Ich persönlich habe das Thema immer eher andersherum empfunden: als »Bilderstürmerei« von Genrelesern auf die gewachsene Bandbreite der Sprache. Ob es nun um grundlegende Kritik an bilderreicher Sprache geht oder um spitzfindige Pflückereien an einzelnen Bildern: Ich halte es nicht für einen Zufall, dass ich das bevorzugt im Umfeld der SF-Szene beobachten konnte. Denn insbesondere die Klassiker dieses Genres zeichnen sich oft durch eine nüchterne, zweckorientierte Sprache aus. Und gerade diese Sprache wurde von Kritikern immer gern als Zeichen für den nichtliterarischen Charakter der SF-Literatur angeführt!
Mein Gefühl bei derartigen Diskussionen war also immer, dass hier eher eine psychologisch als literarisch begründete Motivation zugrundeliegt, eine typische Gegenbewegung, die den Mangel zur Tugend erklären soll?
Einer beklagenswerte Ausbreitung bildhafter Redewendungen in der Fantasy, der in den Molochronik-Kommentaren befürchtet wurde, kann ich beim Vergleich mit den Anfängen des Genres auch nicht feststellen. Im Gegenteil sehe ich diese zunehmend bedroht – wer meinen ausführlichen Artikel zum Thema lesen möchte, der findet ihn hier ...
Was nun das von Molosowski konkret besprochene Werk und die konkret genannten Beispiele für unpassende Bilder angeht ... Nun, ich versuche ja aus Prinzip nicht, aus dem Zusammenhang gerissene Beispiele zu bewerten. Manche davon legen allerdings durchaus nahe, dass hier zu viel des Guten (oder in diesem, speziellen Falle dann nicht so Guten) getan wurde.
Nicht anschließen will ich mich allerdings den eher possierlichen biographischen Erklärungsversuchen, wie beispielsweise, dass »der Autor sich durch allzu viele Rollenspiele an übertrieben blumige Sprache gewöhnt habe« (meine Güte – ich zumindest habe als Spielleiter beim Rollenspiel einiges zu bedenken gehabt, aber ganz gewiss nie die Muße gefunden, mich irgendwie um ausgeschmückte Sprache zu bemühen; solche Manierismen kann ich allenfalls pflegen, wenn ich Sprache in Ruhe aufschreiben kann). Selbst wenn in diesem Fall der Autor mit den Bildern danebenlag, möchte ich eine viel näherliegende Erklärung anbringen: pure Notwehr!
Denn was soll ein Fantasyautor nicht alles beachten: Die Sprache darf nicht zu modern sein, soll also nur Worte enthalten, die schon seit mindestens 150 Jahren gebräuchlich sind; die Sprache darf nicht zu modern klingen – also sind auch Worte tabu, die schon seit Jahrhunderten üblich sind, die irgendein Leser aber für modern halten könnte; Anglizismen sind darum schon mal per se verpönt; verboten sind aber auch alle Begriffe erkennbar griechischer, lateinischer, französischer oder sonstwie zuordbarer Herkunft, weil es auf der Fantasywelt ja kein Griechenland, Lateinien, Frankreich etc. gibt. Und Begriffe, die in den letzten 20 Jahren nicht mehr üblich waren, darf man auch nicht nehmen – die könnte ja möglicherweise ein Leser nicht verstehen.
Wenn man all das zusammennimmt, kann man sich ja denken, was für ein schmaler Korridor an Vokabular dem Fantasyautor noch bleibt, bei dem er keinen Einspruch von Lektor oder Leser riskiert.
Ja, mein Gott – wundert es einen da noch, wenn dieser Fantasyautor in seiner Verzweiflung dann nach jedem Strohhalm zeitloser Bildhaftigkeit greift, um wenigstens noch ein wenig schreiben zu können?
3 Kommentare:
Schönen Tag Alexander.
