Freitag, 29. September 2006

Biochips gibt's nicht nur in der SF

Auch ich gehöre zu den Leuten, die unter dem Chinarestaurant-Syndrom leiden – und das Schlimme: Bisher wusste ich das gar nicht!
  Vielleicht gibt es unter den Lesern noch weitere ahnungslose Opfer, daher werde ich mal kurz die Symptome schildern: Nach dem Besuch im Chinarestaurant habe ich regelmäßig ein Prickeln im Gesicht gespürt, teilweise auch in den Händen. Eine Mischung zwischen Taubheit, Kribbeln und einem Gefühl allgemeiner Unruhe, vergleichbar mit dem Genuss von allzu viel starkem Kaffee (nur dass mir nach dem Genuss von allzu viel starkem Kaffee eher übel wird, aber das ist eine andere Geschichte und soll ein andermal erzählt werden).
  Nun neige ich bekannterweise zu Allergien gegen alles und jeden, auch an Kreuzallergien gegen diverse weit verbreitete Grundnahrungsmittel wie Getreide und Obst und Gemüse. Da ist es ja nicht unwahrscheinlich, dass auch in der Chinakost das ein oder andere davon zu finden ist. Da es Kreuzallergien sind und keine »echten« Nahrungsmittelallergien, wirken sie sich bei gekochten Nahrungsmitteln in der Regel nicht aus – trotzdem habe ich mir bei den Symptomen nie etwas anderes gedacht, als dass einfach ein paar Allergene durchgeschlüpft sind und mich ein wenig in Mitleidenschaft ziehen.
  Also habe ich einfach vor einem Besuch beim Chinesen noch eine Allergietablette eingeworfen, und das führte in der Regel tatsächlich dazu, dass die Symptome nur in einer abgemilderten Form zu spüren waren.


Sehr überrascht hat es mich dann allerdings, als ich bei meinem letzten Besuch in Bayern in einer Zeitschrift gelesen habe, dass ich keinesfalls das einzige Opfer dieser rätselhaften Symptome bin. Vielmehr ist es ein recht weitverbreitetes Syndrom mit zwar möglicherweise allergischem Hintergrund, das aber nichts mit meiner speziellen Allergie zu tun hat. Als Auslöser werden in erster Linie die gerade in chinesischem Essen reichlich vorhandenen Geschmacksverstärker vermutet.
  Nun bin ich nicht gerade leicht für die üblichen Lebensmittel-Panikmachen irgendwelcher »Ökos« zu erreichen, aber wenn die Evidenzen derart eindeutig sind, ziehe ich doch Konsequenzen. Geschmacksverstärker mögen schädlich sein oder auch nicht (immerhin sollte man nicht vergessen, dass sie auch in natürlicher Nahrung vorkommen und der Organismus grundsätzlich durchaus in der Lage sein sollte, damit umzugehen) – aber ich habe selbst handfest erfahren, dass sie zumindest in Überdosierung eine ebenso spürbare wie unerwünschte Wirkung auf meinen Körper haben und nicht einfach folgenlos durchgehen.
  Grund genug, diese Überdosierung zu reduzieren und sie zumindest dort gezielt zu vermeiden, wo man ohne spürbaren Verlust an Lebensqualität darauf verzichten kann.


