendeinen Unterschied durch die jüngsten, hochwichtigen und unvermeidlichen Verbesserungen feststellt ;-)

Dienstag, 18. Juli 2006

Heiß!

Was waren das noch für Zeiten, als ein Baum vor unserem Wohnzimmerfenster stand. Die breiteste Fensterfront geht nämlich nach Süden, und so bot dieser Baum jeden Sommer zur Mittagsstunde angenehmen Schatten, nicht nur für das Fenster, sondern auch für das Dach und das gesamt Haus. So war das damals – bis ich eine Nachmittags am Wohnzimmertisch saß und den ganzen riesigen Stamm auf mich zukippen sah.
  Zum Glück verfing er sich, kurz bevor er in das Zimmer und auf mich krachte, noch an irgendeiner gespannten Leine und bog kurz vorher zur Seite ab. Dort rasierte er nur noch eine Ecke vom Dach ab, was in gewisser Hinsicht vermutlich ein Glück war. Alles andere als glücklich ist hingegen, dass seither unsere Wohnung der Sommersonne schutzlos ausgeliefert ist. Und, wie gesagt: Die Hauptfront des Wohnzimmers geht nach Süden, und die Wohnung liegt unter dem Dach.
  Wenn draußen also die Sonne scheint, dann wird es hier drin schnell wärmer als draußen. Und wenn die Sonne drei Tage lang scheint, hat sich die ganze Bausubstanz so aufgewärmt, dass sie auch nachts die Hitze wie eine Heizung abstrahlt.


Und genau das passiert hier derzeit. Inzwischen sind die Temperaturen hier oben über 30 Grad gestiegen. Heute habe ich unsere DVD-Sammlung in den Keller evakuiert, wo die Heimkinoanlage schon seit einigen Wochen steht. Und die glosende Aura der Wände ist bemerkenswert ...
  Wer sich also dafür interessiert, was ich zur Zeit so treibe: In erster Linie leide ich unter der Hitze. Das erschwert auch die Arbeit hier, und zwar nicht nur körperlich, sondern sogar sehr direkt. Heute morgen, ich war gerade dabei, den ersten Korrekturausdruck der letzten Übersetzung zu drucken, da verabschiedete sich mein Computer. Einfach so – die Festplatte war nicht mehr ansprechbar und blieb auch so während meiner Reparaturversuche.
  Als ich einige Stunden später mit einem Packen Restaurations-CDs wieder auftauchte, funktionierte alles wieder problemlos. Vielleicht ein Hitzeschock? Ich werde jedenfalls rasch diesen Eintrag aufspielen, bevor sich dieser Vorgang wiederholt.

Freitag, 7. Juli 2006

Man kann ohnehin nichts Neues mehr schreiben ...

Diesen Spruch habe ich nun schon so häufig gehört – und zwar allzu oft als Ausrede für einfallslose Geschichten. Erst heute kam er auf einem Forum wieder zur Sprache, und das nehme ich jetzt mal zum Anlass, einen Blog-Eintrag diesem Thema zu widmen.


Angeblich muss man sich ja als Autor heutzutage nichts mehr einfallen lassen. Alles ist schon geschrieben worden, und Bücher wie die "20 Masterplots" legen nahe, dass im Grunde ohnehin nur dieselben Geschichten immer wieder wiederholt werden. Das ist aus einer gewissen Perspektive heraus sicher richtig – trotzdem ist es Blödsinn. Denn richtig wird es nur dann, wenn man die Bedeutung dermaßen allgemein fasst, dass überhaupt nichts mehr damit ausgesagt wird.
   Nehmen wir als Beispiel mal die Sprache: Die Anzahl der Worte ist endlich, selbst wenn man alle Worte in allen Sprachen zusammennimmt. Von ein paar Neologismen abgesehen ist jedes Wort auch schon mal verwendet worden - logischerweise, sonst würde ja niemand es kennen. Trotzdem: Wer würde behaupten, dass man "eh nichts Neues mehr sagen kann, weil jedes Wort schon mal irgendwo gefallen ist"? Und wer könnte das behaupten, ohne sich lächerlich zu machen?
  Und nichts anderes behauptet derjenige, der die Ansicht vertritt, dass man keine neuen Geschichten mehr schreiben könne. Denn genau wie Worte sind auch Redewendungen, Bilder, Themen und auch die »20 Masterplots« nur die Bausteine einer Geschichte. Zu behaupten, man könne keine neuen Geschichten mehr schreiben, weil ja die Bausteine alle schon mal verwendet wurden, ist in dem einen Fall so sinnlos wie in dem anderen. Denn eine Geschichte besteht nicht nur aus willkürlich in einen Topf geworfenen Bausteinen - die Komposition dieser Bestandteile ist entscheidend.
  Und weil im Gegensatz zu den Bestandteilen die Variationsmöglichkeiten derselben potenziell unendlich sind, kann man auch jederzeit etwas Neues schreiben.


