Heute will ich auf die Wahl des Betriebssystems eingehen. Denn allein mit der Feststellung »Betriebssystem = Linux« ist die Entscheidung noch lange nicht getroffen. Es stehen Dutzende von Varianten zur Wahl. Knapp zwanzig habe ich in den letzten zwei Jahren zumindest kurz angeschaut und auf meinem Rechner gestartet, bevor ich mich endgültig entschieden habe, und damit habe ich längst nicht alle Möglichkeiten getestet.
Eines vorweg: Das perfekte Linux gibt es vermutlich nicht. Je nach persönlichen Vorlieben wird der eine wohl dieses, der andere jenes bevorzugen. Ich will hier also nicht die Frage beantworten, welches Linux »das beste« ist. Ich berichte nur, was mich überzeugt hat - und warum.
Der ein oder andere Leser erinnert sich vielleicht noch daran: Vor etwa anderthalb Jahren entdeckte ich das »Commodore OS« - Spitzname: »C64 Linux« - und war begeistert. Das funktionierte bei mir perfekt und hat mich letztendlich dazu bewogen, auf Linux umzusteigen. Leider war es ungefähr so veraltet wie Windows XP und wird nicht mehr gepflegt. Also musste ich für den endgültigen Umstieg nicht nur einen Ersatz für XP finden, sondern vor allem ein Linux, das mich ebenso überzeugt wie COS.
Inzwischen habe ich zwei Varianten gefunden, die genauso problemlos und automatisch funktionieren. Und von diesen beiden will ich zuerst das vorstellen, das ich im Augenblick tatsächlich benutze: »Zorin OS«.
Es gibt noch einen Grund, warum ich »Zorin OS« für den XP-Umsteiger an die erste Stelle setze: Keine andere Linux-Variante geht so intensiv auf den Windows-Umsteiger ein. Oder, boshaft formuliert: biedert sich ihm an! Denn Zorin bietet mehrere »Looks« zur Auswahl an, die alle Windows-ähnlich sind oder sein sollen. Damit wird Linux nicht gleich zu Windows, aber es hilft dem Neueinsteiger, alles schnell zu finden, was er sucht. Zorin ist ein flottes Linux, das stabil seine Arbeit tut. »Unter der Haube« (sprich: hinter der an Windows angelehnten Optik) läuft bei Zorin ein kaum verändertes Ubuntu. Jedes Programm und jeder Tipp, den ich für Ubuntu gefunden habe, funktionierte auch bei Zorin problemlos. Das ist ein Vorteil, denn Ubuntu ist eines der meistverbreiteten Linux-Systeme, und deswegen findet man dafür auch die meisten Tipps und Programme.
Ein paar Abzüge gibt es in der »B-Note«: Die windowsähnliche Oberfläche wirkt zugleich ein wenig altbacken, aber das mag mancher Umsteiger noch als Vorteil sehen. Ärgerlicher ist da schon das instabile AWN-Dock (damit meine ich die Bedien- und Symbolleiste am unteren Bildschirmrand, wie man sie auch von Windows kennt). Alle paar Stunden crasht eine Applikation in der Leiste. Das ist erst mal kein Beinbruch, denn wenn man das Symbol mal braucht, ist es sofort wieder da, sobald man auf das Crash-Zeichen drückt.
Leider erstreckt sich diese Instabilität auch auf die Verwaltung der multiplen Desktops, die ich ebenfalls über ein AWN-Applet steuere. Und hier musste ich feststellen: Da gibt’s nicht nur ein »kosmetisches« Problem mit dem AWN-Symbol, sondern Zorin hat insgesamt profunde Schwierigkeiten mit multiplen Desktops. Wenn ich die intensiv benutze, verabschiedet sich deren Funktionalität schrittweise. Fenster wandern auf Desktops, wo sie nicht hingehören; Desktops lassen sich nicht öffnen, der Tastatur-Shortcut zum Wechseln funktioniert nicht mehr ...
Wer an Windows gewöhnt ist und ohnehin nur einen Desktop benutzt, merkt von dem Problem gar nichts. Bei Windows gab’s gar keine multiplen Desktops. Aber gerade das war der Vorteil von Linux, den ich am meisten genossen habe, und darum ist diese Instabilität der Desktopverwaltung für mich auch das Einzige, was mich an Zorin ernsthaft stört.
Womit wir beim 2. Linux wären, das ich vorstellen will: »PC Linux OS (Full Monty)«. Genau wie Zorin hat mich PC Linux beim ersten Start überzeugt. Alle angeschlossenen Geräte wurden automatisch erkannt; alles, was ich sonst noch brauchte, ließ sich leicht konfigurieren - genau die Stärken, die ich bei »Commodore OS« geschätzt habe.