Nach meiner Rückkehr aus dem Urlaub habe ich dann auch abrupt meine Ernährungsgewohnheiten dementsprechend umgestellt und angefangen, auf die »E62...« im Essen zu achten. Nicht so weit, dass ich jetzt krampfhaft auf alle Geschmacksverstärker verzichten will – denn, wie gesagt, da die entsprechenden Stoffe auch in natürlichen Lebensmitteln vorkommen, können sie kaum per se schädlich sein. Ich wollte nur die Überdosierung beenden, indem ich gezielt gleichwertige Alternativen ohne Geschmacksverstärker suche.
  Aber das erwies sich als gar nicht mal so einfach. Bisher war unsere Küche sehr von »Convenience« geprägt. Das betraf gar nicht mal regelrechte »Fertigmenüs«, aber doch sehr stark industriell gefertigte Würzmischungen (wie beispielsweise das sehr wohlschmeckende »Paprika-Sahne-Hähnchen« von Maggi ... aber auch das schweift jetzt vom Thema ab). Und zu meinem Ärger musste ich feststellen, dass gerade diese praktischen und altgewohnten Helfer für die schnelle Küche ohne Geschmacksverstärker nicht zu finden waren.
  Nachdem also unsere Speisenauswahl so plötzlich reduziert worden war, und vieles von dem, was noch blieb, beim Essen ein schlechtes Gewissen verursachte, führte mich mein Weg tatsächlich mal in den Bioladen am hiesigen Bahnhof. Es war, wie ich gestehen muss, nicht der erste Besuch – aber während ich sonst nur gezielt einzelne Produkte wie Traubenkernöl dort gekauft hatte, unterzog ich nun zum ersten mal das Gesamtprogramm einer näheren Inspektion. Und ich war angenehm überrascht, was ich dort alles fand ...
  Die Zeiten, wo Bioläden nur Körnermischungen für Ökos anboten, sind anscheinend tatsächlich vorbei. Und man findet sogar einen erstaunlich hohen Anteil an »Convenience«-Mischungen dort – und zwar allesamt frei von Geschmackverstärkern. Ganz nebenbei fand ich auch noch ein paar Dinge, die ich schon lange gesucht habe und einfach praktisch für meine Lebensführung finde, obwohl mich der »Bio«-Gedanke dabei kaum interessiert – beispielsweise tiefgefrorenen Mais in einzelnen Körnern (praktisch portionierbar) und einzeln zu kaufende Eier (zwar recht teuer, aber bei unserem Eierverbrauch merke ich es ehrlich gesagt kaum, wenn das einzelne Ei doppelt so viel kostet wie im Supermarkt; aber ich merke es recht deutlich, wenn das letzte Ei aus dem üblichen »Sixpack« beim Verzehr schon zwei Monate alt ist).
  Vollends überzeugt war ich dann, als ich im Bioladen sogar die ebenso beliebten wie ungesunden Kartoffelchips fand – ebenfalls frei von Geschmacksverstärkern. Die ersten dieser »Biochips« schmeckten irgendwie ... anders. Aber nach drei Bissen hatten die Geschmacksnerven plötzlich umgeschaltet, und ich stellte fest, dass es im Grunde die besten Kartoffelchips sind, die ich kenne. Und zwei Vorurteile über Geschmacksverstärker fand ich dabei widerlegt: Erstens fand ich diese Chips extrem geschmacksintensiv – und zweitens konnte ich auch ohne Geschmacksverstärker kaum aufhören, davon zu essen.
  Na ja, inzwischen hat sich das Verhältnis etwas normalisiert, und ich habe auch das Gefühl, der Geschmack unter Verzicht auf künstliche Zusatzstoffe ist bei diesen »Biochips« durch einen recht hohen Salzgehalt erkauft. Außerdem scheinen die Zutaten tatsächlich natürlicher zu sein, denn meine Allergien (beispielsweise gegen Kartoffeln) regen sich nach dem Genuss stärker als bei konventionellen Chips). Aber irgendwas ist ja immer.
  Jedenfalls bin ich jetzt wohl tatsächlich zum regelmäßigen Kunden im Bioladen geworden (wie ich peinlich berührt eingestehen muss). In Verbindung mit einer Ausmistung meines üblichen Warenspektrums bei gleichzeitiger Erhöhung auch des Anteils an Bioartikeln vom Discounter habe ich es geschafft, Geschmacksverstärker ebenso wie Essen aus der Dose extrem zu reduzieren. Unsere Standardmahlzeiten sind jetzt so ziemlich frei von beidem – und zwar ohne dass wir unsere Kochgewohnheiten und geschmacklichen Vorlieben nennenswert ändern mussten.


Und den gelegentlichen Besuch beim Chinesen werde ich mir auch nicht nehmen lassen ;-)

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