Ich halte die Behauptung, dass es nichts Neues mehr gäbe, sogar in der Entwicklung eines Autors für schädlich. Ich muss dabei stets an meine Fahrschulzeit denken: Dort empfahl nämlich der Lehrer im Unterricht, dass man nicht auf die Hindernisse schauen soll, sondern auf den Weg an den Hindernissen vorbei. Denn ganz unbewusst folgt die Lenkbewegung immer dem Auge, und wer starr auf den gefährlichen Baum am Straßenrand blickt, der wird irgendwann auch dort landen; aber wer das Auge auf der Straße hält, der bleibt auch drauf.
  Diesen Vergleich finde ich für viele Bereiche recht treffend, und ganz besonders auch in diesem Fall. Wer also behauptet, es gäbe nichts Neues, der hält seinen Blick stets auf das Hindernis gerichtet, schaut starr auf den Baum am Straßenrand und sieht nichts anderes mehr. Denn wer stets den Gedanken im Hinterkopf hat, dass es »nichts Neues mehr gibt«, der wird das Neue auch nicht sehen; und wer die Ausrede schon in der Hand hält, wird sich auch leichter mit Ergebnissen zufrieden geben, für die er die Ausrede braucht.
  Wer hingegen felsenfest davon überzeugt ist, dass er die bahnbrechende, neue, noch nie da gewesene Idee gefunden hat ... irrt sich womöglich und oft, und komponiert doch nur zu 99% die altgewohnten Bestandteile in den altgedienten Bahnen. Aber er hält sich zumindest die Möglichkeit offen, jenes 1% zu finden, das gerade sein Werk einzigartig macht - durch Elan, fehlende Scheuklappen und den ständigen Drang, zumindest immer nach etwas Neuem zu suchen.

Sonntag, 2. Juli 2006

Froschalarm

Nach über einem Jahr ist es wieder so weit: Die Frösche sind zurück. Gestern (Sonntag) Nachmittag waren wir wieder an dem schon im letzten Jahr beschriebenen Brunnen, und wieder drängen sich Hunderte von Fröschen an der steilen Wand. Zwei Monate später als im letzten Jahr, und nur Hunderte, nicht mehr Tausende. Immerhin.
  Aber Stress wird das trotzdem wieder.


Morgen früh werde ich zuallererst mal zu den Fröschen rausfahren und alle bergen, die ich finden kann. Leider bin ich da ganz allein. Am Nachmittag könnte ich zumindest meine Freundin zum Fröschetragen mitnehmen – nur leider vertrocknen gerade in der Mittagssonne die Frösche reihenweise bei dem Versuch, die Brunnenwand emporzuklettern. Da ich unter diesen Umständen sowieso keinen ruhigen Vormittag haben werde, kann ich auch gleich rausfahren und mich drum kümmern.


Im letzten Jahr hatte ich mir ja fest vorgenommen, mich nicht noch mal auf so etwas einzulassen – wir haben damals in mehr als einmonatiger Arbeit Zigtausende von Fröschen geborgen und auf alle Feuchtgebiete im Umland verteilt. Damals waren wir leider nur zu dritt, und das war eigentlich viel zu viel Arbeit für drei Personen, vor allem, wenn man auch sonst noch was zu arbeiten hat.
  Ich hatte mir fest vorgenommen, für dieses Jahr Hilfe zu organisieren, aber das hat sich dann doch nicht so ergeben. Zum einen war der Zeitplan so undurchschaubar – durch den kalten Frühling sind die Tiere so spät dran, dass im letzten Jahr um diese Zeit schon alles vorbei war. Und dann sah es so aus, als gäbe es gar keine Frösche, sondern nur Kröten im Brunnen. Und die sollten stark genug sein, um aus eigener Kraft rauszukommen – aber was jetzt da an der Wand sitzt, sind dieselben käfergroßen Minifrösche wie im letzten Jahr.
  Und drittens sind es nicht so viele. Eigentlich sieht es nicht so aus, als würde es sich lohnen, jetzt noch Hilfe zu organisieren (mal abgesehen davon, dass das im letzten Jahr schon nicht funktioniert hat). Nur ein paar Hundert Stück – man sollte meinen, ich gehe morgen einmal um den Brunnen und habe in zwei Stunden alles eingesammelt und abgeliefert.
  Nur leider habe ich das auch im letzten Jahr an vielen Tagen gedacht, und dann haben sich die Reihen über Nacht doch wieder gefüllt. Na ja, letztendlich kann ich das wieder nur abwarten ...

Mittwoch, 21. Juni 2006

Rauchverbot

In den letzten Tagen ist der Zigarettenqualm wieder mal ins Gerede gekommen: Einmal mehr wird über ein Rauchverbot in öffentlich zugänglichen Räumlichkeiten diskutiert. Vermutlich nur ein Vorbote auf das Sommerloch – aber trotzdem ein Thema, das mir am Herzen liegt.
  Auch in meiner Tageszeitung ließen sich dazu manche wort- oder bildreichen Ausführungen finden, die man allerdings recht einfach in einem Satz zusammenfassen kann: Anscheinend sind die meisten Redakteure des Kölner Stadt-Anzeigers noch Raucher. Na ja.
  Ein weniger praxisnäher und nicht so erfüllt von Freiheit und Abenteuer äußerte sich der Kommentar im kostenlosen Wochenblatt. Dort fand ich auch den Hauptgrund auf den Punkt gebracht, aus dem ich ein Rauchverbot in Gaststätten befürworte: Wenn man sich als Nichtraucher von fremden Rauchern in einem Lokal gestört fühlt, kann man nicht auf freiwillige Rücksichtnahme hoffen. Das lehrt die langjährige Erfahrung, und zwar schon seit so langen Jahren, dass man sich die derzeitige Testphase mit freiwilligen Rauchbeschränkungen auch sparen kann.
  Dabei ist es keinesfalls so, dass die Raucher kein Verständnis für die Probleme der Nichtraucher hätten, oder sie gar nicht nachvollziehen könnten. Die meisten sind sich des Störfaktors Qualm sehr wohl bewusst. Man sieht es deutlich, wenn man beobachtet, wie Raucher sich untereinander oder in der Gesellschaft von nichtrauchenden Freunden verhalten. Viele Raucher machen die Kippe nämlich schon aus, wenn an ihrem eigenen Tisch gegessen wird. Aber sobald der eigene Tisch fertig ist, zuckt die Hand zum Feuerzeug – egal ob der Gast am Tisch hinter dem Raucher gerade sein Dessert bekommt.
  Daraus kann ich eigentlich nur eines schließen: Die meisten Raucher, wenn nicht selbst zu gut durchgeräuchert oder völlig schlecht erzogen, wissen genau, dass ihre Zigarette anderen Leuten das Essen vermiesen kann. Aber wenn es nur einen Fremden trifft, ist es ihnen schlichtweg egal. Und natürlich gibt es Ausnahmen – sowohl in die positive wie auch in die negative Richtung – aber da im Zweifel ein einziger Raucher ausreicht, würde es nicht einmal weiterhelfen, wenn wirklich eine Mehrheit sich rücksichtsvoll umschauen würde, bevor man die Zigarette anzündet.