Die »Full Monty« Variante wird zudem mit einem Riesenhaufen vorinstallierter Programme und vorkonfigurierten Desktops ausgeliefert. Da ist (bis auf ein paar spezielle Programme, die ich von Windows mitbringe) von der Installation an alles dabei. Auch einiges, was ich bei »Zorin OS« erst noch per Hand einrichten musste. Vor allem ist »PC Linux OS Full Monty« von Anfang an auf multiple Desktops ausgelegt, während ich da bei Zorin eine Menge nachstellen musste, um die überhaupt nutzen zu können. Seitdem ich also festgestellt hatte, dass Zorin damit nicht so gut klar kommt, plane ich den Umstieg auf PC Linux OS für meinen Hauptarbeitsrechner.
Allerdings hat PC Linux auch ein paar Schwächen, die ich nicht verschweigen will. Zunächst einmal, es sieht viel weniger nach Windows aus als Zorin - der Sprung von XP ist also etwas größer. Aber nicht viel, und dieser »Nachteil« wird meiner Einschätzung nach dadurch ausgeglichen, dass es so umfassend vorkonfiguriert ist, dass man am Ende weniger Hand anlegen muss als bei Zorin. Gerade für den Neueinsteiger könnte das ein Wert an sich sein, der die geringfügige Umstellung in der Optik mehr als wettmacht.
Schwerer wiegt, dass die Full-Monty-Variante nicht nur alles enthält, was man brauchen könnte, sondern vor allem auch jede Menge Kram, den man garantiert nie benötigt. Da wird der Vorteil zugleich zum Nachteil, weil es das System auch etwas unübersichtlich macht und man von den gut gefüllten Desktops erst mal erschlagen wird. Hinzu kommt, das PC Linux längst nicht so leicht und flott ist wie Zorin. Das liegt nicht nur daran, dass es so vollgepackt daherkommt - es ist tatsächlich das System, das mehr Ressourcen verbraucht. Wenn man die Prozessorauslastung prüft, stellt man schnell fest, dass PC Linux schon im Leerlauf mehr Rechnerkapazität einfordert.
Im laufenden Betrieb ist mir nicht aufgefallen, dass es langsamer arbeitet. Aber man kann davon ausgehen, wenn man bei einem Laptop auf den Akku achten muss, oder wenn man andere Programme laufen lässt, die den Rechner bis zur Grenze fordern, dann dürfte man auch bemerken, dass PC Linux »fetter« daherkommt.
Und, last not least, PC Linux ist kein Standard-Ubuntu mit anderer Oberfläche, wie Zorin. Es ist ein eigenständiges Linux, das auf einer selteneren Distribution beruht und sich auch davon schon weit entfernt hat. Sprich: Bei PC Linux muss man weniger per Hand nacharbeiten als bei Zorin. Aber wenn man mal andere Programme oder Hilfen benötigt, kann man nur verwenden, was sich gezielt auf PC Linux bezieht; und davon findet sich längst nicht so viel. Lösungen für andere Linux-Varianten kann man nur eingeschränkt verwenden - mancher Tipp aus dem Internet klappt auch für PC Linux, aber längst nicht so gut wie bei Zorin.
Ein kleiner Ausgleich sind die »Fanzines«, die von der PC-Linux-Gemeinschaft herausgegeben werden: Auf der Seite des Projekts kann man sich eine kleine, regelmäßig erscheinende Zeitschrift runterladen, die auch immer wieder Tipps und Hilfen zu Linux enthält und den Einstieg ins neue Betriebssystem sicher erleichtert (Englisch-Kentnisse vorausgesetzt - was im Übrigen auch für die Foren gilt). Beide Systeme, PC Linux wie auch Zorin, haben übrigens ein sehr aufgeschlossenes Hilfe-Forum, wo auf die Fragen von Windows-Umsteigern tatsächlich eingegangen wird. Das ist nicht selbstverständlich, und auch darum will ich diese beiden Linux-Varianten dem Windows-Umsteiger besonders empfehlen.
Als Drittes möchte ich nun noch eine dritte Linux-Variante ins Spiel bringen: »Linux Mint Mate«. Das war das erste Linux, das ich bei mir auf dem System installiert habe - nachdem mir klar war, dass COS zu alt ist, und noch bevor ich auf Zorin oder PC Linux gestoßen bin.
