Dienstag, 8. April 2014

Von XP zu Linux

Heute ist es so weit: das letzte Update für Windows XP. Damit endet der Support, und in gewisser Weise eine Ära - denn welches Betriebssystem hätte im kurzlebigen Computerzeitalter länger den Markt dominiert? Für mich persönlich ist es nun schon acht Monate her, dass ich endgültig in die Linux-Welt geflüchtet bin. Da ist heute ein guter Tag, um über meine Erfahrungen zu berichten.
  Besonders originell ist das Thema nicht: Im Internet kursieren eine Menge Ratschläge, warum man das Ende von XP für den Einstieg in Linux nutzen sollte. Nur leider sind die meisten davon von offensichtlichen Linux-Fanboys verfasst worden, und es fehlt jedes Gespür für die Interessen von Windows-Umsteigern. Da wird Linux über den grünen Klee gelobt und jede noch so blödsinnige Macke des Betriebssystems schöngeredet, ganz nach dem alten Motto: »It’s not a bug, it’s a feature!« (in diesem Falle also: »Das ist halt Linux und darum viel besser, da musst du halt deine falschen Gewohnheiten ändern.«). Das ärgert einen vor allem dann, wenn man weiß, dass es so einfach doch nicht ist.
  Regelmäßig (und verständlicherweise) provozieren derlei Empfehlungen auf der anderen Seite die Reaktion der typischen Windows-DAUs (»Umstieg geht gar nicht, weil was nicht von großer Marke und teuer gekauft wurde, kann gar nicht funktionieren«).
   Hilfreich für den interessierten Umsteiger ist keine der beiden Positionen. Praxisberichte aus neutraler Perspektive, aus der Sicht des langjährigen Windows-Benutzers, der seinen Rechner einfach nur genauso gut und unkompliziert verwenden will wie vorher auch, sind rar.
   Ich denke also, zwischen all dem, was zu dem Thema schon geschrieben wurde, ist durchaus noch Platz für meine Erfahrungen - mein erstes Jahr mit Linux, sozusagen ... Da will ich heute eine allgemeine Einführung geben. Morgen stelle ich dann die Linux-Varianten vor, die ich dem Einsteiger empfehlen würde. Und in den nächsten Tagen werde ich von meinen konkreten Erfahrungen im Alltag berichten, von den Problemen, wie ich sie gelöst habe - und was bis heute ungelöst geblieben ist.

Das Fazit also vorneweg:
   1. Der Umstieg auf Linux ist möglich. Klar muss ich das sagen, denn ich benutze es ja noch und bin sehr zufrieden. Es gab Schwierigkeiten, aber die meisten davon ließen sich lösen. Und inzwischen fühlt sich Windows für mich wie ein Fremdkörper an.
   2. Aber: Ein gewisses technisches Verständnis sollte man mitbringen. Auf das eine oder andere Problem stößt man bestimmt, und über manch eines kann man nicht mit einem Achselzucken hinweggehen, sondern muss eine Lösung finden, bevor man weitermachen kann.
  Man sollte sich also ganz allgemein in Betriebssystemen und Menüs so gut orientieren können, dass man sich intuitiv zu den gewünschten Einstellungen hangeln kann. Diese Hürde ist nicht so groß: Ich möchte behaupten, wer sein System unter Windows bis XP selbst betreut hat (idealerweise von DOS und Win 3.11 an, so wie ich), der findet sich in Linux sogar leichter zurecht als in jeder neueren Windowsversion. Für mich fühlte sich alles viel vertrauter an als in Vista und dessen Nachfolgern, und ich persönlich hatte sofort das Gefühl, dass ich mich plötzlich wieder freier bewegen kann.
   Wer allerdings unter Windows nur die Standardinstallation verwendet hat, ohne jemals selbst eine Einstellung zu verändern; wer immer nur ins Haus gelieferte Programme installiert und auf die automatischen Reaktionen des Systems vertraut hat, der wird möglicherweise feststellen, dass er mit dieser Taktik unter Linux nicht so gut durchkommt.
   Wenn man mal nicht weiterweiß, findet man so ziemlich zu jedem Problem eine Schritt-für-Schritt-Anleitung im Netz. Die besten und zuverlässigsten Lösungen sind meiner Erfahrung nach diejenigen, die in Kommandozeilen gegeben werden. Man sollte also, um sich mit Linux wohlzufühlen, so viel technisches Verständnis mitbringen, dass man - wenn Probleme auftauchen - diese formulieren kann, im Netz danach suchen und die richtigen Lösungen für das persönliche Problem identifizieren. Vorzugsweise sollte man dann noch in der Lage sein, in Linux das Terminal aufzurufen, mit Copy/Paste die gefundenen Problemlösungen reinzukopieren ... und dabei auch die richtigen Lösungen zu erwischen und nicht sein System zu vermurksen.
   Klingt banal, ist es im Grunde auch, hat aber seine Tücken. Spezielle Kenntnisse in Linux braucht man dafür nicht. Wer sich jedoch schon bei meiner Beschreibung hier verwirrt fühlt, dem mag ich den Umstieg auf Linux nicht empfehlen.
  Es sei denn, man benutzt seinen Computer nur, um im Internet zu surfen, Mails zu checken oder dann und wann mal einen Brief zu schreiben. In dem Fall kann man in vielen Fällen umsteigen, ohne sich je um das System kümmern zu müssen. Standardanwendungen wie Browser, Mailprogramm, Textverarbeitung etc. werden bei jedem Linux mitgeliefert, funktionieren vom Start weg und sehen im Großen und Ganzen nicht anders aus als bei Windows. Je weniger Wert man auf individuelle Konfiguration oder spezielle Programme legt, umso weniger technisches Verständnis erfordert der Umstieg.

Und wer sich den Umstieg zutraut, kann in jedem Fall eine Menge gewinnen. Unabhängigkeit von Monopolisten oder überhaupt irgendeinem Anbieter. Kein Zwangsumstieg mehr auf eine neue Version mit Veränderungen, die man gar nicht haben will. Ein Betriebssystem, das man zwanglos jederzeit testen kann, ohne es zu installieren. Das man überall installieren kann, ohne dass jemand fragt, wo und auf wie vielen Rechnern man es benutzt oder was man sonst damit treibt.
  Denn lustigerweise: Windows ist zwar teuer, aber es gehört einem nie - immer will der Hersteller einem ins Wohnzimmer schauen und genau prüfen und vorschreiben, was man mit dem gekauften Produkt macht. Ehrlich gesagt, ich hatte nie viel Lust, etwas zu kaufen, wenn der Hersteller die Ware nach der Bezahlung nicht loslassen will, sondern immer noch so festhält, das man den Griff spürt. Für Linux hingegen zahlt man höchstens so viel, wie es einem wert ist - wie viel man eben dafür spenden möchte. Aber wenn man es hat, besitzt man es wirklich und kann sich endlich als Eigentümer dessen fühlen, was man auf seinem Computer laufen hat.
  Und, nicht zuletzt, gewinnt man nicht nur ein neues Betriebssystem, sondern jede Menge Auswahl. Doch zu dieser Auswahl sage ich dann morgen mehr.

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