Donnerstag, 25. August 2005

Neue Mordaufrufe fundamentalistischer Prediger!

»Der US-Fernsehprediger Pat Robertson hat ... zur Ermordung des venezolanischen Präsidenten Hugo Chavez aufgerufen«, so stand in der Zeitung zu lesen. Der Kulturschock der Woche. Bis jetzt kannte man so was nur aus dem Iran (mit Billigung von oben) oder von islamischen Terrorpredigern  in anderen Ländern (mit angeblicher Billigung von ganz oben, unter Auslassung weltlicher Zwischeninstanzen).
  Vermutlich war es nur eine Frage der Zeit, bis man aus dem Gottesstaat von Ayatollah Bush ähnliche Töne vernimmt.

Eine solche Einlassung verändert die Perspektive. Sie macht den Krieg gegen den Terror zu einem wirklichen Krieg – nämlich die bewaffnete Auseinandersetzung zweier offenbar zumindest moralisch gleichwertiger Konfliktpartner. Bis jetzt dachte ich noch, dass man trotz aller politischer Fehler der Amerikaner doch letztlich im selben kulturellen Boot mit ihnen sitzt und nur darauf hoffen kann, dass ihre Eskapaden letztlich gut ausgehen.
  Jetzt sehe ich nur noch einen Haufen verrückter Fanatiker diesseits und jenseits des Atlantiks, die sich gerne die Köpfe einschlagen, und die Lust wächst, möglichst weit abzurücken und sie machen zu lassen. Nur leider sitzt man irgendwie doch in einem Boot mit den Amerikanern, zumindest in dem Sinne, dass ihre Gegner den Unterschied vermutlich nicht wahrnehmen.
  Da sage ich nur: Hilfe! Ich will hier raus! Hat die westliche Kultur der Vernunft nicht irgendwo noch ein eigenes Schiff vor Anker? Allein auf hoher See sehe ich unser Flaggschiff davondampfen, auf den Strudel des Fundamentalismus zu. Und während nun Europa sich eigentlich einen neuen Kurs suchen müsste, bekommen wir stattdessen Merkel als Lotsin an Bord – die politisch vermutlich zu naiv ist, um zu erkennen, wohin die Reise des lange so zuverlässigen Schleppers inzwischen geht.

Na ja, eine Hoffnung bleibt. Die USA haben sich schon öfter mal verrannt, aber sie haben es bisher immer irgendwann bemerkt und sind peinlich berührt zurückgekommen. Natürlich erst, nachdem es wirklich peinlich geworden ist. Aber bisher war das Land auch stark genug, um solche Eskapaden zu überstehen.
  Also, ich warte hier. Auf der Seite der säkularen westlichen Wertegemeinschaft. Bis die Amerikaner wieder zurückkommen und eine weitere Affäre hinter sich lassen, über die dann eigentlich niemand mehr sprechen will. Ich bin nun mal ein unverbesserlicher Optimist.


Nachtrag: Heute weisen US-Regierungsstellen den Mordaufruf zurück. Der Vizepräsident von Venezuela wirft den USA allerdings Scheinheiligkeit vor, bezeichnet die Äußerungen als »terroristisch« und fordert mehr von einem Land, dass sich den Antiterrorismus auf die Fahne geheftet hat. Recht hat der Mann.

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