Also, meine einzige Chance, jemals stressfrei und in sicherer Erwartung ungestörten Genusses beispielsweise eine Eisdiele aufsuchen zu können, wäre ein Rauchverbot. Und, geben wir uns keinen falschen Vorstellungen hin, dass da noch eine echte Diskussion stattfinden muss: Ein solches wird auch kommen; egal, ob gut oder schlecht – und egal, wie jetzt die Diskussion verläuft. Der Zeitgeist geht einfach in diese Richtung, und früher oder später muss Deutschland nachziehen.
  Die Frage ist nur, ob das geschieht, bevor ich an Asthma gestorben bin oder danach ...

Sonntag, 18. Juni 2006

Wer hat eigentlich die Arbeitslosigkeit erfunden?

Heute morgen im Radio wurde ein Beitrag angekündigt: Irgend so ein Scherz-Interviewer a la »Elton« wollte sich in eine Fußgängerzone begeben und den Passanten folgende Frage stellen: »Wer hat eigentlich die Arbeitslosigkeit erfunden?«
  Nun war das nur die Ankündigung für einen Beitrag, der erst Stunden später kommen sollte. Ich weiß also nicht, was die Passanten diesem Interviewer geantwortet haben. Ich weiß allerdings, dass die Frage keinesfalls so dumm ist, wie die Radiomacher anscheinend glaubten: Den Arbeitslosigkeit ist keinesfalls ein Naturphänomen, sondern sie ist von Menschen gemacht; also ist es durchaus möglich, einen »Erfinder« zu benennen.


<Wer die Arbeitslosigkeit erfunden hat – das erkläre ich daher hier in einem ausführlichem Aufsatz>

Freitag, 9. Juni 2006

Evolution oder Schöpfung

Die christliche Schöpfungsgeschichte ist in letzter Zeit ja wieder kräftig im Gespräch. George W. Bush möchte sie am liebsten im Lehrplan der Schulen sehen, und zwar als gleichberechtigten Ansatz neben der Evolutionstheorie. Und das bringt die Naturwissenschaftler natürlich zum Kochen: Von wegen gleichberechtigter Ansatz - ein nettes Märchen ohne empirische Belege!
  Aber ist das wirklich so?


Eine angehende Autorin, die auf einem Forum regelmäßig Anekdoten über ihre Deutschlehrerin zum Besten gibt, machte mich nachdenklich. Wenn man ihre Geschichten hört, dann schüttelt man zwangsläufig den Kopf und denkt sich: »Nein, so eine Person kann es nicht geben!«
  Warum denkt man das? Ganz einfach: Weil man in der Schule die Evolutionstheorie verinnerlicht hat. Natürliche Auslese, »Survival of the fittest« ... Aber all diesen Theorien nach dürfte es eine Person wie besagte Deutschlehrerin einfach nicht geben!
  Wenn man hingegen an eine zielgerichtete und wohl ausgewogene Schöpfung glaubt, dann ergibt auch die Existenz einer solchen Deutschlehrerin einen Sinn: Man freut sich, von ihr zu hören, weil man sich selbst gleich viel besser und normaler findet. Es wirkt ganz so, als hätte ein Gott diese Person geschaffen, um seine Schöpfung abzurunden und sympathischer zu gestalten.


Also, kennen Sie nicht auch eine Person, die als lebender Gegenbeweis zur Evolutionstheorie herhalten kann? Die eigentlich im Verlauf einer Evolution hätte verschwinden müssen, die aber nichtsdestotrotz da ist und ihnen den Gedanken vermittelt: Mein Gott, was bin ich doch normal?
  Vermutlich kennen Sie so jemanden, und der Gedanke ist ganz richtig: Solche Menschen sind empirische Belege für die biblische Schöpfungsgeschichte und zugleich ein Gegenbeweis für die Evolutionstheorie. Und von diesen Beweisen gibt es nicht nur sehr viele, sondern sie sind auch noch deutlich greifbarer als die Belege für die Evolutionstheorie: Jeden Tag sieht man solche Personen auf der Straße, aber wie oft trifft man schon einen Dinosaurierknochen?


Also, die biblische Schöpfungsgeschichte kann sich durchaus auf empirische Belege stützen. Sie gehört daher dringend wieder als reguläres anerkanntes Unterichtsthema an die Schulen. Angesichts dieser Belege möchte ich sogar noch weiter gehen: Verbannt die Evolutionstheorie in den Religionsunterricht! Daran kann man nur glauben, wenn man zu viele Bücher liest – während man den Schöpfungsakt tagtäglich bestätigt findet, wenn man nur inmitten seiner Mitmenschen lebt.
  Und, nein, damit meine ich nicht Ihren Nachbarn, den es laut Evolutionstheorie auch nicht geben dürfte, der aber alles andere als einen Feel-Good-Faktor verbreitet, sondern Ihnen das Leben zur Hölle macht. Wie der in die Schöpfung gekommen ist, findet man allerdings auch in der Bibel erklärt ...

Montag, 5. Juni 2006

Können Sie das bitte genauer erklären?

