Als ich bei meiner letzten Linux-Installation im Netz etwas gesucht habe, stieß ich auf das Statement: "Seit die Usability des Linux-Desktop um 2014 ihren Höhepunkt erreicht hat, geht es stetig wieder bergab ..." Und ich muss sagen, auch wenn ich die dort vorgebrachten Gründe nicht alle unterstreichen würde, bin ich doch fast geneigt, der Kernaussage zuzustimmen. 2014 war in etwa der Zeitpunkt meines Linux-Einstiegs, und ich war insgesamt recht begeistert. Dann habe ich 2016 die neu erschienen LTS ausprobiert und mich gegen einen Wechsel entschieden, weil da einfach mehr Probleme auftauchten (nicht zuletzt durch den Wechsel der Grafiktreiber-Politik bei AMD) und ich nicht den Komfort vorfand, den ich von meinen 2014er-Linux-Varianten gewohnt war.
Inzwischen ist 2018, und die LTS von 2014 laufen aus. Sprich, ich muss langsam upgraden, und ich bin nicht gerade begeistert. Trotz durchaus vorhandener Verbesserungen in Teilbereichen gibt es einfach zu viele Dinge, die nicht ganz rund laufen. Die vor allem nicht so rund laufen wie noch vor vier Jahren. Namentlich will ich da Linux Mint nennen, die Distribution, bei der ich vor vier Jahren hängen blieb, weil einfach alles out of the box am besten und in all den Jahren ungebrochen stabil lief.
No more.
Diesmal war einfach jede Menge Kleinkram nachzubessern. Dinge funktionierten nicht, und ich war mitunter stundenlang beschäftigt, um überhaupt nur rauszufinden, warum - Dinge wohlgemerkt, die 2014 nie ein Problem waren. Und Probleme, für die ich in all den Jahren Lösungen gefunden hatte, mussten plötzlich komplett neu angegangen werden, weil die Lösungen auch nicht mehr liefen. Wohlgemerkt, es ist nicht alles schlecht - die Druckereinrichtung beispielsweise lief diesmal komplett automatisch, und das für Geräte, die vor vier Jahren noch echt Mühe gemacht haben. Trotzdem, unterm Strich fällt die Bilanz negativ aus. Bis das ganze Mint-System so funktionierte, wie es soll, hat es zwei Wochen gedauert - und das, wo ich es immer als Hauptvorteil von Linux erachtet habe, das genau das im Gegensatz zu Windows nicht nötig ist; dass man in einem Nachmittag eine Neuinstallation stehen hat, bei der zumindest alles, was man wirklich braucht, läuft und zur Verfügung steht.
Aber, siehe oben: No more :-(.
Als bedeutsamstes Beispiel will ich mal Wine herausgreifen. 2014 war es von Anfang an dabei, und somit ließ sich auch gleich jedes Windows-Programm starten - und lief dann so gut, wie es unter Wine halt funktioniert. Diesmal war Wine bei der Grundinstallation nicht dabei, und was eine .exe ist, wusste das System nicht. Schlimmer noch: Die bei Mint in den Repositories mitgelieferte Wine-Variante funktionierte auch nicht. Und die bei Wine-HQ für Mint 19 zu findende Installationsanweisung klappte genauso wenig. Erst als ich, nach einigem Rumprobieren, auf die Idee kam, der Anleitung für Mint 18 zu folgen, fand Wine schließlich seinen Weg auf meinen Rechner - und läuft seitdem besser als 2014, denn Wine selbst ist in der Zwischenzeit tatsächlich besser geworden. Aber bis es überhaupt lief, hat es mich volle zwei Tage Probieren und Ursachenforschung gekostet. Für eine Sache, die 2014 vorinstalliert funktionierte!
Gerade für ein System, das sich an Einsteiger und Windwos-Umsteiger richtet, ist das eigentlich schon ein Todesstoß. Denn diese Zielgruppe braucht besonders den Zugriff auf Windows-Applikationen, und sie ist am wenigsten in der Lage, sich so durch die Technik durchzufummeln, dass sie diese ans Laufen kriegt. So, wie die Dinge liegen, kann ich Linux Mint also derzeit nicht mehr als unkompliziertes Einsteiger-System empfehlen - zumal Wine zwar das prominenteste, aber bei Weitem nicht das einzige Problem darstellt. Die kleinen und größeren Schwierigkeiten ziehen sich über die Anbindung des NAS, die Desktop-Einrichtung, die Installation einschließlich Backup-Einstellungen und und ...
