Montag, 5. April 2010

Ein Wort zu Ostern

Heute in der Tageszeitung konnte ich, passend zu den Feiertagen, von einem derzeit aktuellen theologischen Streit lesen: War die Passion Christi ein Opfertod, durch den die Menschen von der Sünde gereinigt wurden, oder ist diese Anschauung ein zeitbedingter, von Menschen in die Religion eingebrachter Atavismus, eine Relativierung der göttlichen Liebe gar, da Gott natürlich kein solches Opfer braucht und das Schicksal seines Sohnes somit einzig als Zeichen seiner Hingabe an die Menschheit zu verstehen ist?

Nun, meine Meinung ist: Man kann sehr gut an der klassischen Deutung festhalten, wenn man sie schlichtweg symbolisch versteht. Was prinzipiell bei biblischen Inhalten nicht ungewöhnlich wäre.
  Denn die »Erbsünde« ist ja nichts anderes als die Frucht vom Baum der Erkenntnis, die Fähigkeit, selbstständig Gut und Böse zu unterscheiden und damit eine Abwendung vom kindlich-naiven Urvertrauen in höhere, »elterliche« Autoritäten und speziell in Gott. Jesus hingegen steht historisch betrachtet für den Durchbruch der Offenbarungsreligion, in der das Wort mehr zählt als die eigene Erkenntnis - was in der Tat eine Überwindung dieser Ursünde darstellt und die Rückkehr zum blinden Vertrauen in das göttliche Wort.
  Die Passionsgeschichte stellt diesen Vorgang besonders pointiert dar. Denn Jesus folgt dabei vertrauensvoll dem von Gott vorgegebenen Schicksal, bis in den Tod - und ohne den Sinn dahinter zu erkennen, wie in seinen letzten Worten zum Ausdruck kommt.

Ob man den Übergang von der »Erkenntnis« zum »Glauben«, vom selbsterkennenden und selbstbestimmenden Individuum mit eigener Sinngebung zum geführten, vertrauenden Menschen, nun als erstrebenswert oder als eine Fehlentwicklung ansieht - die Deutung von Jesu Tod als »Überwindung der Erbsünde« wirkt nach dieser Betrachtung im Gesamtkontext jedenfalls stimmig und wird durchaus auch einem modernen Blick auf die Religionsgeschichte gerecht.
  Womöglich wussten die Autoren der Bibel an dieser Stelle also doch ganz genau, was sie gesagt haben, und waren keinesfalls nur in mystisch-archaischem Opferdenken gefangen, sondern sehr wohl in der Lage, eine zeitlose Wahrheit über den Glauben und den Kern der Offenbarungsreligion zu tätigen.

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