Wenn man irgendwo auf einem Con, bei einer Lesung oder bei anderer Gelegenheit einer Schriftstellerschar begegnet, dann ist es so, als würde man einen Schwarm Kolkraben aufscheuchen. Unwillkürlich fragt man sich dann, ob es wohl eine Uniformpflicht für Autoren gibt. Und in der Tat: "Autoren tragen Anthrazit." So stand es in einer Zeitungsüberschrift nach der Endrunde eines Literaturwettbewerbs, bei dem ich 1993 lesen durfte. Und diese Regel gilt anscheinend bis heute.
Autoren tragen also schwarz. Warum das so ist, darüber mögen Soziologen rätseln. Ob es daran liegt, dass der "schwarze Rolli" intellektuell wirkt, oder dass die düstere Kluft dem Schreiber eine Aura des Geheimnisvollen verleiht? Oder vielleicht auch nur, weil sie den Träger schlanker wirken lässt. Wer weiß?
Das Paradoxe daran ist nur: Ich bin vergleichsweise schlank. Ich schreibe düstere Geschichten und kriege trotz eifrigen Strebens nach Unterhaltung den intellektuellen Twist doch nicht ganz raus aus meinen Geschichten. Trotzdem bin ich inzwischen so ziemlich der einzige Autor, der vorzugsweise helle Kleidung trägt. Das war nicht immer so, ich gebe es zu: Bei meinem ersten öffentlichen Auftritt zählte ich auch noch zum Schwarzen Block. Inzwischen allerdings achte ich auf Kontraste, wenn ich mit anderen Kollegen zusammentreffe, weil es mir irgendwie peinlich ist, wie ein Klon auszusehen. Was ja auch leicht zu falschen Assoziationen in Bezug auf das Werk führen kann ...
Oder - wer weiß? Vielleicht bin ich auch nur der einzige Autor, der es sich erlauben kann, seinen Bauch hinter einem weißen Hemd zu verstecken? ;-)
Jedenfalls fand dieses absurde Theater jüngst eine Fortsetzung, als ich Fotos für einen Verlagskatalog bereitstellen sollte. Ich blätterte also in einem solchen Katalog und stellte fest: Die meisten Schreiber, zumindest die männlichen Vertreter meiner Zunft, bemühen sich um eine gewisse Würde. Wenn ich also ein ernstes Foto neben meinem Buchtitel stehen habe - wird jeder Leser gleich weiterblättern, weil er solche Bilder überall findet.
Zum Glück habe ich lang genug für Zeitschriften gearbeitet und weiß daher, dass so ein grafisches Element nur dann etwas bringt, wenn das Auge des Betrachters auch darauf hängen bleibt. Das Bild soll den blätternden Käufer ansprechen und einladen, bei meinem Buchtitel zu verweilen - es sollte also aus dem Einerlei hervorstechen, wie das Autorengespenst unter den Schreibfledermäusen.
Gesagt, getan. Viele, viele Aufnahmen später konnte ich endlich ein paar Portraits abschicken, auf denen ich den Betrachter offen anlächle oder zumindest zum Gespräch einlade. Und meine Freundin ist begeistert, weil wir endlich ein paar Fotos von mir haben, auf denen ich freundlich dreinblicke. Eine Aufgabe, an der vorher 30 Jahre lang jeder Fotograf gescheitert ist. Denn etwas anderes als ein ernst und distanziert wirkendes Bild von mir zu kriegen, das hat bislang noch keiner geschafft. Aber was tut man nicht alles für die richtige Präsentation?
Am Ende fragt man sich allerdings schon: Ist das etwa das Wesen des Marketings? Dass nun jeder Partylöwe und gesellige Typ, wenn er denn als Schriftsteller posieren muss, sich mit einiger Verkrampfung Schwere und Ernsthaftigkeit abringt, während ich wiederum mich mit ebensolcher Mühe zur Lichtgestalt erhebe, nur um mich noch ein wenig abzuheben in einer Welt, wo jeder so auftritt, wie ich natürlicherweise bin?
Aber, nein. Solche Gedanken führen in die Paranoia. Außerdem habe ich ja, verglichen mit all den anderen Autoren, noch den besseren Part erwischt. Denn wie man weiß, wirken Haltung und Kleidung auch aufs Gemüt. Das Lächeln macht mich also zu einem fröhlicheren Menschen, während die Behandlungskosten für Depressionen bei all den schwarz gewandeten Kollegen hängen bleiben.
Womit die Werbung dann die Wirklichkeit vielleicht nicht abbildet, aber langfristig gesehen zumindest formt. Ist so? Ist so! Als ich bei letzter Gelegenheit in lichtem Beige auf düsteres Einerlei um mich her blickte, hoben sich unwillkürlich meine Mundwinkel, und ganz von selbst fanden Sein und Anschein zueinander. Wer zufällig Phantastikautor ist und es nicht glaubt, mag es gerne mal in der nächsten geselligen Runde ausprobieren.