Heute war bei uns Miracoli-Tag: Spaghetti Arrabiata stand auf dem Speiseplan. Als wir dann vor unseren Tellern saßen, wurde meine Freundin auf den Aufdruck der Parmesan-Packung aufmerksam: »Bitte hier aufreißen«.
  Da haben wir uns doch gefragt, was der Kunde wohl tun würde, wenn es auf der Packung keinen solchen Aufdruck gäbe ... Oder, anders gesagt: Ist es nicht völlig überflüssig, etwas so Banales extra anzugeben? Nein, welch ketzerischer Gedanke. Wenn ein Hersteller so was tut, hat er doch gewiss einen Grund dafür!
  Ich habe also sogleich spekuliert, was denn nun der Grund für eine solche »Gebrauchsanleitung« auf der Käsepackung sein könnte. Vermutlich gab es irgendwann mal einen Beschwerdebrief folgenden Inhalts: »Liebe Kraft-Fabrik, kürzlich habe ich eine Packung ihrer Miracoli-Nudeln erworben. Leider hatte sich um den geriebenen Käse eine Art Blase gebildet, so dass ich gar nicht drankam ...«
  So oder so ähnlich muss es wohl gewesen sein. Und damit es nicht wieder vorkommt, steht nun also auf dem Käse drauf: »Hier öffnen.« Kein Irrtum mehr möglich, keine weinenden Kinder mehr, die hilflos an der transparenten Käsepackung kratzen und nicht wissen ... Na ja, die Welt ist jedenfalls wieder ein Stück besser geworden.


Angeblich ist die Welt ja auch klüger geworden. Ich habe nun schon verschiedene mehr oder minder seriöse Berechnungen gelesen, denen zufolge die durchschnittliche Intelligenz der Menschen im Laufe der Jahrhunderte kontinuierlich angestiegen sein soll. Gewisse Eigenarten des modernen Lebens allerdings, wie ein solcher Aufdruck auf der Käsepackung, lassen mich mitunter daran zweifeln.
  Ich frage mich dann stets: Wie haben nur unsere so viel dümmeren Vorfahren überlebt? Gab es in der Steinzeit etwa Aufdrucke auf den in freier Natur gesammelten Nüssen: »Hier aufknacken«? Oder hatte das jagdbare Wild Markierungen auf dem Fell: »Bitte hier Speerspitze einstecken«? Seltsamerweise haben unsere so viel dümmeren Vorfahren es offenbar trotzdem geschafft, an ihr Essen zu kommen.
  Hätten sie sich also von einer Käsepackung aufhalten lassen? Vermutlich nicht – wenn sie gewusst hätten, dass darin etwas Essbares zu finden ist. Man sollte also annehmen, dass der Aufdruck »Käse« vollkommen ausreichend ist und sich alles weitere von selbst ergibt.
  Weniger ist eben manchmal mehr – und das wussten auch schon die Menschen in der Steinzeit. Wie ich aus sicherer Quelle erfahren habe, pflegten unsere Vorfahren nämlich ursprünglich vor jedem Lagerfeuer ein Warnschild anzubringen: »Vorsicht! Heiße Flammen!« Damit wollten sie verhindern, dass jemand sich beim Entziffern der Gebrauchsanleitungen auf Nüssen, Muscheln, Markknochen etc. zu dicht an die Flammen beugt und womöglich Verletzungen davonträgt. Man hatte allerdings nicht die Stolpergefahr bedacht, die von solchen Schildern unmittelbar vor den lodernden Flammen ausging, und so kamen Warnhinweise für lange Zeit aus der Mode. Wenn auch vermutlich nur deshalb, weil die Schadensersatzforderungen den Hersteller der Schilder in den Bankrott trieben.
  Man sieht, im Vergleich dazu sind die heutigen Verhältnisse noch harmlos, und vielleicht sind wir ja doch ein wenig klüger geworden.

Donnerstag, 1. Juni 2006

Der Ärztestreik und der Rücken der Patienten ...

Angeblich wollen die Krankenhausärzte ihren Streik ja nicht auf dem Rücken der Patienten austragen: Die Notfallversorgung sei sichergestellt, so heißt es. Nur: Was ist ein Notfall? Ganz offensichtlich liegt ein Notfall nur dann vor, wenn ein Patient im nächsten Augenblick tot umzufallen droht.
  Heute in der Zeitung war der Fall eines Patienten geschildert, der schwer rückenleidend ist. Er kann sich nur mit Gehhilfen bewegen, höchstens 50 Meter am Stück, und das auch nur unter ständigen Rückenschmerzen bis hin zu Taubheitsgefühlen in den Gliedmaßen. Eine Operation war bereits vorgesehen und geplant, doch wegen des Streiks ist sie nun auf unbestimmte Zeit verschoben – also, wenn man mich fragt, so wird in diesem Fall der Streik auf dem Rücken eines Patienten ausgetragen, und zwar buchstäblich!
  Würde man einem Menschen absichtlich solche Schmerzen zufügen, wie dieser Patient sie erdulden muss, so würde man sicher von »Folter« sprechen. Das kann man den Ärzten natürlich nicht vorwerfen, denn sie fügen dem Patienten die Schmerzen ja nicht zu. Ein wenig schlimmer als eine unterlassene Hilfeleistung ist es aber wohl doch: denn von einer unterlassenen Hilfeleistung spricht man ja dann, wenn ein ansonsten völlig Unbeteiligter keine Hilfe leistet. Unbeteiligt sind die Ärzte allerdings nicht; immerhin war ja eine Operation fest geplant, womit wohl so etwas wie eine »Vereinbarung« vorliegt, die von den streikenden Ärzten gebrochen wurde.
  Man muss also wohl feststellen, dass der Ärztestreik zumindest in diesem und in ähnlich gelagerten Fällen dazu führt, dass Ärzte Leid und Schmerzen von Patienten zu verantworten haben. Nach meinem Empfinden bewegt sich die moralische Verfehlung dabei, wie oben dargelegt, irgendwo zwischen »Folter« und »unterlassener Hilfeleistung«. Ich frage mich, ob ein Arzt, der einen konkreten Patienten unerträgliche und vermeidbare Schmerzen erdulden lässt, um mehr Geld zu bekommen, bei entsprechender Bezahlung auch Beihilfe zu tatsächlicher Folter leisten würde ... oder ob die Ärzte, wenn sie Operationstermine verschieben, es zuvor vielleicht tunlichst vermieden haben, den Patienten kennen zu lernen und ob das vielleicht den Unterschied ausmacht, dass sie sein Leid nicht mitansehen müssen.
  Jedenfalls fällt mir die Vorstellung schwer, das nach einem solchen Umgang mit dem Leid eines anderen noch ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen Arzt und Patient entstehen kann. Es bleibt das Gefühl, dass hier die Verhältnismäßigkeit der Mittel nicht mehr gewahrt ist.


