Dienstag, 4. August 2015

Die netzpolitik.org-Affäre

So schnelllebig ist das Internet, dass Beiträge schon mal veraltet sind, bevor sie veröffentlicht werden. So habe ich heute unterwegs einen Blogbeitrag zur Pressekonferenz unseres Generalbundesanwalts verfasst, mit dem Fazit, dass ein angemessener Abschluss der Affäre ohne Ranges Rücktritt mittlerweile eigentlich undenkbar ist. Kaum bin ich zu Hause und will den Beitrag online stellen - da lese ich, dass Range schon entlassen wurde. Kann ich mir also die ganzen feinsinnigen Ausführungen sparen und nutze die neueste Entwicklung gleich für ein Fazit:
  Gut so.

Nicht etwa, weil Range die Arbeit von Journalisten juristisch überprüfen wollte - wenn es bei dem Fall wirklich darum ginge, hätte der Generalbundesanwalt mit seinen Ausführungen sogar recht gehabt. Vielmehr ist Range einfach darum untragbar geworden, weil bei ihm viel zu wenig Sensibilität für die verfassungsrechtlichen Werte erkennbar war, die von seinem Handeln berührt wurden, und weil er immer noch nach Rechtfertigungen suchte, selbst als ihm der Fall längst um die Ohren geflogen war.
  Und, letztendlich, wer braucht einen Bundesanwalt, der in nachgewiesenen Spionageakten ausländischer Mächte nicht ermittelt, dafür aber deutsche Bürgerrechtler wegen Landesverrats verfolgt? Es ist vor allem diese Kombination, die ihn viel schlechter dastehen lässt, als jede einzelne Aktion für sich es könnte.

Die von verschiedenen Seiten vorgebrachte Kritik an Justizminister Maas greift hingegen zu kurz und ist jedenfalls wenig geeignet, um Ranges Position zu stärken: Der Vorwurf der "politischen Einflussnahme" verkennt vollkommen, dass schon die Einleitung des Verfahrens von vornherein eine politische Dimension hatte. Und der Hinweis, dass Maas auch schon früher hätte Stellung beziehen und die ganze Affäre hätte verhindern können, ist zwar nicht ganz falsch. Aber wenigstens hat Maas schließlich gehandelt; der Generalbundesanwalt stünde jetzt besser da, wenn er selbst früher Konsequenzen gezogen und nicht erst gewartet hätte, bis sein Dienstherr die Notbremse zieht.
  Gelegenheiten für einen geordneten Rückzug gab es genug: Viele der speziellen Umstände, die das Verfahren fragwürdig erschienen ließen, kamen erst im Laufe der Zeit ans Licht. Range hätte die Enthüllungen nutzen können, um die Verantwortung an Verfassungsschutzpräsident Maaßen weiterzureichen - mit der Begründung, das Maaßens Anzeige dem Fall zunächst ein größeres Gewicht zugeschrieben hätte, als bei näherer Betrachtung haltbar sei.
  Aber, gut: Wenn es etwas gibt, was Generalbundesanwalt Range in diesem Fall doch noch sympathischer erscheinen lässt, dann wohl der Eindruck, dass er das Spiel mit dem Weiterschieben von Verantwortung einfach nicht so gut beherrscht wie seine Mitakteure auf der Berliner Bühne, die das heiße Eisen letztendlich bei ihm haben liegen lassen.

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