Finde ich enorm, dass meine Auseinandersetzung mit »Die Zwerge von Amboss« für Dich ein Anlass war, Dir weitere Gedanken zum Thema Metaphern und Sprachbilder zu machen. Deinem Text »Arme Sprache« stimme ich vollends zu. Auf den Eintag hier habe ich ganz kurz schon in meinem Blog hingewiesen und knapp reagiert, und jetzt möchte ich auf ein paar Einzelheiten näher eingehen.
So wie Du formulierst, könnte man Dich so verstehen, dass ich ein Streiter für ›Bilderarmut‹ bin. Das ist nicht der Fall. Ich liebe blumige, metaphernreiche und bildersatte Prosa. Aber peinlich, schief und dem Stoff unangemessen sollen Metapher nicht sein. Zugestanden, vieles ist hierbei eine ›Frage des Geschmacks‹, aber nicht gänzlich. Wenn ich mich, weil es mir eben Sprachvergnügen bereitet, mit Büchern und ihrer Metaphernpraxis auseinandersetzte, dann versuche ich beispielsweise zu unterscheiden zwischen gelungenen Metaphern, und solchen, die als formelhafte Bequemlichkeitsabkürzung betrachte. Auch empfinde ich Sprachbilder als misslungen, wenn ihre Handhabung kein Halt und Ziel erkennen lässt, wenn sie auf allzu ›billigen‹ Konventionen fussen. Ich hoffe, dass es mir zumindest ab und zu gelingt, irgendwie kenntlich näher auszudeuten, was mir an der jeweils bekritelten Metaphernpraxis fragwürdig erscheint.
Du schreibst über meine Kritik an »Die Zwerge von Amboss«:
Einer beklagenswerte Ausbreitung bildhafter Redewendungen in der Fantasy, der in den Molochronik-Kommentaren befürchtet wurde, kann ich beim Vergleich mit den Anfängen des Genres auch nicht feststellen.
Auch das fasst meinen Standpunkt nur ungenau und missverständlich zusammen, denn eigentlich bezog ich mich nicht auf eine ›beklagenswerte Ausbreitung bildhafter Redewendungen in der Fantasy‹ (schon gar nicht bei deren Anfängen und Klassikern) an sich, sondern auf Spezielleres. So schrieb ich beispielsweise:
Oder haben sich gewisse Manierismen in einigen Rollenspiel- und Fantasy-Kreisen mittlerweile derart eingeschliffen, dass sie gar als Tugenden guten Erzählens gelten können?
{…}
Wenn Sprache durchgeht und zum manieristischen Gäg wird, mit dem sich nicht Gedanken sondern Schablonen maskieren, kennt man ja auch aus der Mittelalter-Szene.
Nun habe ich mich anderswo (im Bibliotheka Phantastika-Forum) ausdrücklich dagegen gesträubt, einen allgemeinen Vorwurf auszusprechen, gegen Einflüsse auf Prosa (und Ideen, Konventionen) aus den RPG-, Mittelalter-, Heiden- und ähnlicher mit dem ›Fantasy-Lifestyle‹ verbandelter -Milieus. Solche Einflüsse einseitig als gut oder schlecht zu bezeichnen entspricht nicht meiner Meinung. Vielmehr glaube ich, dass es sowohl fruchtbare wie auch bedenkliche Einflüsse gibt. — Zu den bedenklichen Einflüssen zähle ich etwas, was ich in allen Genres (ob Fantasy oder E-Literatur, denn letzteres ist auch nur eine Genre-Schublade) rügenswert finde: formelhaftes Verkürzen, manieristische Nachschreiberei, angepassten Oberflächenzauber. Solche Makel können bei blumigen, gewundenden Texten genauso auftreten, wie bei knapp und sparsam formulierenden.
Geradezu Beglückwünschen möchte ich Dich zu Deinen restlichen Ausführungen, wenn Du (wie ich glaube mit schlemischen Zwinkern) schreibst, was Fantasyautoren alles zu beachten haben, und ihre (ausgeschmückte) Bildersprache sozusagen Notwehr gegen derartige Beengungen ist. Ich finde, dass Du damit trefflich andeutest, welche tiefen Probleme bestimmte Fantasykonventionen mit sich bringen, vor allem, wenn man sich ihrer ohne ausreichende Spezielkenntnisse udn mit zu wenig eigenen Gedanken bedient. Auch weist Du damit auf Erwartungshaltungen und Konventionen der Fantasy hin, die womöglich abträglich sind, wenn Fantasy für allgemeine Leserschichten funktionieren soll.