Womit sich natürlich die Frage stellt, wie die Klinikärzte überhaupt noch ihre berechtigten Forderungen durchsetzen sollen, wenn ihre Verhandlungspartner sich stur stellen und jede (Streik-)Maßnahme gleich mit der Keule der »ärztlichen Verantwortung« niedergeknüppelt wird. Das ist sicher ein Problem ... für das wohl die Insider ein Lösung finden müssen. Denn so, wie es jetzt geht, sollte es eigentlich nicht gehen.
  Meine Traumvorstellung wäre da schon ein »Bürokratiestreik«: Die streikenden Ärzte gehen nicht zu Demonstrationen, sondern zu ihren Arbeitsplätzen und stehen für die Patienten zur Verfügung. Weil sie aber streiken und nicht arbeiten, wäre das nur eine »freiwillige Hilfeleistung« - verbunden mit der strikten Weigerung, irgendwelche Formulare auszufüllen.
  Das würde vielleicht sogar die tatsächlichen Verhandlungspartner der Ärzte unter Druck setzen, nämlich die Klinikleitungen und die Klinikträger – weil dann nämlich in den Einrichtungen die Mittel für medizinische Betreuung zur Verfügung gestellt werden müssten, ohne dass die Möglichkeit der Abrechnung besteht.
  Und wenn die Kliniken das nicht wollen, dann müssten sie eingreifen, die Ärzte am Arbeiten hindern und die Patienten nach Hause schicken; und da es ja in erster Linie um Kliniken in öffentlicher Trägerschaft geht, läge der Schwarze Peter dann nicht mehr bei den Ärzten, sondern bei den Politikern – die dann begründen müssten, warum sie die Patienten nicht behandeln lassen, obwohl die Ärzte da sind und sich um sie kümmern wollen. Das sieht, auf den ersten Blick, doch nach einer rückenschonenden und doch offensiven Streikform aus.
  Aber, wie gesagt, damit müssen sich wohl die Insider auseinandersetzen. Und vermutlich kennen die Ärzte, so sehr sie sich auch über die Zunahme der Bürokratie beklagt haben, trotzdem genug Gründe, warum sie ohne diese Bürokratie dann doch keine Hilfeleistungen anbieten können. Vor allem, so lange der eigene Rücken noch gesund genug ist, um damit Transparente tragen zu können ...

Nachtrag:

Nun ist es soweit, und der Ärztestreik hat sein erstes Todesopfer gefordert: Eine herzkranke Frau starb in Göttingen, nachdem ihre Aufnahme in der Klinik wegen Streik abgelehnt wurde (Quelle: rp-online). Ich denke durchaus, dass der Arzt, der diese Entscheidung getroffen hat, wegen unterlassener Hilfeleistung verurteilt werden kann & sollte - entsprechende Präzedenzfalle ohne Streik-Hintergrund gibt es genug. Obwohl diesmal vermutlich genug Vorwände dafür gefunden werden, warum man dem Arzt keinen Vorwurf machen kann, wenn er sein Recht auf Arbeitskampf höher schätzt als ein Menschenleben ...

Sonntag, 28. Mai 2006

The worst Cliffhanger ever ...