Nun ja, inzwischen läuft bei mir alles. Und das sogar sehr gut ... Nur der Stabilität trau ich nicht ganz, seitdem ich feststellen musste, dass das Datum-und-Uhrzeitapplet sich regelmäßig verabschiedet. Probleme mit Dock und Applets waren auch das erste, was ich seinerzeit bei Zorin an Instabilitäten festgestellt hatte, und damals hat sich das als erstes Indiz auf ein System erwiesen, das zwar für den Augenblick toll läuft, aber eben nicht verlässlich für eine längere Zeitspanne so bleibt. Aber, gut - erst mal bin ich mit dem Probieren durch und behalte das Mint, solange es funktioniert.
Aber beim nächsten Mal, sobald das nötig wird, werde ich mich eher bei einer anderen Distro umsehen. Und bin mir auch nicht ganz sicher, ob das die Ubuntu-Familie bleiben wird, weil ich zumindest bei einem Teil der Probleme das Gefühl hatte, dass sie von der Ubuntu-Basis vererbt werden.
So viel zu den Flops. Aber ich wollte ja auch Tops vermelden.
Die habe ich für mein uraltes Netbook gefunden. Da lief bisher eine Debian-Variante, und seit dem letzten Urlaub war ich nicht mehr so glücklich damit. Es war alles so langsam geworden, dass es einfach nur noch ärgerlich war, auch nur eine Webseite zu öffnen.
Also dachte ich mir, ich setze das Netbook ein wenig kleiner. Ich habe es also mit Puppy-Linux versucht, mit Slacko-Puppy und WattOS. Aber irgendwas ist ja immer - in dem Fall Probleme und Instabilitäten und Einschränkungen der Usability, die den Spaß am kleineren und schnelleren System rasch zunichte machten. WattOS fing erst stark an und ließ dann stark nach, spricht, es sah so gut aus, dass ich es installiert habe, aber nach ein paar Stunden war die Installation schon so kaputt, dass ich gar nicht wissen wollte, wie das nach ein paar Jahren wird; und bei Puppy war's umgekehrt - das fing gleich mit nicht erkannter Wlan-Karte an, und bei dem Versuch, die nachzuinstallieren, stieß ich auf so viele unrund laufende Bestandteile, dass das System gar nicht erst bis zur Installation gekommen ist.
Und dann bin ich noch eine Stufe runtergegangen, zur abgespeckten WattOS-Variante "Microwatt". Die ist so klein, dass nicht mal eine Desktopoberfläche mitkommt, sondern nur ein Fenstermanager. Und ich muss sagen, wow! :-O Ich war beindruckt, als ausgerechnet bei meinem Dauer-Problemkind Firefox Webseiten auf dem Netbook sogar schneller luden als bei meinem laut Benchmarks ca. 20mal so schnellem Desktop-PC. Keine Ahnung, wie das möglich ist. Aber mit einem Mal fühlt sich das Netbook überhaupt nicht mehr zu langsam zum Arbeiten an. Und wie ich festgestellt habe, vermisst man den Desktop auch nicht wirklich - auf dem kleinen Netbook-Screen lässt man eh immer alles im Vollbild laufen, und wenn man dann jedes Programm auf einer eigenen der bis zu 10 Arbeitsflächen hält, ist auch komfortables Multitasking kein Problem. Inzwischen hab ich alle Software, die ich zum Arbeiten brauche, unter MicroWatt nachinstalliert, und es läuft Top - und es funktioniert auch der ganze Kleinkram wie Netzwerk ohne große Installiererei oder Einstellerei out of the box. Da spricht eigentlich nichts mehr dagegen, dass das Netbook mich auch die nächsten 10 Jahre noch als robustes Arbeitstier auf Reisen begleitet.
Also, ganz klar: Top!
Einziger Wermutstropfen: MicroWatt 10 ist auch nicht mehr die neuste Variante. Der Nachfolger ist schon seit einer Weile angekündigt und könnte jeden Moment erscheinen. Ich habe mich dagegen entschieden, darauf zu warten. Und, wer weiß, vielleicht ist beim Nachfolger die Herrlichkeit ja schon vorbei? Denn, wie Eingangs festgestellt und selbst erfahren - es gibt keine Garantie, dass neu auch immer besser ist; und dementsprechend sollte man das Gute mitnehmen, das man kriegen kann.
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen