Eigentlich hatte ich mich für die nächste Bundestagswahl schon behaglich eingerichtet und meine Prioritäten festgezurrt. Jetzt zwingt mich der Rücktritt von Sigmar Gabriel tatsächlich, noch einmal neu nachzudenken. Denn eine dieser Prioritäten war: »Niemals stimme ich für Gabriel.«
Punkt.
Nun ist er also weg. Und die SPD plötzlich wieder wählbar. Oder zumindest nicht mehr per se ausgeschlossen. Und das bringt mich ins Grübeln. Denn die Partei wird damit nicht plötzlich eine andere - und da bleibt einiges, was mich stört.
Kurz gesagt, eigentlich ist mir die SPD in den letzten Jahrzehnten zu weit nach rechts gerückt, und die linken (= gewerkschaftsnahen) Reste, die sie noch pflegt, sind nicht die meinen. Auch die Konstellationen für die nächste Wahl haben sich nicht verändert - und die sehen halt so aus, dass ich die GroKo für die einzig erträgliche Alternative halte.
Das überrascht vielleicht, warum ich die SPD am liebsten mit den »Schwarzen« zusammensehe, wo sie mir doch allein schon zu rechts ist. Auf den ersten Blick scheint es da logischer, eine Rot-rot-grüne »Linkskoalition« zu wünschen. Nur leider hat mich die Erfahrung gelehrt, dass diese Koalitionen mit kleineren Partnern dazu führen, dass alle Beteiligten ihre schlimmsten Seiten zeigen. Und Linke und Grüne haben von Flüchtlingspolitik bis Wirtschaftsverhinderung eine Menge Zumutungen im Programm, bei denen ich befürchte, dass sie in einer Linkskoalition Teil des Pakets werden, während die SPD dann den »rechten« Flügel abdecken muss. Man kriegt also bei diesem Dreiergespann von jedem Beteiligten voraussichtlich genau das, was man nicht von ihm will.
Eine Neuauflage der schwarz-gelben neoliberalen »Raubwespen« wäre sowieso der größte anzunehmende Unfall. Bleibt also nur die GroKo. Da deckt die CDU den rechten Flügel ab - und spätestens seit Schröder weiß man, dass die da auf keinen Fall schlimmer sind als die SPD an sich. Und die SPD muss in der GroKo ihr soziales Profil pflegen, kehrt also ihre bessere Seite hervor.
So ist also die Lage. Mit oder ohne Gabriel kann man also nicht sicher sein, was man am Ende bekommt, wenn man SPD wählt, und diese Stimme tatsächlich den Ausschlag gibt.
Was mir bei der SPD auch nachhängt, bleibt der »Uekermann-Skandal«. Man mag ihre Rede auf dem Parteitag 2015 gegen Gabriel unsolidarisch bis unhöflich finden, aber sie hat dabei genau die Position gegen den Ex-Parteivorsitzenden zum Ausdruck gebracht, die ich auch teile. Und ich bin da nicht der Einzige.
Es war also zumindest unklug von der SPD, Uekermann einen aussichtsreichen Listenplatz für die Wahl zu verweigern und so zu signalisieren, dass diese Meinungen in der SPD derzeit keinen Platz haben. Das Problem dabei ist nämlich, dass diese Meinung nicht von »irgendwelchen Dritten« vertreten wird, sondern von potenziellen SPD-Wählern, deren Stimmen man bei der nächsten Wahl brauchen wird. Dumm also, diese Wähler vor den Kopf zu stoßen und sie demonstrativ aus der Partei auszugrenzen; und auch das nehme ich nicht leicht.
Bleibt also festzuhalten, Gabriels Rücktritt hat - für mich - die Karten neu gemischt. Von seinem ganzen politischen Wirken hat dieser Schritt tatsächlich am meisten dazu beigetragen, die auch von der JuSo-Vorsitzenden formulierten Zweifel an seiner politischen Glaubwürdigkeit und seiner Haltung zu zerstreuen. Ich bin geneigt, ihm dafür Respekt zu zollen.
Die SPD ist für mich wieder wählbar. Und ich werde mir jetzt auf jeden Fall mal anschauen, wofür genau sein Nachfolger Schulz eigentlich steht. Ob das reicht, um meine Stimme bei der nächsten Wahl zu gewinnen ... Ich weiß es noch nicht. Der Rücktritt war ohne Zweifel eine notwendige, aber noch keine hinreichende Bedingung.
Ich denke drüber nach. Ich schaue mir die Gesamtkonstellation an. Ich werde wahrscheinlich kurzfristig entscheiden. Im Grunde aber erhoffe ich zumindest noch eine weitere Geste über den Rücktritt hinaus, die deutlich macht, dass die Partei auch die Gabriel-kritischen Stimmen ernsthaft wieder zu integrieren wünscht. Kurz gesagt, es ist immer noch nicht zuletzt Uekermanns Listenplatz für die Wahl, der von meiner Seite her eine Bauchentscheidung pro SPD verhindert.
Eine weitere Geste, die das korrigiert, könnte da den Ausschlag geben. Sonst wird es eine Kopfentscheidung werden - und wie die ausgehen wird, weiß ich selbst noch nicht.
Mittwoch, 25. Januar 2017
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