Gestern Nacht hatte ich einen Traum. Ich gehörte zu einer Gruppe Personen, die mit einer anderen Gruppe einen Wettkampf austrug, und das Ganze spielte in einem Fantasy-Setting. Durch irgendwelche unfairen Machenschaften bekamen wir Gelegenheit, der anderen Gruppe schon vorneweg bei der Lösung der letzten Aufgabe zuzusehen. Wir versammelten uns also vor der Kristallkugel (oder was auch immer), und ich sah folgendes:
  Unsere Kontrahenten hatten eine Festung zu bewachen. Das letzte verbliebene Mitglied dieser Gruppe saß auf einer Bank vor einem hohen Palisadenwall, unmittelbar neben dem Tor. Die Sonne stand hoch am Himmel und brannte grell in einen leeren Innenhof hinab. Es war staubig und wirkte einsam – kein Wunder, wo dieses Fort doch nur einen einzigen Verteidiger hatte.
  Plötzlich veränderte sich kaum merklich etwas an der Szenerie. Man mochte erahnen, dass die obersten Spitzen der Palisaden erzitterten, wie bei einem leichten Erdbeben. Die Erschütterungen mussten erheblich sein, und doch schnarchte die einsame Wache auf ihrer Bank ungerührt weiter.
  Mit einem Mal flog das Tor neben ihr auf. Der schwere Riegel zerbarst, der eine Flügel des Tores schwang auf die Bank und die nun nicht mehr schlafende Wache zu. Man sah noch, wie der Krieger hochschreckte und nach den Waffen tastete. Er sah ebenso erschrocken wie hilflos aus – doch dann verdeckte der Torflügel aus massiven Holzbohlen seine Gestalt. Zum Glück bildete das Tor einen kleinen Vorbau, so dass die Wache in einer geschützten Nische saß und man nicht befürchten musste, dass sie von dem Tor zerschmettert wurde, als es nun schwer in die Palisaden krachte.
  Durch das Tor schob sich ein gewaltiger Drache, der sich mit einem einzigen Hieb seiner massigen Pranken Zugang verschafft hatte. Sein Leib war lang gezogen, und die Schuppen schillerten grünlich im Sonnenlicht. Lange Schnurrhaare, die vielleicht auch Fühler sein mochten, hingen ihm unter den mächtigen Fangzähnen von den Lefzen herab.
  Der Drache blickte sich um, doch die Wache, die immer noch hinter dem Tor verborgen stand, konnte er nicht sehen. Sein eigenes Ungestüm hatte dem Gegner Deckung verschafft. Er richtete die großen, gelben Augen wieder auf die Mitte des Hofes, während hinter ihm, vom eigenen Schwung getragen, der Torflügel allmählich wieder zuschwang und jeden Augenblick den einsamen Krieger schutzlos im Rücken des Ungeheuers entblößen musste.
  Mit schlangenhafter Eleganz bewegte der Drache sich weiter in die Festung. Er hob witternd den Kopf. Hinter ihm konnte man inzwischen den Krieger wieder erkennen. Diesem waren beim Anblick des ungeheuerlichen Tieres sichtlich die Knie weich geworden. Er hatte nach dem Schwert gegriffen, doch nun hing die Klinge kraftlos in seinen Armen herab.
  Hektisch suchte er nach einem Ausweg. Sein Blick flog zur Kante des Torflügels, der nun noch halb offen stand, und er schien abzuwägen, ob er sich wohl hinter dem Drachen her und an seinem Schwanz vorbei nach draußen schleichen konnte.
  Da blähten sich die Nüstern des Ungeheuers, das Wittern wurde lauter und sein Schnurrbart (oder die Fühler) zuckte heftig. Er richtete sich auf, bis seine Stirn die Palisaden um mehr als das Doppelte überragte. In derselben, geschmeidigen Bewegung wandte er sich dem einsamen Verteidiger der Festung zu und ragte hoch über ihm auf.
  Geifer tropfte von seinen Lefzen, die sich emporhoben und Reihen scharfer Zähne entblößten. Sein Oberkörper, der ansatzlos in Hals und Kopf überging, schwang ein wenig zurück, als würde er zum Zustoßen ausholen.
  Der Krieger fasste in verzweifeltem Mut das Schwert fester und suchte so gut wie möglich den schwingenden Torflügel als Flankendeckung zu nutzen.
  Eine Anmutung explosiver Bewegung; der entscheidende Kampf nahm seinen Anfang ...


Piep-Piep-Piep ...


Der Wecker klingelte. Ich glaube, ich bin noch nie mit einem solchen Cliffhanger aus einem Traum gescheucht worden.

Mittwoch, 24. Mai 2006

Das Anti-Methusalemkomkplott

Jüngst habe ich »Eine Trillion Euro« gelesen, eine Anthologie mit Science-Fiction-Geschichten. In manchen diesen Erzählungen ging es auch um (künftige) Möglichkeiten, das Leben zu verlängern und bis ins hohe Alter jung zu bleiben.
  Da es ja nun eine heilige Pflicht der Literatur ist, möglichst überall Probleme zu sehen, wurde auch bei diesem Thema gebührend alles aufgelistet, was da so schief laufen kann: Hundertjährige, die noch fit wie fünfzig sind, aber sich trotzdem nicht mehr aus ihrer Seniorenresidenz hervorwagen und den ganzen Tag lang im Erinnerungs-Stimulator immer dieselben Erlebnisse ihrer Jugend wiederholen; und die Kinder der »jungen Alten«, wie sie grollend darauf warten, dass die Eltern endlich abtreten und ihnen Platz machen ... sprich: Es wurden sämtliche längst überholten Klischees der »Altersprobleme« neu durchgehechelt.
  Von der SF würde ich eigentlich eine andere Perspektive erwarten, nämlich visionär und zumindest auf dem neuesten Stand, nicht nur eine Wiederholung der Bedenken des letzten Jahrhunderts.