Mint war toll. Es ist noch mal deutlich flotter als Zorin (wie ich durch Messung der Prozessorauslastung verifizieren konnte). Es ist übersichtlicher als PC Linux und eleganter als beide oben genannten Konkurrenten, und es verschwendet keinen Platz auf der Arbeitsoberfläche. Man findet für Linux Mint genauso leicht Tipps und Programme im Netz wie für Zorin, und es verschafft einem zu jeder Zeit das Gefühl, dass man einen modernen Rechner mit einem modernen und abgerundeten Betriebssystem hat.
Der Nachteil ist, im Gegensatz zu den beiden oben genannten Linux-Varianten versucht Linux Mint nicht einmal, auf den Einsteiger oder den Windows-Umsteiger zuzugehen. Es ist ein »echtes« Linux. Das heißt nicht, dass es kompliziert oder Anwender-unfreundlich wäre - im Gegenteil. Wenn man die Mate-Variante wählt, sieht es für den Windows-Umsteiger auch gar nicht mal so unvertraut aus und man findet sich eigentlich rasch zurecht. Aber es ist auf jeden Fall deutlich »technischer« als Zorin oder PC Linux.
Der Grund, warum ich davon abgekommen bin (nachdem ich Linux Mint schon komplett eingerichtet hatte), war schlicht und einfach der, dass der Drucker nicht funktioniert hat. Die Treiber waren installiert, ich konnte Druckjobs abschicken, nur am Gerät kam nichts an. Ich habe nie herausgefunden, woran das lag ... und ich muss sagen, das kann dem »Gefühl« von einem »abgerundeten Betriebssystem« schon einen schweren Schlag versetzen.
Ich gehe davon aus, heute, ein Jahr später und mit ein paar Linux-Erfahrungen mehr, könnte ich das Problem vielleicht lösen und hätte auch ein paar Ansatzpunkte, wo ich da gucken muss. Trotzdem lässt sich das Beispiel durchaus verallgemeinern und zeigt recht griffig, wo der Hauptnachteil von Mint liegt: Es funktioniert deutlich weniger automatisch unter Mint als bei Zorin oder bei PC Linux. Man kann gut selbst Hand anlegen - muss es aber auch, und zwar bei jeder Menge Dinge, um die man sich unter Windows oder Zorin oder PC Linux nie kümmern musste. Was natürlich die Chancen erhöht, das man irgendwas nicht ans Laufen kriegt.
Trotzdem will ich »Linux Mint Mate« als dritte Möglichkeit empfehlen, und kann das auch guten Gewissens tun. Denn wenn es läuft, läuft es toll. Ich benutze es selbst immer noch - für mein Netbook. Weil es für Mint spezielle Stromspartools gibt, weil es gut auf dem kleinen Bildschirm läuft und weil es einfach flott ist, also ideal für ein altes Netbook. Wenn man damit klarkommt, ist es also erste Wahl. Ob man damit klarkommt, kann man leicht austesten. Denn ein Vorteil von Linux ist ja, dass man es nicht installieren muss. Man kann es erst mal auf einen USB-Stick ziehen, davon booten und ausgiebig damit arbeiten. Das würde ich jedem Neueinsteiger auch empfehlen - schaut euch die Linux-Varianten an und nehmt dann die, die euch in der Praxis am meisten überzeugt hat.
Was mich betrifft, ich bin eher zufällig bei Zorin hängen geblieben und habe mir da alles so eingerichtet, dass es gut funktioniert. Ich grummele über die wackelige Desktop-Verwaltung und plane darum den Umstieg auf PC-Linux; ich liebäugele auch immer wieder mit einem zweiten Anlauf mit Mint auf meinem großen Rechner. Aber allein aus der Tatsache, dass es mir bisher nicht die Mühe wert ist, zeigt, dass der Unterschied zwischen den drei Systemen so groß nicht ist und dass man im Grunde mit jedem zufrieden sein kann.
Mein Fazit wäre: »PC Linux OS Full Monty« empfehle ich jedem, der ein System will, bei dem so viel wie möglich vom Start weg automatisch läuft, und bei dem man so wenig wie möglich von Hand einstellen und installieren muss. »Linux Mint Mate« ist meine erste Wahl für denjenigen, der weder bei Design noch bei Technik Kompromisse eingehen möchte und der das bestmögliche System haben will, selbst wenn er sich erst mal einarbeiten und durchbeißen muss, bis alles läuft. Und »Zorin OS« ist ein guter Kompromiss zwischen diesen beiden Polen. Was die Performance betrifft, liegt es genau in der Mitte zwischen den beiden Konkurrenten. Es funktioniert mehr automatisch als bei Mint, aber man muss trotzdem mehr per Hand installieren als bei PC Linux. Dafür erleichtert die besonders Windows-ähnliche Optik den Einstieg, und man findet reichlich Hilfen und Zubehör im Internet.
Mittwoch, 9. April 2014
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