Donnerstag, 18. August 2005

Vergesst die Killertomaten!

Irgendwann Anfang der Woche trat ich des Morgens ins Treppenhaus – und da waren sie! Mehr als faustgroß, rundlich, fast käferförmig; ihre totenbleiche Haut lugte zwischen den Stangen des Treppengeländers hervor, aus Kartons, Tüten, von Tischen ... Sie waren einfach überall.
  Ich floh erst mal erschrocken zurück in die Wohnung, aber auf Dauer konnte ich den Invasoren nicht entgehen. Sie breiteten sich rasch im ganzen Haus aus. Woher sie gekommen sind? Nun, darüber lässt sich nur spekulieren. Außerirdische, die uns übernehmen und jedes Haus besetzen wollen? Wer weiß.
  Jedenfalls haben sie unser Haus viele Tage lang tyrannisiert; und, wie ich gehört habe: Wir waren nicht die einzigen Opfer! Auch anderswo wurden sie gesehen, und der Überfall hier ist nur die Spitze des Eisberges. Es gibt kaum noch einen sicheren Ort: Wenn man im Keller ahnungslos das Licht anmacht, kann es sein, dass man unversehens an der Seite eines von ihnen lauern sieht.
  Aber wir haben den Kampf aufgenommen und sind der Bedrohung weitestgehend Herr geworden. Seit wir einen Großteil der Eindringlinge in eine Falle locken und in den Gefrierschränken des Hauses einschließen konnten, ist es ruhiger geworden. Andere beseitigen wir in Handarbeit. Der feste Panzer knackt und knirscht, wenn man ihn aufbricht und das weiche Innere freilegt ...

Jetzt, drei Tage später, ist es so ruhig geworden, dass ich mich zumindest kurz zurückziehen kann. Ich muss aufschreiben, was ich weiß, damit die Welt gewarnt ist, wenn wir scheitern. Wie gesagt, ich habe keine Ahnung, wo sie herkommen – aber ich habe eine Vermutung:
  Kurz vor der Invasion las ich in der Zeitung noch über leichte logistische Probleme beim Weltjugendtag: Obwohl längst noch nicht alle Gäste angekommen waren, wurden die größeren Einrichtungen, die Pilger beherbergen, schon mit der vollen Menge Lebensmitteln beliefert. Viel blieb übrig.
  Ist es da ein Zufall, dass kurz darauf bei den Landwirten der Umgebung große Mengen Brötchen verteilt wurden? Des Morgens, gerade kurz nach der typischen Frühstückszeit? Hunderte von Brötchen, teilweise noch annähernd tiefgekühlt? Noch gut verpackt und eingeschweißt? Hervorragend zum Aufbacken geeignet und daher eigentlich viel zu schade, um sie – wie beabsichtigt – an Schafe und Schweine zu verfüttern.
  Wie gesagt, jetzt sind sie überall. Hunderte. Gewiss Tausende, wenn man all die Betriebe mit Tierhaltung in der Umgebung, die beliefert wurden, mitzählt.

Oh mein Gott, ich habe zu viel erzählt! Ich höre sie kommen. Ihr Klackern und Schleifen, mit dem sie sich über den Flurboden bewegen. Ein Blick in den Flur beweist es mir: Sie sind da – die Killerbrötchen from outer space!
  Sie kommen mich holen. Sie wollen mich zum Schweigen bringen! Aber es ist zu spät: Die Welt ist gewarnt. Und auch wir hätten uns retten können – hätten wir nur noch ein wenig mehr Platz in den Gefrierschränken gehabt ...

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