Denn würde ein fitter Hundertjähriger tatsächlich nur noch in Nostalgie schwelgen und nicht mehr am Leben teilhaben? Ein solches Verhalten ist wohl kaum eine unausweichliche Folge des Alterns, sondern eher von körperlichem und geistigem Zerfall. Ein alter Mensch zieht sich von der Welt zurück, wenn er das Gefühl hat, nicht mehr mithalten zu können. Man flieht sich in Erinnerungen, wenn die körperlichen und geistigen Fähigkeiten dafür sorgen, dass man an den Geschehnissen der Gegenwart nicht mehr teilhaben kann – eine eingeschränkte geistige Regsamkeit ist also ein gesundheitliches Problem, und keinesfalls eine selbstverständliche Geisteshaltung alter Menschen.
  Meine These lautet also: Wenn ein 100-Jähriger so fit ist wie ein 50-Jähriger, dann wird er sich auch wie ein 50-Jähriger verhalten. Wenn in irgendeiner fernen Zukunft nicht nur die Lebenserwartung der Menschen steigt, sondern auch ihre körperliche Gesundheit, dann wird das Verhalten und das Denken dieser Menschen den neuen körperlichen Möglichkeiten auch folgen – eine »Vergreisung« kommt als eigenständiges Problem überhaupt nicht vor.
  Das ist nicht nur eine Vermutung von mir, sondern tatsächlich deuten alle aktuellen Untersuchungen zum Thema in genau diese Richtung. Wer aufmerksam Zeitung liest, wird regelmäßig auch Studien zu den »neuen Alten« finden und feststellen, dass die Realität schon längst die klassischen Vorstellungen vom Alter überholt hat: Die neue »Großeltern«-Generation wird nicht nur älter als die Generationen davor, und das bei besserer Gesundheit, sondern sie verhält sich auch anders: Sie nimmt am gesellschaftlichen Leben teil, verhält sich im Rahmen der gesundheitlichen Möglichkeiten aktiv und fächert sich in eine Vielfalt unterschiedlicher Lebensstile auf, die jedem Alters-Klischee Hohn sprechen.
  Natürlich gibt es sie noch, die »typischen Alten«; und natürlich kommt es oft genug vor, dass die gesteigerte Lebenserwartung unserer Zeit auch eine Phase körperlicher und geistiger Gebrechlichkeit verlängert. Aber alles deutet darauf hin, dass das kein Problem des Alters, der hohen Lebenserwartung und der Psychologie ist, sondern einzig und allein der Gesundheit. Soweit man die medizinischen Probleme in den Griff kriegt, wird auch das Alter an sich nicht zu einem pathologischen Zustand.


Auch was die Probleme des Generationenwechsels betrifft, ist unsere Gesellschaft heute schon weiter, als das Klischee wahrhaben möchte. Tatsächlich haben sich die Strukturen schon an die veränderte Lebenserwartung angepasst.
  Nicht umsonst ist es heute nur noch selten so, dass die Kinder beruflich in die Fußstapfen ihrer Eltern treten. Während früher die Mittel zur Berufsausübung meist in der Familie lagen und es sinnvoll war, diese Mittel über eine familiäre Kontinuität abzusichern, gehen doch heute die meisten Individuen ihren eigenen Lebensweg und suchen sich Aufgaben, die nicht in Konkurrenz zu den älteren Generationen der Familie stehen. Sicher mag es noch irgendwelche Kinder geben, die nur darauf warten, dass sie endlich die Firma der Eltern erben können – aber eine solche Haltung muss man wohl doch eher als Aberration denn als den gesellschaftlichen Normalfall ansehen.
  Ich würde also nicht mehr erwarten, dass die jüngeren Generationen sich durch eine längere Lebenserwartung der Älteren unter Druck gesetzt fühlt. Die persönlichen Beziehungen zwischen den Generationen wurden auf breiter Basis des Wettbewerbs entkleidet, und man strebt weniger nach »Nachfolge« denn nach einer möglichst langen Beibehaltung des Ist-Zustandes: Man hat sich an die Vorstellung gewöhnt, dass die älteren Generationen möglichst lange da sind und bei guter Gesundheit, und jede Veränderung dieses Zustandes wird eher als Bedrohung empfunden.
  Auch in dieser Hinsicht ist unsere Gesellschaft also schon sehr viel besser an die veränderten Lebensverhältnisse angepasst, als mancher Geschichtenerzähler wahrhaben möchte. Und es zeigt sich, dass die meisten Anpassungen an veränderte Rahmenbedingungen ganz automatisch und unmerklich vonstatten gehen und man sich oft zu viele Gedanken macht über Probleme, die niemals auftreten werden.


Wenn ich also die genannten Geschichten und auch andere Veröffentlichungen zur Altersfrage verfolge, habe ich nicht so sehr das Gefühl, dass es tatsächlich ein Problem mit der gestiegenen Lebenserwartung unserer Gesellschaft gibt. Ich habe vielmehr das Problem, dass es konservative Personen der mittleren Alterslage gibt, die gerne ein Problem konstruieren wollen. Die in erster Linie zurückblicken und sich ihr Bild vom »Alter« aus der Vergangenheit holen und es dann in die Zukunft projizieren, ohne die notwendigen Veränderungen zu berücksichtigen.
  Ich gewinne also den Eindruck, dass zunehmend ein »Anti-Methusalem-Komplott« stattfindet, indem aus einem traditionalistischen »Altersbild«, verbunden mit einem idealisierten Jugendideal, ein Bedrohungszenario gezeichnet wird. Es wird ein Bild von »alten Menschen« gezeichnet, das man verteufeln kann – was natürlich umso leichter geht, wenn man die tatsächlichen Alten nicht mehr anschauen muss.
  Das ist schade, denn es lenkt doch die Aufmerksamkeit ab und verhindert eine konstruktive Steuerung des gesellschaftlichen Wandels, die den Realitäten Rechnung trägt. Und es vernebelt den Blick auf den einzigen greifbaren, materiellen Kern der Altersproblematik, die sich im Grunde auf die rein gesundheitlich-medizinische Komponente reduzieren ließe. Und das legt den Schluss nahe, dass die Diskussion der Altersfrage derzeit eher als Nebenschauplatz einer neoliberalen Gesundheits-Spardebatte geführt wird – und dass auch die Literaten sich von dieser Perspektive leicht einnebeln lassen.

Montag, 22. Mai 2006

Gestrandet

un bin ich aus Wangerooge zurück. Was die Urlaubsseite betrifft, so hätte es kaum besser sein können: Zweieinhalb Wochen Sonnenschein, und selbst in den letzten Tagen hat es meist nur nachts geregnet. So viel zur Haben-Seite dieses Nordseeaufenthalts.
  Der Soll liegt eindeutig im technischen Bereich.