So. Das wars.
Mit besten Grüßen
Alex / molo
Hi Molo,
"So wie Du formulierst, könnte man Dich so verstehen, dass ich ein Streiter für ›Bilderarmut‹ bin"
... das wollte ich jetzt auch nicht unterstellen ;-) Ich habe ja gesagt, dass ich zu deinen konkreten Beispielen wenig sagen kann (und möchte), weil ich das Buch selbst nicht kenne. Den Eindruck, dass es weniger um eine gezielte Kritik an unpassenden Formulierungen, sondern eher um grundsätzliche Bedenken gegen bildhafte Sprache ging, hatte ich ja auch nicht nach deinem Artikel, sondern vor allem bei der Diskussion, die sich daran anschloss.
Dazu muss man auch sagen, dass mein längerer Artikel schon des längeren auf meiner Festplatte stand und nicht nur eine Aussage zu deinem konkreten Beitrag zu den "Zwergen von Amboss" ist, sondern zu vielen Kritiken an Bildern allgemein, die ich in den letzten Jahren in der Szene so gehört habe. Dein Beitrag in der Molochronik war für mich nur der Anstoss, meinen Artikel endlich fertigzustellen und hochzuladen - es war nicht der Anlass, ihn überhaupt zu schreiben.
Was mich übrigens auch nicht überzeugt hat, war die Replik der Autoren zu deiner Kritik. Ich bin ja grundsätzlich skeptisch, wenn ein Autor seine Stilmittel erklären muss, damit sie beim Leser ankommen. Das spricht nicht unbedingt dafür, dass sie doch gelungen sind - nur weil der Autor sich dabei etwas gedacht hat, was keiner versteht ;-) Aber, wie gesagt, das Buch selbst kenne ich nicht und will daher nicht beurteilen, ob es da nun passt oder nicht. Aber die Frage nach dem "passt es" wurde in der anschließenden Diskussion doch zugunsten einer sehr pauschalen Haltung aus den Augen verloren.
Übrigens: Was die in der Diskussion in deinem Blog konstatierte Entwicklung betrifft, derzufolge in der Fantasy /zunehmend/ blumige Bilder Einzug halten - eines der letzten Bücher, die ich aus dem Genre gelesen habe, war der Klassiker "Der Wurm Ouroboros" von 1922. Vor dem Hintergrund fand ich eine entsprechend diachrone Feststellung schon sehr gewagt ;-)
"Auch das fasst meinen Standpunkt nur ungenau und missverständlich zusammen"
... schau mal genau auf den Textteil, den du zitiert hast: "der in den Molochronik-Kommentaren ..."
Hier habe ich ganz bewusst von den Kommentaren, nicht vom Artikel gesprochen - die Kommentare haben eine sehr spezielle Eigendynamik genommen. Eine typische, möchte ich meinen ... und habe das dann auch geschrieben. Nicht mehr, und schon gar keine Stellungnahme zu den "Zwergen".
Wenn mein laaaanger Text über die Ambosszwerge dazu gut war, dass Du kluge Gedanken über Stil und Fantasy ins Netz stellst, dann hat mein langes Klamüsern schon mehr erfüllt, als ich gehofft habe.
Und: Genauer ausdeuten, wo ich selber stehe wollte/musste ich, weil ja auch meine eigenen langen Beispiel-Ausführungen in den Kommentaren meines Ambosszwerge-Eintrags eingepflegt sind.
Damit sollten alle Klarheiten beseitigt sein.
Bleibt zu wünschen, dass diese Debatte weiterhin geführt wird (wenn schon nicht öffentlich, so doch wenigstens vielleicht mit mehr Umsicht, Geschick und Blick auf die Sache — nämlich Sprache, Genre und Phantastik).
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