Über die Probleme bei den Internet-Cafes habe ich ja schon berichtet: keine Möglichkeit, eine externe Tastatur und damit meinen Alphasmart anzuschließen, keine Möglichkeit, eine CF-Karte oder sonst ein externes Medium einzulesen. Damit war es mir einerseits nicht möglich, mein Blog zu pflegen, weil ich die vorbereiteten Texte nicht von meinen Geräten ins Internet überspielen konnte. Aber schlimmer noch: Es war mir überhaupt nicht möglich, irgendwelche erstellten und bearbeiteten Texte zwecks Sicherheitskopie ins Netz zu schicken.
  Aber auch ansonsten war die Netzanbindung auf der Insel be...scheiden. Bei jeder neuen Seite haben die Computer erst mal eine halbe Minute Kaffeepause eingelegt, und sich dabei oft genug wegen Zeitüberschreitung selbst aus der Verbindung katapultiert. Sehr ärgerlich, wenn man im Internetcafe für jede Minute zahlt und dann künstlich ausgebremst wird.
  Normalerweise begegne ich schlechten Übertragungszeiten, indem ich mehrere Fenster gleichzeitig öffne und in dem einen lese, während im nächsten schon die neue Seite geladen wird. Aber auch diese Multitasking-Fähigkeit war in sämtlichen Inselnet-Cafes geblockt. Und begründet waren all diese Einschränkungen mit »Virenschutz«.
  Was natürlich Blödsinn ist: Die Virenschutz-Mechanismen, die vor Bedrohungen aus dem Internet schützen, können in gleichem Maße auch externe Datenträger beobachten. Wenn also ein Schutz vorhanden ist, kann man dem Kunden auch eine vernünftige Funktionalität zur Verfügung stellen; wenn der Schutz dafür nicht ausreichend eingerichtet ist, müsste man eigentlich auch den Zugang zum Internet versperren, um tatsächlich für »Virenschutz« zu sorgen.
  Ich persönlich habe zu meiner Zeit als Programmierer noch gelernt, dass man technische Probleme möglichst nicht an den Anwender weiterleiten soll, sondern vorher auffangen. Das geschieht auf Wangerooge deutlich nicht. Entweder ist das ein bewusstes und kundenunfreundliches Ausbremsen – oder aber sämtliche Websysteme auf der Insel werden von irgendeinem Hobby-Frickler mit nur mäßigen EDV-Kenntnissen betreut, der es einfach nicht besser hinkriegt. Da alle öffentlich zugänglichen Systeme auf der Insel die gleichen Macken und auch z.T. sehr exotische Einrichtungsmerkmale hatten, die sich zufällig m.E. nach nicht zweimal entwickeln können, ist letztere Variante durchaus nicht unwahrscheinlich.


Nun ja, aber danach habe ich mich selbst noch zusätzlich ausgebremst. Ich bin nämlich keinesfalls so schlecht vorbereitet, dass ich mich von solchen Fährnissen nicht unabhängig machen könnte. So habe ich beispielsweise die Möglichkeit, über meinen Pocket PC und Handy aufs Internet zuzugreifen. Das ist zwar langsam und nicht gerade preisbewusst, aber um Mails abzurufen und Texte sicherheitszukopieren reicht diese Verbindung. Ich habe schon oft darauf zurückgegriffen, wenn ich auf Reisen mit der örtlichen Infrastruktur nicht zufrieden war.
  Auf Wangerooge bekam ich aber nach wenigen Sekunden immer die Meldung: Verbindung getrennt.
  Es dauerte eine Weile, bis ich den Grund dafür herausfand: Der Provider, den ich bisher immer benutzt habe, hat vor zwei Monaten unbemerkt seine Zugangsnummer geändert. Und als ich mit einiger Mühe die neue Nummer herausgefunden hatte, kam ich auch nicht weiter; denn diese neue Nummer unterstützt nicht mehr den Zugang über Mobilnetz. Ein Problem, das ich kurzfristig nicht lösen konnte ...
  Der letzte Schlag schaltete dann auch noch meinen letzten Workaround aus: Ich arbeite nicht am Computer, wenn ich keine Backups machen kann. Nach meiner Trennung vom Netz blieb mir allerdings immer noch die Möglichkeit, Backups vom Pocket-PC auf mehreren CF-Cards zu machen. Ich packte den Alphasmart also beiseite und setzte mich zum Tippen an den Pocket-PC ... Und stellte fest, dass ich tippen konnte, was ich wollte: Auf dem Bildschirm kam nichts an!
  Dazu muss man wissen, dass der Pocket-PC nur eine sehr kleine Tastatur hat, die man blind nicht benutzen kann. Allerdings habe ich noch eine externe Tastatur, die immer noch sehr klein ist, aber durchaus 10-Finger-fähig. Aber für diese Tastatur waren keine Treiber mehr installiert ...
  Ich konnte es nicht fassen. Erst im letzten Jahr habe ich in Spanien den Pocket-PC mitsamt externer Tastatur rege genutzt, und seitdem bewusst nichts mehr geändert. Aber offenbar hatte ich zwischendurch einen System-Reset durchführen müssen, und die Backup-Dateien hatten ein System ohne Tastatur-Treiber gespiegelt. Das wäre an sich nicht so schlimm gewesen, denn die Tastaturtreiber lassen sich schnell aus dem Internet herunterladen – aber zum Datenaustausch zwischen Internet und meinen Geräten auf Wangerooge: Siehe oben!


Und das war es dann. Keine Möglichkeiten, während dieses Nordsee-Aufenthaltes irgendwas vernünftig zu tippen & zu sichern. Damit konnte ich alles streichen, was ich am Computer machen wollte; auch die Blogeinträge, die ich zumindest vortippen und dann rasch aufspielen wollte, sind spärlicher ausgefallen als geplant.
  Und so kam es, dass ich zwar einen schönen Urlaub hatte, in technischer Hinsicht aber tatsächlich auf einer einsamen Insel gestrandet bin.